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Gesundheit: Dickes Deutschland

Immer mehr Deutsche leiden an Übergewicht – auch bei Jugendlichen nimmt die Zahl der Übergewichtigen zu. Eine erste gesamtdeutsche Studie belegt, dass sich besonders Bildung und die soziale Schicht auf der Waage bemerkbar machen.

Berlin - Fast jeder fünfte Junge und jedes sechste Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren ist inzwischen übergewichtig oder fettleibig. Noch schlechter sieht es bei der Gesamtbevölkerung aus: Zwei Drittel der Männer und über die Hälfte der Frauen schleppen zuviel Gewicht mit sich herum, wie die erste gesamtdeutsche „Nationale Verzehrstudie“ zeigt, die Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CDU) am Mittwoch in Berlin vorstellte. Für die Studie befragte das Karlsruher Max-Rubner-Institut zwischen 2005 und 2007 bundesweit fast 20.000 Personen zwischen 14 und 80 Jahren zu ihrer Ernährung und Essgewohnheiten.

Je älter und je weniger gebildet, desto dicker

Demnach wirkt sich unter anderem die Bildung direkt auf den Körperumfang aus: Je höher der Schulabschluss desto geringer das Gewichtsproblem. Rund 70 Prozent der Deutschen mit Hauptschulabschluss leiden unter Übergewicht oder Adipositas. Von den Abiturenten sind nur etwa halb so viele betroffen.

Neben der Bildung spielen aber auch das Alter und der soziale Status eine wichtige Rolle: Je älter die Deutschen sind, desto mehr Gewicht bringen sie auf die Waage. Bei den Männern zwischen 40 und 49 Jahren sind bereits 70 Prozent zu schwer, bei den Männern über 60 Jahre sind es sogar 80 Prozent. Schweres Übergewicht ist vor allem in niedrigen sozialen Schichten verbreitet und die wenigsten Übergewichtigen findet sich bei Menschen mit hohem Einkommen.

Und die Entwicklung zum Übergewicht beginnt schon im Kindheitsalter. „Die Bildung und der Status der Eltern sind genauso bestimmend für das Körpergewicht der Kinder wie die Gene“, sagt Professor Hans-Georg Joost, Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Ernährungsforschung in Potsdam.

Übergewichtige Freunde wirken ansteckend

Warum Kinder von Eltern mit geringer Bildung und aus niedrigen sozialen Schichten häufiger an Übergewicht leiden, hat für ihn mehrere Ursachen. „Zum einen ist es teuerer und aufwendiger sich gesund zu ernähren und zum anderen färbt das soziale Umfeld ab.“ Das heißt, wer Freunde und Bekannte hat, die sich kalorienreich ernähren, der isst auch selber mehr Dickmacher. Darüber hinaus spiele natürlich auch das Wissen um eine gesunde Ernährung eine entscheidende Rolle. „Und dieses Wissen steigt meistens mit dem höheren Schulabschluss.“ Wie die einzelnen Punkte das Gewicht genau beeinflussen, ist noch unklar, aber „wahrscheinlich wirken alle zusammen“.

Dass häufig schlichtes Unwissen der Grund für Übergewicht und Fettleibigkeit ist, stellt auch Annika Bickenbach fest. Sie arbeitet als Assistenzärztin in der Adipositas-Sprechstunde für Kinder und Jugendliche an der Charité. „Oft glauben die Eltern der Werbung und denken, dass Säfte und Milchmixgetränke gesund sind.“ Daher litten nicht nur die Kinder, die zu ihr kommen, an Übergewicht, sondern meistens auch die Eltern.

Neben der Zunahme des Übergewichts ist aber noch eine ganz andere Entwicklung besorgniserregend: Die Zahl der untergewichtigen Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren nimmt zu. Hatte früher nur jedes 25. Mädchen zu wenig Gewicht, ist es inzwischen jedes Zehnte.

Tobias Fleischmann

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