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Gesundheit: Krankenversicherungen wollen sparen

Die Versicherungsbranche stimmt Patienten auf Sparmaßnahmen ein - 84 Prozent der Deutschen rechnen einer Umfrage zufolge bereits mit weiteren Einschränkungen der medizinischen Versorgung.

Berlin - Es war das Thema des Ärztetages, und es ist sicher nicht uneigennützig, wenn ein privater Krankenversicherer die heikle Debatte nun mit einer eigenen Umfrage voranzutreiben versucht. Das Ergebnis ist dennoch interessant: 84 Prozent der Deutschen rechnen mit weiteren Einschränkungen in der medizinischen Versorgung, ergab eine von der Allianz AG initiierte Studie. Und 59 Prozent wünschen sich, wenn es denn schon zu Einsparungen kommen muss, ein Gremium, das die Notwendigkeit von Behandlungen nach objektiven und transparenten Kriterien festlegt.

Mit dem Ruf nach einem solchen „Gesundheitsrat“ hat die Ärztekammer in den vergangenen Monaten eine heftige Kontroverse ausgelöst. Ihr zufolge sollten medizinische Leistungen, da die Mittel nicht mehr für alle gesetzlich Versicherten reichen und „verdeckte Rationierung“ ohnehin längst stattfinde, nur noch nach einer Prioritätenliste verteilt werden. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nannte die Debatte darüber menschenverachtend. Doch tatsächlich hatten 31,2 Prozent der Deutschen der Umfrage zufolge bereits einmal das Gefühl, keine ausreichende Versorgung erhalten zu haben. Rationierungserfahrungen hatten besonders Ältere, die öfter zum Arzt müssen: Bei den über 60-Jährigen waren es 35,2 Prozent, wie das Marktforschungsinstitut GfK SE ermittelte. Bei den unter 29-Jährigen berichteten nur 22,7 Prozent davon.

Der Hauptgeschäftsführer der Ärztekammer, Christoph Fuchs, verwies auf eine Studie aus Tübingen, wonach 77 Prozent der befragten Klinikärzte bestätigen, mindestens einmal aus Kostengründen auf eine dem Patienten „nützliche Behandlung“ verzichtet zu haben. 13 Prozent berichteten sogar, dass sie dies öfter als einmal pro Woche tun praktizierten. Politik und Öffentlichkeit müssten sich einer ehrlichen und emotionslosen Debatte darüber stellen, und die Mediziner „endlich rauslassen“ aus heimlicher Rationierung und den damit verbundenen Konflikten, forderte Fuchs. Priorisierung bedeute ja nicht den Ausschluss medizinisch nötiger Leistungen, sondern nur eine „Leistungsabstufung“ nach dem Kriterium der Vorrangigkeit – und insofern am Ende sogar mehr Gerechtigkeit, gerade für Patienten mit besonderem Bedarf und geringer gesellschaftlicher Lobby.

Nicht die offene Debatte über Priorisierung und Rationierung in der Medizin sei das ethische Problem, sondern deren Verdrängung durch die Politik, betonte der Hamburger Medizinethiker Reinhard Merkel. Die Alternative zum Versuch einer Festlegung sei, „immer weiter in verdeckte Rationierung abzugleiten“ – was dann aber mit gerechter Leistungsverteilung nichts mehr zu tun habe.

Für Merkel belegt das Umfrageergebnis, dass sich für die Priorisierung durchaus konsensfähige Kriterien finden lassen. So messen 86,4 Prozent der Befragten dem Kriterium der Dringlichkeit – also der Gefahr von Tod oder schwerster Schädigung – höchsten Stellenwert bei. 63,7 Prozent fordern, die Leistungszuteilung von den Kosten abhängig zu machen, 55 Prozent wollen die Wartezeit berücksichtigt sehen. Abgelehnt werden dagegen Altersgrenzen zur Zuteilung von Gesundheitsleistungen. Nur 11,9 Prozent finden das richtig, 83,3 Prozent halten nichts davon. Unentschieden sind die Deutschen aber bei der Frage, ob eigenverantwortliche Schädigung, etwa durch Rauchen, Übergewicht oder Risikosport, ungleiche Verteilung rechtfertigten sollte. 48,7 Prozent sind dafür, 47 Prozent dagegen.

Bei der Frage, welche Leistungen sie für besonders notwendig halten, nennen die meisten die Behandlung im Krankenhaus. An zweiter Stelle stehen, mit 58,7 Prozent, zahnärztliche und kieferorthopädische Behandlungen – sie rangieren noch vor Krebsvorsorge und Gesundheitschecks. Für am ehesten verzichtbar halten die Deutschen künstliche Befruchtung und Schwangerschaftsabbruch.

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