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Kommt nicht an. Die Idee eines einheitlichen Krankenkassenbeitrags mit Sozialausgleich ist heftig umstritten. Zuletzt spielte die Kopfpauschale auch im NRW-Wahlkampf eine Rolle. Foto: imago stock&people

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Gesundheit: Pauschal in die Mitte

Gesundheitsminister Rösler plant offenbar höhere Beiträge für besser verdienende Kassenmitglieder. Die Opposition reagiert höhnisch, die CSU lehnt ab.

Berlin - Philipp Rösler steht im Wort. Ein bisschen Kopfpauschale muss der Gesundheitsminister, um seiner Glaubwürdigkeit willen, schon zu realisieren versuchen. Aufgrund der politischen Widrigkeiten ist er nun aber offenbar bereit, sich von einem Kernbestandteil seiner Idee zu verabschieden – dem steuerfinanzierten Sozialausgleich für Geringverdiener.

Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ plant der FDP-Politiker stattdessen, den unverzichtbaren Ausgleich zwischen Arm und Reich innerhalb des Krankenkassensystems hinzubekommen. Die Finanzierung solle durch besser verdienende Kassenmitglieder erfolgen, berichtete das Blatt. Rösler beabsichtige, für seine Pauschale – angedacht seien fürs Erste und je nach Kasse 15 bis 30 Euro im Monat – unter anderem die Obergrenze zur Beitragsbemessung (derzeit bei 3750 Euro) anzuheben. Das hätte den Vorteil, dass er die Finanzämter nicht mit dem Ausgleich zu behelligen bräuchte. Und damit dann auch – zumindest nach dem Kalkül seiner Experten – am Bundesrat vorbeikäme, wo es seit der Wahl in Nordrhein-Westfalen keine schwarz-gelbe Mehrheit mehr gibt.

Das Ministerium wollte den Bericht weder bestätigen noch dementieren. Röslers Sprecher verortete ihn lediglich in eine „Reihe von Spekulationen“, zu denen man sich nicht äußere. Bestätigt wurde indessen aus CSU-Kreisen, dass Rösler sein fertiges Konzept am Montag mit CSU-Chef Horst Seehofer besprechen wolle – dem ärgsten Widersacher des FDP-Ministers in der Koalition. Auf ihn und seine CSU käme es bei der Umsetzung an, wenn Rösler tatsächlich die Länderkammer außen vor lassen könnte.

Die SPD, die versprochen hat, jedes Restchen einer irgendwie gearteten Kopfpauschale zu blockieren, zweifelt jedoch daran. „Auch ein Sozialausgleich im Kassensystem ist zustimmungspflichtig“, beharrt ihr Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Und dass SPD-regierte Länder ein solches Konzept mittrügen, sei „völlig ausgeschlossen“ – auch wenn es auf den ersten Blick als kleine Umverteilung zu den schlechter Verdienenden daherkomme.

Faktisch seien die Vorschläge jedoch „unglaublich armselig“, sagte Lauterbach dem Tagesspiegel. Weder seien sie gerecht noch entlasteten sie den Faktor Arbeit. „Was die FDP zuwege bringt, sind höhere Lohnzusatzkosten und eine Strafabgabe für die mittlere Einkommensgruppe, die schon jetzt die Melkkuh im System ist.“ Dies alles sei „nur peinlich“ und allein erklärbar durch Röslers Verkopplung seiner politischen Existenz mit der Einführung einer Pauschale. „Um nicht zurücktreten zu müssen, ist er bereit, jede noch so unsinnige Variante durchzupeitschen.“

Die Regierung wolle die Pauschale „offenbar noch ungerechter machen“, hämte auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Bei einer höheren Beitragsbemessungsgrenze blieben privat Versicherte und Gutverdiener verschont und Durchschnittsverdiener würden „gegen Geringverdiener ausgespielt“. Wenn der Sozialausgleich nun über Kassenbeiträge erfolgen solle, frage man sich, „was die ganze Übung eigentlich noch soll“, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth .

In der CSU weiß man das offenbar genauso wenig. Bei den angeblichen Plänen handle es sich um eine „klassische Beitragserhöhung mit dem Ziel höherer Einnahmen“, sagte Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer dem Tagesspiegel. Höhere Kassenbeiträge seien für die CSU aber das allerletzte Mittel. „Bevor wir damit beginnen, müssen alle Sparmöglichkeiten und Effienzreserven ausgeschöpft sein.“ Das Arzneisparpaket sei „ein geglückter Anfang“, nun seien erst mal Kliniken und niedergelassene Ärzte an der Reihe. Auch Singhammer sieht durch eine höhere Beitragsbemessungsgrenze vor allem die Mittelschicht belastet. „Das ist ein Problem“, sagte er. Zudem könne sich „der erwartete Effekt einer Einnahmeverbesserung als Luftnummer erweisen“ – und zwar, wenn die stärker Belasteten in die private Krankenversicherung (PKV) abwanderten. Zu vereiteln wäre dies nur mit einer höheren Versicherungspflichtgrenze – was dann jedoch das Kundenreservoir der PKV weiter schmälern würde.

Hinzu kommen Grundsatzbedenken. In Röslers Idee ist aus CSU-Sicht einfach der Wurm drin. Eine hohe Pauschale, sagt Singhammer, sei nicht finanzierbar. Und bei einer niedrigen stelle sich die Frage, ob der enorme Bürokratieaufwand noch im Verhältnis zum Erstrebten stehe.

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