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Ein guter Tag. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hält das neue Konzept ihrer Partei zur Bürgerversicherung für einen „Coup“.

© Axel Schmidt/dapd

Gesundheitspolitik: Arbeitgeber sollen zahlen

Die SPD hat ein neues Konzept für ihre Bürgerversicherung vorgelegt. Die Grundidee ist gleich geblieben, die neue Version bietet aber dennoch manches an Raffinesse und Überraschungsmomenten.

Berlin - Generalsekretärin Andrea Nahles sprach selbstbewusst von einem gelungenen „Coup“. Am Montag lieferten die Gesundheitspolitiker der SPD die lange schuldig gebliebene Überarbeitung ihres gesundheitspolitischen Konzepts mit Namen „Bürgerversicherung“. Das Parteipräsidium hatte nichts zu beanstanden, SPD- Chef Sigmar Gabriel sprach von einem realistischen Plan ohne „Wolkenkuckucksheime“. Im Vergleich zu früheren Entwürfen und gleichnamigen Umbauplänen von Grünen und DGB bietet die neue SPD-Version dennoch manches an Raffinesse und Überraschungsmomenten.

Die Grundidee ist gleich geblieben. Das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung soll verschwinden, kein Vermögender soll sich mehr dem solidarischen System entziehen dürfen. Doch anders als bisher verzichten die Genossen nun ganz bewusst auf zwei Dinge, die etwa den Grünen unverzichtbar schienen: die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze für besser verdienende Arbeitnehmer und die Einberechnung von Mieteinnahmen und Kapitaleinkünften bei der Beitragshöhe.

Stattdessen werden die Arbeitgeber zur Kasse gebeten. Sie sollen, so das erklärte SPD-Ziel, die Beiträge wieder halbe-halbe mitfinanzieren. Interessanterweise war diese „Parität“ seinerzeit von derselben Partei, allerdings in Regierungsverantwortung, aufgekündigt worden. Seither zahlten die Arbeitgeber immer 0,9 Beitragssatzpunkte weniger als die Arbeitnehmer.

Ein Fehler, wie die Oppositions-SPD nun einsieht. Sie versucht ihn mithilfe eines beitragstechnisch eigenwilligen Spagats wegzubekommen: Einerseits soll der Beitragssatz der Arbeitgeber von 7,3 auf 7,08 Prozent der gezahlten Gehälter sinken. Andererseits gäbe es für diesen Anteil dann keine Grenze mehr nach oben. Bisher war bei 44 550 Euro Einkommen im Jahr Schluss; was darüber lag, war beitragsfrei. Bei einem Jahresverdienst von 100 000 Euro etwa erhielten die Kassen vom Arbeitgeber bisher 3352 Euro. Nach dem neuen SPD-Konzept wären es 7080.

Die Bemessungsgrenze für Arbeitnehmer bliebe auf bisherigem Level. Der Satz würde um 0,6 Punkte sinken – auf 7,6 Prozent. Das alles würde die Arbeitgeber, so hat SPD-Experte Karl Lauterbach berechnet, fünf Milliarden Euro kosten. Zudem müssten sie sich – anders als bei Schwarz- Gelb – an künftigen Kostenzuwächsen beteiligen. Gleichzeitig soll es fünf Milliarden mehr aus Steuern geben, der Zuschuss stiege pro Jahr um 300 Millionen. Zur Finanzierung würde die Abgeltungssteuer erhöht. Damit, so das Argument, wären auch die mit im Boot, die ihr Geld nicht sozialversicherungspflichtig verdienen. Dass sie solches Einkommen bei der Beitragsbemessung weiter ignorieren, begründen die Genossen mit dem enormen Bürokratieaufwand. Man wolle „die Krankenkassen nicht zu Finanzämtern machen“, sagt Lauterbach. Zudem habe man Rücksicht nehmen wollen auf Kleinaktionäre und Vermieter von Einliegerwohnungen. „Aufwand und politischer Gegenwind“, so der SPD-Experte, stünden hier „in keinem Verhältnis zum erwartbaren Ertrag“.

Verlierer wären, neben den Arbeitgebern, die Privatversicherer. Sie dürften zwar ihre Mitglieder weiter versorgen, aber keinen mehr hinzugewinnen. Zudem dürfte auf Wunsch jeder binnen eines Jahres ins gesetzliche System wechseln. Dem geschrumpften Rest gönnt die SPD immerhin die angesparten Rücklagen – zur Zeit etwa 140 Milliarden Euro. So entgehe man dem Enteignungsvorwurf und schränke auch die Klagemöglichkeit der Privaten ein, sagt Lauterbach. Auch habe man keinen „ins offene Messer laufen lassen“ wollen. Ohne Neukundengeschäft und Rückstellungen nämlich würden die Beiträge der verbliebenen Privatversicherten „nicht steigen, sondern explodieren“.

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