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Gesundheitspolitik: Patient Krankenhaus

Jammern gehört zum Geschäft. Doch glaubt man den Klinikbetreibern und ihren Zahlen, dann befinden sich die Krankenhäuser mittlerweile in blanker Not. Und die bekommen inzwischen nicht mehr nur die Mitarbeiter, sondern zunehmend auch die Patienten zu spüren.

Berlin - „Die Zitrone ist ausgequetscht“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum. Die Belastungen seien „nicht mehr zu verkraften“. Nachdem alle Rationalisierungsmöglichkeiten ausgereizt seien, beginne nun der „Prozess der medizinischen Rationierung“. Was zwar noch nicht heißen müsse, dass deshalb weniger und schlechter untersucht oder operiert wird. Bei der „Zuwendung am Krankenbett“ allerdings sei der finanzielle und personelle Engpass vieler Kliniken bereits zu spüren, sagt Baum. So könne kein Patient mehr erwarten, dass bei jedem Klingeln binnen einer Minute Hilfe komme. Und wenn den Kliniken weiterhin das Geld für Investitionen fehle, werde sich das irgendwann natürlich auch auf die medizinisch-technische Ausstattung auswirken.

150 000 Klinik-Arbeitsplätze mussten laut DKG in den vergangenen zehn Jahren abgebaut werden. Gespart wurde insbesondere an Pflegekräften, ihre Zahl sank in den 2000 deutschen Kliniken zwischen 2004 und 2006 allein um 10 000. Das soll so weitergehen. Fast 40 Prozent der Kliniken wollen den nichtärztlichen Stellenabbau forcieren. Gleichzeitig möchte jedes zweite Haus aber erklärtermaßen ärztliche Aufgaben stärker an andere Berufsgruppen, etwa Pflegekräfte, delegieren. Das Gesundheitsministerium will dabei helfen und schon 2008 deren Kompetenzen ausweiten, wie Staatssekretärin Marion Caspers- Merk (SPD) ankündigte.

Mit den Stellenabbau-Plänen passt das natürlich überhaupt nicht zusammen. Allerdings mangelt es den Kliniken auch an Ärzten. Erstens scheuen viele Nachwuchsmediziner den Stress an personell ausgedünnten Kliniken und gehen lieber in die Pharmabranche oder ins Ausland. Zweitens dürfen diejenigen, die da sind, dank neuem Arbeitszeitgesetz, nicht mehr so viel arbeiten wie früher. Und drittens ist ihre Beschäftigung deutlich teurer geworden. Die erstreikten Tariferhöhungen kosten die Krankenhäuser laut DKG jährlich rund 1,5 Milliarden Euro zusätzlich – 15 Prozent des bisherigen Ärzte-Etats. Kein Wunder, dass die klammen Kliniken mit weniger Medizinern auszukommen versuchen. Jedes neunte Haus plant hier einen Stellenabbau, jedes dritte will zumindest offene Arztstellen nicht wieder besetzen. Nach Klinikangaben geht es nicht anders. „Dramatische Kostensteigerungen“ führt die DKG ins Feld. Dazu gehören nicht nur die Folgen von Ärztestreik, Arbeitszeitgesetz, Fallpauschalenregelung, gestiegenen Energiepreisen und höherer Mehrwertsteuer. Die Funktionäre hadern auch mit der Gesundheitsreform. Schließlich haben sie eine so genannte Sanierungsabgabe für die Krankenkassen aufgebrummt bekommen, die sie jährlich 280 Millionen Euro kostet. Angesichts der vermeldeten Kassen-Überschüsse stelle sich schon die Frage, sagt DKG-Geschäftsführer Baum, „wer eigentlich sanierungsbedürftiger ist“. Wer die Kassen dennoch entlasten zu müssen glaube, solle dies gefälligst mit den Überschüssen der Bundesagentur für Arbeit tun, die bekanntlich keine kostendeckenden Beiträge für Arbeitslose abführe.

Im Klartext: Die Sonderabgabe, die jede Klinikrechnung um 0,5 Prozent schmälert, soll wieder vom Tisch. Davon freilich hält das Ministerium gar nichts. „Ich sehe keine Möglichkeit, diese einvernehmliche Regelung zu ändern“, sagt Staatssekretärin Caspers- Merk. Zwar sehe man, „dass Krankenhäuser unter Druck sind“. Doch bei den Verwaltungskosten, mit Hierarchieabbau und in der Organisation lasse sich allemal noch sparen. Und dafür sei die Politik nicht zuständig.

Wohl aber für die Klinikeinnahmen, die sie gesetzlich begrenzt. So dürfen die Krankenhäuser im nächsten Jahr ihre Vergütungen aufgrund der allgemeinen Lohnentwicklung nur um höchstens 0,64 Prozent erhöhen. „Was, bitteschön, hat die Lohnentwicklung mit dem medizinischen Bedarf zu tun?“, fragt Baum. Wie andere Wirtschaftszweige auch, müssten die Kliniken ihre Kostensteigerungen weitergeben dürfen. Sonst gehe der von der Kanzlerin versprochene Aufschwung an einer Million Klinikbeschäftigter vorbei. Und an den 17 Millionen Menschen, die sich pro Jahr in einer Klinik behandeln lassen.

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