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Gesundheitspolitik: Röslers Kopfpauschale - Um Kopf und Kragen

Gesundheitsminister Philipp Rösler hätte der Regierungskommission Details seines Kopfpauschalenkonzepts vorstellen sollen. Doch das Treffen wurde abgesagt. Ist auch dieses FDP-Thema obsolet?

Es sieht nach Showdown aus. Spätestens bei der Kabinettsklausur am ersten Juniwochenende schlägt für Philipp Rösler die Stunde der Entscheidung. Zieht der Gesundheitsminister, der seine politische Existenz auf Gedeih und Verderb mit der Idee einkommensunabhängiger Krankenkassenbeiträge verbunden hat, dann das große Konzept aus der Tasche, dem am Ende auch Finanzminister, CSU und die entscheidend gewordenen SPD-Länder zustimmen können? Oder wird der FDP-Mann „mit leeren Händen dastehen“, wie es die Opposition prophezeit? Und wäre das Einkassieren seines zentralen, mit aller Emphase beworbenen Konzepts nicht zwangsläufig auch das politische Ende des liberalen Hoffnungsträgers?

Im Ministerium haben sie die Fallhöhe nochmals vergrößert. Man sei mit dem Prämienkonzept derart vorangekommen, dass man es nun gleich mit den Partei- und Fraktionsspitzen abstimmen müsse, tat Röslers Sprecher am Dienstag überraschend kund. Und dass man deshalb der eigens mit dem Thema betrauten Regierungskommission gar nichts vorlegen könne. Das für diesen Donnerstag geplante Treffen, bei dem Rösler erstmals Details präsentieren wollte, wurde abgesagt.

Mit schwacher Begründung, wie nicht nur politische Gegner finden. Es sei schon seltsam, merkt einer der Beteiligten an, dass ein aus dem halben Bundeskabinett bestehendes Gremium plötzlich nur noch zum Abnicken benötigt werde. So mutmaßen viele, dass es ganz anders war. Die Bundeskanzlerin höchstselbst, die sich am Sonntag außerplanmäßig mit Rösler traf, habe den Minister zurückgepfiffen. Ihr Argument sei die ungeklärte und mit der Euro-Krise nochmals schwieriger gewordene Finanzierung gewesen. Und dass sie in dieser ohnehin harten Woche nicht noch zusätzlichen Streit mit der SPD brauchen könne.

Röslers Problem ist der Sozialausgleich aus Steuermitteln. Er ist der Dreh- und Angelpunkt seines Konzepts, nur dadurch ist es für Geringverdiener überhaupt denkbar. Ohne Sozialausgleich, so hat Rösler selber immer wieder klargestellt, keine Kopfpauschale. Und nachdem Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dem jungen Kollegen öffentlich klargemacht hatte, dass er dafür keine 30 Milliarden Euro übrig habe, dampfte dieser sein Vorhaben ein. Seither war nur noch von einer klitzekleinen Einstiegspauschale die Rede. Statt mit 150 oder 180 Euro könne man ja mal mit 29 Euro anfangen, ließ das Ministerium durchsickern.

Dann kam die NRW-Wahl und mit ihr der Verlust der Bundesratsmehrheit. Nach aller politischen Logik konnte dies nur eines bedeuten: das Aus für Röslers Pauschale. Allem, was mit Steuern zu tun hat, muss die Länderkammer zustimmen. Und die SPD-regierten Länder würden den Teufel tun. Die Genossen lehnen die Einheitsprämie ja nicht nur ab. Sie haben sie zum verhassten Symbol all dessen erhoben, was es an neoliberaler Entsolidarisierung zu verhindern gilt.

Rösler tut unterdessen so, als sei nichts passiert. Seine Rede beim Ärztetag war fast wortgleich mit vorher gehaltenen – inklusive der Passage über sein Prämienmodell. Dabei lässt er längst prüfen, ob man damit nicht irgendwie am Bundesrat vorbeikommen könnte. Doch auch wenn man die Finanzämter außen vor und den Sozialausgleich den Krankenkassen überließe – die Länder hätten, schon wegen der ihnen unterstellten AOKen und Innungskassen, mitzureden. Dasselbe gilt aus Expertensicht, wenn man den Ausgleich nicht über Steuern sondern im System, also über die Kassenbeiträge, realisieren würde. Außerdem würden die Bürger solche Trickserei wohl übel nehmen.

Bleibt nur Überzeugungsarbeit. Mit seinem Hauptwidersacher im Koalitionslager, CSU-Chef Horst Seehofer, will sich Rösler nächste Woche treffen. Und in der SPD hat er schon mal diskret die Bereitschaft zu einem Deal vorfühlen lassen. Wenn die Genossen ein bisschen Kopfpauschale akzeptierten, so das Angebot, könne man auch über eine höhere Beitragsbemessungsgrenze reden. Gegen die damit verbundene stärkere Belastung Besserverdienender könne die SPD ja nichts haben. Die andere Möglichkeit heißt Schwarzer Peter. Man droht, die Beiträge zu erhöhen. Oder bei den Zusatzbeiträgen die Begrenzung zu kassieren. Und könnte den erzürnten Bürgern dann erklären, dass die SPD-Blockade für solche Zusatzbelastung verantwortlich sei.

Von alldem zeigt sich die SPD unbeeindruckt. Ihre Experten haben sich mit den Länderkollegen verständigt, standhaft zu bleiben. Man befinde sich „in einer Duellsituation“, sagen sie in Berlin. Und: „Eine Seite wird ihr Gesicht verlieren.“

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