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Seine Wiederwahl hängt von der Entscheidung des Obersten Gerichts ab. Kippen die Richter seine Gesundheitsreform, wird es für Obama ganz schwierig im Wahlkampf.

© AFP

Gesundheitsreform auf dem Prüfstand: Verfassungsrichter entscheiden über Obamas Präsidentschaft

Die Gesundheitsreform gilt als symbolträchtigste Errungenschaft von Barack Obama - nun entscheidet das Oberste Gericht darüber. Wenn die Verfassungsrichter das Gesetz kippen, könnte Obamas Präsidentschaft wackeln.

Mit nervöser Spannung warten Bürger, Parteien und die Träger des Gesundheitswesens in den USA auf die Entscheidung der Verfassungsrichter über Präsident Obamas Krankenversicherungsreform. Jeden Tag wird nun mit der Urteilsverkündung gerechnet. Ende März hatten die Obersten Richter die Klagen republikanisch regierter Staaten gegen das wohl wichtigste Gesetz der letzten Jahre angehört und eine Entscheidung noch in dieser Sitzungsperiode in Aussicht gestellt; sie reicht bis Ende Juni. Beobachter hatten aus dem kritischen Ton mehrerer Richter geschlossen, dass eine Mehrheit Teile der Reform mit Skepsis betrachtet.

Auch das Weiße Haus bereitet sich darauf vor, dass die Verfassungsrichter zumindest einzelne Bestimmungen infrage stellen. Das Gesetz gilt als die symbolträchtigste Errungenschaft der Obama-Präsidentschaft. Sollte das Gericht die gesamte Reform für verfassungswidrig erklären, würde dies großen Einfluss auf die Präsidentenwahl im November haben und Obamas Chancen auf eine zweite Amtszeit vermutlich beeinträchtigen.

Das Urteil wird auch weitreichende Konsequenzen für das Gesundheitswesen haben, das sich seit zwei Jahren auf die Einführung der neuen Bestimmungen vorbereitet und vom Umsatz her eine der wichtigsten Wirtschaftsbranchen ist. Je nachdem, wie viele Bestimmungen die Richter für unwirksam erklären, könnten sich Krankenhäuser, Ärzte und Pharmaindustrie plötzlich in einer unklaren Rechtslage wiederfinden.

Video: Wird Obama wiedergewählt?

Die Richter müssen sowohl staatsrechtliche als auch inhaltliche Fragen entscheiden. Die Kläger haben zum Beispiel bezweifelt, ob die Regierung und der Kongress überhaupt das Recht haben, das Gesundheitswesen umfassend zu regeln. Nach ihrer Meinung fällt das in die Kompetenz der Einzelstaaten. Sie bestreiten auch, dass der Staat die Bürger zum Abschluss einer Krankenversicherung zwingen und alle, die diese Pflicht nicht erfüllen, mit einer Geldstrafe belegen dürfe.

Generell ist die Reform in den USA nicht sonderlich beliebt. In Umfragen unterstützen weniger als 40 Prozent der Bürger das Gesetz. Gesundheitskosten und Versicherungsprämien sind in den jüngsten Jahren stark gestiegen. Die Republikaner finden mit ihrer Warnung Resonanz, dass die Einbeziehung von mehr als 40 Millionen bisher unversicherter Bürger und die neuen Vorschriften die Kosten noch einmal stark ansteigen lassen werden. Einzelne Bestimmung sind freilich populär, zum Beispiel die Vorgabe, dass studierende Kinder bis zum 26. Lebensjahr mit den Eltern versichert werden dürfen. Der eigentliche Stein des Anstoßes für viele Amerikaner ist jedoch die von Obama eingeführte Versicherungspflicht. Viele stören sich am staatlichen Zwang. Freiwillige Versicherung ja, Pflichtversicherung nein – diese Auffassung ist weit verbreitet.

Vier Szenarien, wie das Oberste Gericht entscheiden könnte

Angespannter Präsident: Für Barack Obama geht es um das wichtigste politische Projekt seiner bisherigen Amtszeit.
Angespannter Präsident: Für Barack Obama geht es um das wichtigste politische Projekt seiner bisherigen Amtszeit.

© dapd

US-Medien diskutieren vier mögliche Entscheidungen der Richter sowie ihre jeweiligen potenziellen Folgen. Würden die Richter zum Beispiel die gesamte Reform für verfassungsgemäß erklären, wäre dies auf den ersten Blick ein Triumph für Barack Obama. Dann würden die Republikaner jedoch mit umso mehr Vehemenz die Rücknahme der Reform im Falle ihres Wahlsiegs versprechen. Da eine klare Mehrheit der Bürger die Reform ablehnt, könnte ihnen dieser Ausgang wahltaktisch helfen.

Variante 2: Die Richter verbieten die Versicherungspflicht, lassen die übrige Reform aber unangetastet. So hat das Berufungsgericht in Atlanta entschieden, ehe der Fall an das Oberste Gericht ging. Das wäre problematisch für die Versicherungen und die Entwicklung der Prämien. Junge und gesunde Bürger würden sich nicht versichern. Die Versicherer müssten aber Menschen mit hohem Krankheitsrisiko annehmen, ohne für sie Zuschläge zu den Beiträgen erheben zu dürfen.

Der Vorwahlkampf der Republikaner in Bildern

Variante 3: Neben der Versicherungspflicht fallen auch die Vorgaben, dass die Versicherer jeden Kunden akzeptieren und keine Zuschläge für erhöhte Krankheitsrisiken erheben dürfen. Da viele verschiedene Bestimmungen der Reform einen inneren Bezug zueinander haben, wäre unklar, inwieweit die übrigen Bestimmungen dann noch die erwünschte Wirkung haben. Der Gesundheitsmarkt würde für die Bürger unübersichtlicher. Den Versicherungen aber würden neue Risiken erspart bleiben.

Variante 4: Die Richter erklären die ganze Reform für verfassungswidrig. Politisch wäre das eine schwere Niederlage für Obama – die aber auch die Republikaner unter Druck setzen würde. Bisher beschränken sie sich darauf, die Reform abzulehnen. Falls die Richter das ebenfalls tun, könnten die Konservativen ihre Gegnerschaft nicht mehr zur Mobilisierung potenzieller Wähler nutzen. Sie müssten auch erklären, wie sie die Probleme des Versicherungsmarkts lösen wollen.

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