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Politik: Gesundheitsreform – Regierung lobt sich, Opposition entsetzt

Merkel: Vereinbart ist vereinbart / Beck: Vertretbar Stoiber: Alles unter Vorbehalt / Gysi: Missgeburt

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Berlin - Nach monatelangem Tauziehen hat sich die große Koalition in der Nacht zum Donnerstag auf eine Reform des Gesundheitswesens geeinigt. Der Kompromiss sieht unter anderem vor, den Gesundheitsfonds ein halbes Jahr später als geplant zum 1. Januar 2009 einzuführen. Mögliche Zusatzbeiträge werden wie von der SPD gefordert auf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens der Versicherten begrenzt. Allerdings können Kassen eine Pauschale von bis zu acht Euro ohne Einkommensprüfung erheben, so dass manche Geringverdiener mehr als ein Prozent zahlen müssten. Der Finanzausgleich zwischen den Kassen soll sich künftig auch nach den Krankheitsrisiken ihrer Versicherten richten. Dabei sollen 50 bis 80 Krankheiten zur Grundlage gemacht werden.

Mit dem Kompromiss legte das Regierungsbündnis von Union und SPD seine bisher schwerste Krise fürs Erste bei. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber stellte seine Zustimmung jedoch unter den „Vorbehalt der genauen Gesetzesformulierung“. Auch Nordrhein-Westfalens CDU-Landesregierung will einige Details prüfen. Gleichwohl zeigte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zuversichtlich, dass die unionsregierten Länder den Kompromiss mittragen werden. „Was heute vereinbart wurde, ist vereinbart.“ SPD-Chef Kurt Beck sprach von einem „vertretbaren Kompromiss“.

Stoiber hatte in den Verhandlungen erreicht, die Einführung des Gesundheitsfonds auf die Zeit nach der bayerischen Landtagswahl im Herbst 2008 zu verschieben. Außerdem setzte er eine Länderklausel durch, die Krankenkassen reicher Länder zunächst davor schützen soll, deutlich mehr als bisher in den Finanzausgleich einzuzahlen. Der Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform soll am 25. Oktober im Kabinett beschlossen werden und am 1. April 2007 in Kraft treten.

Während Spitzenpolitiker von CDU und SPD die Einigung lobten – SPD-Fraktionschef Peter Struck sprach von einer „revolutionären Neuregelung“ –, übte die Opposition vernichtende Kritik. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer warf der Koalition „Verhohnepipelung“ der Wähler vor: „Es hat mit Handlungsfähigkeit überhaupt nichts zu tun, wenn man um jeden Preis an einem faulen vermurksten Kompromiss festhält.“ FDP-Chef Guido Westerwelle forderte, den Fonds nicht zu verschieben, sondern zu beerdigen. Linksfraktionschef Gregor Gysi bezeichnete die Reform als „unsoziale Missgeburt“. Kritik kam auch von der SPD-Linken. Präsidiumsmitglied Andrea Nahles sagte, für die SPD sei das Verhandlungsergebnis enttäuschend. Sie behalte sich eine Ablehnung im Bundestag vor. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte: „Der Fonds macht nur Sinn, wenn es gelingt, die Privatversicherten zu beteiligen und den Steueranteil zu erhöhen. Beides haben die Unions-Ministerpräsidenten bisher blockiert.“

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