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Fachgerechter Eingriff. Beschneidungen müssen künftig den gängigen medizinischen Standards genügen. Das sieht der vom Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf vor. Jetzt soll er in den Bundestag eingebracht werden.

© dpa

Geteiltes Echo auf Gesetzentwurf: Kabinett billigt Recht auf Beschneidung

Das Bundeskabinett will das Recht auf religiöse Beschneidung in ein Gesetz gießen. Doch dem Zentralrat der Muslime geht der Entwurf nicht weit genug.

Das am Mittwoch vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachte Beschneidungsgesetz stößt auf ein geteiltes Echo. Während der Zentralrat der Juden und Vertreter der deutschen Muslime den Entwurf begrüßten, kritisierten ihn verschiedene Organisationen wie „Terre des femmes“ und die Deutsche Kinderhilfe. Die Regelung im Kindschaftsrecht soll es Eltern unter bestimmten Voraussetzungen erlauben, die Penisvorhaut ihrer Söhne aus religiösen oder hygienischen Gründen beschneiden zu lassen. Der Entwurf „über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“ kann jetzt in den Bundestag eingebracht werden.

Von einem „guten Tag“ sprach Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), in deren Haus der Entwurf erarbeitet wurde. Die Regelung trage zu mehr Rechtssicherheit bei. Es sei jetzt unmissverständlich klargestellt, dass „wir die Ausübung der Religion wollen“.

Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, begrüßte den Entwurf als „sehr gelungen und geglückt“. Die Politik habe „zügig, verantwortungsbewusst und sensibel gehandelt“, so Graumann in einem Interview des Fernsehsenders Phoenix. Zur geplanten Qualifikation von Beschneidern meinte er: „Wir müssen überlegen, wie wir eine solche Zertifizierung vornehmen.“ Es gehe dabei um die Frage der Schmerzlinderung. „Hier müssen wir auch selbst unsere Hausaufgaben machen.“

Der Zentralrat der Muslime verlangte derweil Nachbesserungen. Sein Vorsitzender Aiman Mazyek stellte im Bayerischen Rundfunk den Begriff des „Kindeswohlvorbehalts“ infrage. Dieser Punkt sollte noch diskutiert werden. Vom Gesetzentwurf werde das „unmissverständliche Signal“ ausgehen, dass Juden und Muslime nicht kriminalisiert würden.

Die Bamberger Rabbinerin und Urologie-Fachärztin Antje Yael Deusel hatte bereits die Eckpunkte des Gesetzes begrüßt, das in der vorvergangenen Woche an die Länder, Verbände und Religionsgemeinschaften geschickt worden war. Sie seien völlig in Übereinstimmung mit jüdischen religiösen Erfordernissen und dem medizinischen Sachstand, sagte Deusel seinerzeit dem Tagesspiegel. Sie übt selbst die Funktion einer religiösen Beschneiderin (Mohelet) aus und hat ihre Rabbinatsarbeit über die religiöse Bedeutung, Geschichte und medizinische Aspekte der Beschneidung geschrieben.

Auch der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) mahnte eine „wirkungsvolle Betäubung“ an. Nach dem Gesetzentwurf sei sie unabdingbar. Die SVR-Vorsitzende Christine Langenfeld hob lobend hervor, dass die Regelung den Willen der Jungen aufnehme. Dagegen kritisierte die Deutsche Kinderhilfe den Entwurf als „aktionistischen Schnellschuss“. Bei Beschneidungen von Jungen im nicht zustimmungsfähigen Alter handele es sich um eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindeswohls. „Terre des femmes“ erklärte, das Recht von nichteinwilligungsfähigen Jungen auf körperliche Unversehrtheit werde zu wenig geschützt. Der religionspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Raju Sharma, erklärte, mit der Sonderregelung für religiös ausgebildete Beschneider ordne die Regierung das Recht des demokratischen Rechtsstaats religiösen Geboten unter.

Anlass für die Regelung ist ein Urteil des Kölner Landgerichts. Es hatte im Mai die Beschneidung von Jungen ohne medizinische Notwendigkeit als strafbare Körperverletzung gewertet. Dies löste heftige Proteste von Juden und Muslimen aus, für die das Beschneiden von Jungen – kurz nach der Geburt im Judentum, im Alter bis etwa zum Schuleintritt im Islam – ein wesentliches Glaubensritual ist. Während eines Fachgesprächs der Grünen-Bundestagsfraktion zum Thema hatten kürzlich zwei Religionsverfassungsexperten argumentiert, die Beschneidung beschwöre gar keinen Grundrechtskonflikt herauf, da die Grundrechte eines Kindes – auch das auf Unversehrtheit – immer von dessen Eltern wahrgenommen werden müssten, je jünger es sei, desto stärker. (mit KNA)

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