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Die Polizei stellte beim Abistreich in Köln "speerähnliche Gegenstände sicher. Jetzt ermittelt sie unter anderem wegen Körperverletzung.

© Oliver Berg/ dpa

Gewalt bei Abistreichen: Randale in Köln: Kein Einzelfall

Ein Abistreich endete mit Kopf- und Gesichtsverletzungen. Das Ausmaß der Gewalt ist neu – eskalierende Abschlussfeiern aber nicht.

"Reifeprüfung", so beschreibt der Duden das Wort "Abitur". Ginge es nach dem Wörterbuch, dann müsste der höchste deutsche Schulabschluss einigen Kölner Schülern konsequenterweise verwehrt bleiben. 200 von ihnen gingen am Montagabend vor dem Humboldt-Gymnasium in der Innenstadt aufeinander los, im Zuge ihres sogenannten Abistreichs. Wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, Körperverletzung und Landfriedensbruchs ermittelt die Polizei jetzt unter anderem. Einen "speerähnlichen" Gegenstand haben die Ordnungshüter sichergestellt. Trauriger "Höhepunkt": Zwei Achtzehnjährige fügten sich eine Schädelfraktur und eine knöcherne Gesichtsverletzung zu.

Doch wie erwächst aus der Freude über das Ende der Schulzeit pure Aggression? Und wann endete der Spaß am Feiern? Obwohl die Vorfälle in Köln bisher beispiellos sind, was das Ausmaß der Gewalt angeht, ist es kein neuer Trend, der sich da abzeichnet. Schon in vergangenen Jahren gab es in ganz Deutschland Beispiele für Abistreiche und Mottowochen – so bezeichnen Abiturienten ihre letzte Schulwoche, in der es Tradition ist, sich an jedem Wochentag gemäß eines neuen Mottos zu verkleiden –, die völlig aus dem Ruder liefen.

Gefährliche Streiche undTrunkenheit keine Seltenheit

Ein Beispiel: Das idyllische 18.500 Einwohner-Städtchen Altena in Nordrhein-Westfalen. Am örtlichen "Burggymnasium" feierten die rund 150 Absolventen schon im Jahr 2013 ausgiebig das Ende ihrer Schullaufbahn – und schlugen dabei teils mächtig über die Stränge. Ein Schüler, der damals dabei war, schildert "Streiche", die nicht nur gemein, sondern auch gemeingefährlich waren: "Am Tag unseres Abistreichs haben Schüler morgens die Türen von fahrenden Autos aufgerissen. Dann haben sie Wasser hineingeschüttet, entweder mit Eimern, oder es wurde mit Wasserpistolen gespritzt." Und Wasser war noch das harmlosere Mittel der Wahl: In manche Wasserpistolen, berichtet der Schüler weiter, sei zuvor uriniert worden. Irgendwann habe der Schulleiter eingegriffen und den Inhalt der Wasserpistolen ausgegossen.

Auch über den Alkoholkonsum der Abiturienten während der Mottowoche und beim Abistreich sollten sich Eltern und Lehrer keine Illusionen machen. Die Frage, ob das Betrunkensein in der "Vorabi-Phase" ein Normalzustand sei, bejaht auch der ehemalige Schüler des Burggymnasiums. "Manchmal wird da allerdings echt übertrieben", gibt er zu.

Kölner Polizei in der Kritik

Mit den Vorfällen von Köln wurde nun eine neue Dimension erreicht. Dieses Ausmaß der Gewalt ist auch für Experten neu. Die Kulturwissenschaftlerin Katrin Bauer, die sich seit langer Zeit mit Brauchtum und Riten von Abiturienten beschäftigt, hat dafür eine mögliche Erklärung: "Teilweise wurden Abistreiche verboten oder abgesagt. Es kann schon sein, dass Köln eine Reaktion darauf ist. Dass man sagt: Wir gehen aus dem Schulgebäude raus und verlagern es ein Stück weit in den öffentlichen Raum."

Mit diesem Problem muss sich zukünftig auch die Polizei auseinandersetzen. Am Mittwoch warf die Mutter von einem der schwer verletzten Schüler den Beamten vor, erst eingegriffen zu haben, als die Auseinandersetzung bereits vorbei war. "Vorher standen die Einsatzkräfte der Polizei daneben, schauten zu und sprachen über das Megaphon". Erst, als es schon zu spät gewesen sei, seien sie eingeschritten, schrieb sie in einer E-Mail an die Kölner Polizei. (mit dpa)

Julia Beil

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