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Ein Wahlplakat mit der Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker, die am 17.1.2015 mit einem Messer niedergestochen wurde.

© dpa

Gewalt gegen Flüchtlinge und Politiker: Der Terror von rechts wird nicht beim Namen genannt

Flüchtlingsheime brennen, Politiker werden attackiert: Rechtsextreme Taten dürfen nicht verharmlost werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Es geht Schlag auf Schlag. Vergangenes Wochenende sticht ein Flüchtlingsfeind die parteilose Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker nieder, am Mittwoch nimmt die Polizei in Franken eine Gruppe Rechtsextremisten fest, die mit hochexplosiven Böllern eine Unterkunft für Asylbewerber angreifen wollte. Seit Monaten vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein Gebäude brennt, in das Flüchtlinge einziehen sollen oder in dem schon Menschen leben.

Anfang Oktober zündelte ausgerechnet ein Feuerwehrmann im sauerländischen Altena auf dem Dachboden eines Hauses, in dem sieben syrische Flüchtlinge einquartiert waren, darunter eine schwangere Frau. Der Hass auf Asylbewerber oder Migranten insgesamt mündet offenkundig in rechten Terror. In Ost und West, in Dörfern und Städten. Als seien rassistische Anschläge eine Art Volkssport.

Die Zahl rechter Morde wird kleingerechnet

Da hilft kein Verdrängen und kein Relativieren: Die Bundesrepublik wird mit „homegrown terror“ konfrontiert. Der Begriff ist in den Sicherheitsbehörden für militante einheimische Islamisten reserviert, doch diese Exklusivität ist überholt. Wie auch der juristische Terrorbegriff. Das Strafgesetzbuch kennt nur „terroristische Vereinigungen“, für die es mindestens drei Tatverdächtige braucht. Nach dieser Logik sind der Messerstecher von Köln und der Brandstifter von Altena keine Terroristen. Das wirkt weltfremd.

Die Bundesanwaltschaft konnte den Fall Köln denn auch nur wegen der „Schwere der Tat und der mit ihr vom Beschuldigten angestrebten Signalwirkung“ übernehmen. Beim geständigen Täter von Altena hingegen sah der Staatsanwalt nicht einmal ein politisches Motiv, sondern nur eine „persönliche Überzeugung“. Der Brandstifter und sein Komplize kamen frei. Wenigstens wird gegen die bayerischen Neonazis, die lebensgefährliche Böllerbomben auf Flüchtlinge werfen wollten, wegen des Verdachts der Bildung einer „kriminellen Vereinigung“ ermittelt.

Der neue rechte Terror organisiert sich informell übers Internet

Der Mangel an Klarheit in Wahrnehmung und Sprache von Staat und Politik hat leider Tradition. In den meisten Bundesländern wird die Zahl rechter Morde kleingerechnet. Nur ein Beispiel: Die Polizei in Nordrhein-Westfalen wertet bis heute den Angriff eines Ex-Söldners, der 2003 in Overath einen Anwalt, dessen Frau und die Tochter erschoss, nicht als rechtes Tötungsverbrechen. Obwohl das Landgericht Köln dem Täter eine nationalsozialistische Motivation bescheinigte.

Wie würden das Verbrechen von Overath und jetzt die Messerattacke in Köln sowie die Anschläge auf Flüchtlingsheime genannt, wären Islamisten die Täter? Da gäbe es in Staat und Politik keine Zweifel: Das ist Terror.

Doch bei geplanter, zielgerichtet lebensgefährdender Gewalt von rechts wird oft gedruckst. Obwohl nach dem NSU-Schock, der die Republik vor vier Jahren erschütterte, Staat und Politik deutlich mehr Sensibilität versprachen. Es gab auch Reformen, doch sie reichen offenbar nicht weit genug für die Erkenntnis: Deutschland wird mit einem Rechtsterrorismus neuen Typs konfrontiert. Er ist weniger organisatorisch strukturiert als informell über das Internet und doch brandgefährlich. Sind uns Terroristen mal wieder einen Schritt voraus?

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