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Nach dem Protest. Eine afghanische Journalistin filmt im angegriffenen UN-Komplex in Masar-i-Scharif.

© dpa

Gewalt in Afghanistan: Die Opfer des Pastor Jones

Nach der Koranverbrennung in den USA wurden auch am Samstag wieder Menschen in Afghanistan getötet. Und der Schauplatz für das nächste Kapitel im Drama um Pastor Jones und den Hass auf den Islam steht bereits fest.

Er zündelte in den USA, jetzt brennt es in der islamischen Welt. Fast zwei Wochen nach der Koranverbrennung des radikalen amerikanischen Predigers Terry Jones starben in Afghanistan auch Samstag deswegen wieder neun Menschen. Über 80 Menschen wurden bei den Zusammenstößen in Kandahar verletzt. Am Vortag hatten aufgebrachte Afghanen in Masar-i-Scharif ein Büro der Vereinten Nationen gestürmt und sieben Ausländer getötet. Auch in Kabul und Herat gingen am Samstag hunderte Demonstranten auf die Straße.

Eine kleine und umstrittene Kirchengemeinde in Gainesville (Florida) hatte dem heiligen Buch der Moslems vor zwei Wochen einen „Prozess“ gemacht, in dem „Geschworene“ acht Minuten lang berieten, bevor sie den Koran des Terrorismus schuldig befanden und ein „Todesurteil“ durch Verbrennen aussprachen. Das Ganze fand nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ganz anders war es im September letzten Jahres. Da hatte der umstrittene Pastor des Dove World Outreach Center, Terry Jones, eine geplante Koranverbrennung nach massiven Protesten im ganzen Land absagen müssen. Vertreter der US-Regierung hatten damals gewarnt, dass eine solche Aktion die Sicherheit von amerikanischen Soldaten bei ihren Einsätzen gefährden könnte.

Seither brodelte es allerdings in der Gemeinde. Am Sonntag vor zwei Wochen kam es dann zum „Prozess”, bei dem Jones als „Richter” vor rund 20 Zuschauern auftrat. Ein weiterer Pastor, Wayne Sapp, führte als Henker das Urteil aus, tränkte eine Koranausgabe in Spiritus und setzte sie mit einem Grillanzünder in Flammen. Einige Zuschauer fotografierten das Theater, während selbst Nachbarn in unmittelbarer Nähe der Kirche nichts mitbekamen. Jetzt sorgt man sich in Gainesville um die eigene Sicherheit. Die lokale Polizei hat Patrouillen im Umfeld der Kirche verstärkt. Bürgermeister Craig Lowe verurteilt öffentlich die gewalttätigen Auseinandersetzungen in Afghanistan und den Auslöser in seiner eigenen Stadt. „Die Welt und unser Land müssen wissen, dass Pastor Jones und seine Jünger nicht für unsere Stadt sprechen“, sagte Lowe.

Derweil verurteilt auch Jones den Aufruhr in Afghanistan und sieht darin eine weitere Bestätigung für die Koranverbrennung. Es habe sich nun gezeigt, dass der Koran für Gewalt stehe, wettert der Pastor. Es sei an der Zeit, den Islam zur Verantwortung zu ziehen. Sein Sohn Luke Jones, der im Outreach Center als Jugendpastor arbeitet, fühlt sich ebenfalls im Recht. Die Gewalt in Afghanistan zeige noch einmal, dass der Islam „schlecht“ sei.

Wajid Khuddus hat für solche Rhetorik kein Verständnis. Der Vorsitzende des Islamischen Gemeindezentrums in Gainesville nennt die erneuten Attacken gegen die Religion „verblendet“. Mindestens ein Mitglied seiner Gemeinde, Jamal Alsahaer, geht im Interview mit einer lokalen Zeitung einen Schritt weiter. Alsahaer klagt sowohl Pastor Jones an als auch diejenigen Afghanen, die aus Protest ein UN-Büro angegriffen haben. Eine Mitschuld gibt er auch den Medien, die der Aktion überhaupt erst Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Dabei war über die Koranverbrennung kaum berichtet worden. Es waren Diplomaten, die international auf die Aktion aufmerksam gemacht haben.

Der Schauplatz für das nächste Kapitel im Drama um Pastor Jones und den Hass auf den Islam steht bereits fest: Ende April will sich Jones an Protesten vor einer Moschee in Dearborn (Michigan) beteiligen. Man klage damit nicht die Moschee selbst an, sondern demonstriere „gegen Dschihad und Scharia“. Die Vertreter der Kirchen in Dearborn haben Jones gebeten, nicht zu erscheinen. Doch der hat sich bislang selbst durch anonyme Morddrohungen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Jones weist auch jede Verantwortung für die blutigen Reaktionen in Afghanistan zurück. „Wir wollten das Bewusstsein für diese gefährliche Religion schärfen“, sagte er dem Sender ABC. Für die tödliche Attacke auf das UN-Büro „fühlen wir uns nicht verantwortlich“. mit dpa

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