zum Hauptinhalt
Flammender Protest. Demonstranten wie hier im Damaszener Vorort Tadamon zünden Autoreifen an. Der dunkle Rauch soll den Rebellen Schutz geben.Foto: Reuters

© REUTERS

Gewalt in Syrien: Jetzt beginnt der Kampf um Damaskus

Sirenen heulen, Maschinengewehre rattern, Granaten schlagen ein: Die Kämpfe zwischen Rebellen und Assad-Truppen erreichen die syrische Hauptstadt. Die UN-Mächte ringen derweil um den weiteren Kurs.

Rauchwolken standen über der Skyline von Damaskus, viele Bewohner machten die ganze Nacht kein Auge zu. Ununterbrochen ratterten Maschinengewehre, schlugen Mörsergranaten ein und heulten die Sirenen von Krankenwagen. „Wir leben im Kriegsgebiet“, sagte ein Anwohner. Immer stärker nähern sich die Kämpfe dem Herzen der syrischen Hauptstadt, während Russland weiterhin jede UN-Resolution gegen das Assad-Regime ablehnt und den westlichen diplomatischen Druck als Erpressung denunziert. „Ihr werdet Damaskus niemals erobern“, titelte am Montag die Staatszeitung „Al Watan“. Nach Angaben des Blattes kämpfen die Regierungstruppen jetzt gegen „terroristische Gruppen, die sich in den Vorstädten verschanzt haben und die große Schlacht um Damaskus wollen“. Das Internationale Rote Kreuz in Genf erklärte den Konflikt in Syrien offiziell zum Bürgerkrieg.

Bildergalerie: Blutiger Aufstand gegen Assad

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und UN-Vermittler Kofi Annan versuchten derweil simultan in China und in Russland, die beiden Führungen von ihrer starren Vetohaltung gegen eine Syrienresolution des UN-Sicherheitsrates abzubringen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete in Moskau vor seinem Gespräch mit Annan einen Rücktritt von Präsident Assad als „unrealistisch“. Dieser werde die Macht nicht aufgeben, „nicht weil wir ihn beschützen, sondern weil ein bedeutender Teil der syrischen Bevölkerung hinter ihm steht“. Am Dienstag wird Kofi Annan in Moskau mit Russlands Präsident Wladimir Putin zusammentreffen, Ban Ki Moon in Peking mit Chinas Präsident Hu Jintao.

Armee und Rebellen lieferten sich in den südlichen Vororten Tadamon und Midan von Damaskus sowie nahe dem palästinensischen Flüchtlingslager Yarmouk die bisher schwersten Gefechte seit Beginn des Volksaufstands vor 16 Monaten. Panzer operierten in den Wohnstraßen und beschossen Gebäude, in Panik suchten Bewohner Schutz in den Moscheen der Viertel. Auch im Westen bei Kfar Sousa und im Osten bei Jobar brachen nach Angaben der lokalen Widerstandskomitees Kämpfe aus, die Ausfallstraße zum Flughafen war eine Zeit lang nicht passierbar. Einwohner, die mit den Kämpfern der „Freien Syrischen Armee“ sympathisieren, zündeten Autoreifen an, deren schwarzer Qualm den Kämpfern Deckung geben sollte. In anderen Teilen von Damaskus blockierten brennende Autoreifen am Morgen die Stadtautobahnen.

Weitere Einzelheiten der Gewalttaten

Angesichts der Lage wächst der internationale diplomatische Druck auf Russland und China, in dieser Woche zum ersten Mal eine Verurteilung Syriens durch den UN-Sicherheitsrat passieren zu lassen. Das dreimonatige Mandat der 300 unbewaffneten Blauhelme vor Ort läuft am 20. Juli aus. Bis Freitag muss das Weltgremium darüber abstimmen, ob deren Mandat verlängert wird. Die westlichen Staaten wollen die Abstimmung mit einer Sanktionsandrohung verknüpfen, falls das syrische Regime seine schweren Waffen nicht aus den Wohnvierteln abzieht. Russland und China hatten ähnliche Resolutionsentwürfe in der Vergangenheit bereits zwei Mal durch ihr Veto blockiert.

UN-Beobachter, die sich nach dem Massaker im Dorf Tremseh zwei Mal vor Ort umgesehen hatten, veröffentlichten am Montag weitere Einzelheiten der Gewalttaten. Am Sonntag hatten die Blauhelme erstmals mit Dorfbewohnern sprechen können. Nach übereinstimmenden Berichten der Augenzeugen zogen die Regierungstruppen von Haus zu Haus und ließen sich von allen Männern die Personalausweise zeigen. Einige wurden auf der Stelle hingerichtet, andere abgeführt und verschleppt. In einem Videofilm der UN-Vertreter berichtet ein junger Mann, der Reste einer Mörsergranate in der Hand hält, drei Opfer seien vor seinen Augen erschossen und anschließend verbrannt worden, einer sei Kämpfer der „Freien Syrischen Armee“ gewesen, zwei einfache Dorfbewohner. 50 Häuser wurden bei dem Angriff zerstört.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false