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Die einzigen Bilder aus Syrien stammen meistens aus dem Internet. Das Land ist derzeit vollkommen abgeschottet von der Außenwelt.

© Reuters

Gewalt in Syrien: Massaker, Reformangebote und Waffen aus Iran

Präsident al-Assad gibt sich reformbereit. Auf den Straßen von Hama geht das Massaker unvermindert weiter. Immer mehr Staaten ringen sich zu einer Verurteilung der Gewalt durch. Der Iran unterstützt das Regime weiterhin mit Waffen.

Wenige Stunden nach der Verurteilung Syriens durch den UN-Weltsicherheitsrat hat Präsident Bashar al-Assad durch zwei neuerliche Dekrete versucht, den Regimegegnern politische Konzessionen anzubieten. Zum ersten Mal seit 1963 will das Regime neben der Baath-Partei auch andere politische Parteien zulassen. Assad verfügte entsprechende Änderungen des Parteien- und Wahlgesetzes. Gleichzeitig aber ging das brutale Vorgehen des Regimes gegen die aufständische Bevölkerung in voller Härte weiter.

Bereits den vierten Tag beschießen Panzer, die sich im Zentrum auf dem Assi-Platz postiert haben, Wohnviertel in Hama. Nach Angaben von Menschenrechtlern starben in den letzten 24 Stunden mindestens 30 Menschen. Damit erhöht sich die Opferzahl seit dem Wochenende auf mehr als 130. Die Stadt ist vollkommen von der Außenwelt abgeriegelt, Strom, Wasser und Telefon sind gekappt. Auf vielen Dächern liegen Scharfschützen auf der Lauer, die wahllos jeden unter Feuer nehmen. In gleicher Weise gehen Assads Elitetruppen auch in der ostsyrischen Stadt Deir ez-Zor vor, wo vor drei Wochen die bisher größten Anti-Regime-Demonstrationen seit Beginn der Unruhen im März stattfanden. Hier sollen nach Angaben von Menschenrechtlern inzwischen bis zu 200 Panzer im Stadtgebiet operieren.

Angesichts der wachsenden Brutalität rang sich der UN-Weltsicherheitsrat am Mittwochabend nach langem Gezerre erstmals dazu durch, das mörderische Vorgehen des Regimes zu verurteilen. Das Gremium forderte, die Verantwortlichen der Untaten müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Präsident Assad wurde aufgefordert, sein Wort zu halten und die versprochenen Reformen tatsächlich umzusetzen. Bisher gebe es hier „einen Mangel an Fortschritt“. Die Erklärung hat nicht den Rang einer UN-Resolution, dies scheiterte bisher an den beiden Vetomächten Russland und China. Als einziges Mitglied des UN-Sicherheitsrates distanzierte sich der Libanon öffentlich von dem Beschluss, dessen Regierung von der Hisbollah dominiert ist. Bei der UN-Resolution 1973 im März gegen Libyen, die militärische Angriffe zum Schutz von Zivilisten autorisierte, gehörte Libanon dagegen zu den Mitinitiatoren.

Präsident Assad kündigte an, Wahlen mit einem Mehrparteiensystem zuzulassen. Die entsprechenden Dekrete träten sofort in Kraft, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Frankreichs Außenminister Alain Juppe nannte den Vorstoß in einer ersten Reaktion „eine Provokation“. Der Staatschef sollte besser die Gewalt gegen seine eigene Zivilbevölkerung stoppen. Auch Aktivisten der syrischen Opposition reagierten ablehnend. Es sei zu spät, der Graben zwischen dem Regime und den Demonstranten sei unüberbrückbar geworden, ließen sie verlauten.

Im Kampf gegen die eigene Bevölkerung wurde das Regime in Damaskus von Anfang an massiv vom Iran unterstützt. Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung stoppten türkische Grenzer Ende April am Übergang Kilis mindestens einen Lastwagen aus Iran mit Waffen für Syrien. Die Zeitung beruft sich auf diplomatische Quellen. Transporte mit gleich lautenden Frachtpapieren sollen Tage zuvor die Grenze noch unbehelligt passiert haben. Die Türkei hat inzwischen ihre Kontrollen verstärkt. Sie gehört mittlerweile zu den schärfsten Kritikern des Baath-Regimes. Im Juni hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in einem Fernsehinterview Präsident Assad beschuldigt, „ein Gemetzel“ unter der eigenen Bevölkerung anzurichten. Die Bilder aus Syrien seien „widerlich“, das Regime agiere in unmenschlicher Weise. Sein Vize Arinc Bulent legte diese Woche nach und nannte die Operationen in Hama ein Massaker. „Wer so etwas tut, kann nicht unser Freund sein”, erklärte der Politiker. Der Großteil der militärischen Ausrüstung Syriens stammt aus Russland, das in der Hafenstadt Tartus eine Marinebasis für das Mittelmeer unterhält. Der Iran dagegen schickte auch „Berater“ für die Sicherheitskräfte nach Damaskus sowie elektronische Geräte, mit dem sich Handygespräche und Internetaktivitäten überwachen lassen.

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