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Einblick ins Grauen. Aktivisten haben diese Bilder ins Internet gestellt. Foto: Reuters

© Reuters

Gewalt Syrien: Angriff im Morgengrauen

Syriens Armee hat die Protesthochburg Hama überrannt. Seit Beginn der Demonstrationen in Syrien wurden bereits mehr als 1700 Menschen getötet.

Vor einigen Wochen haben sich die syrischen Sicherheitskräfte vollständig aus Hama zurückgezogen. Am Sonntag ist die Armee im Morgengrauen in die Protesthochburg einmarschiert. Zuvor hatten Spezialisten die Strom- und Wasserversorgung der Stadt unterbrochen.

Am Montag beginnt in der muslimischen Welt der Ramadan. Syrische Aktivisten hatten für den Fastenmonat tägliche Proteste angekündigt. Jeden Abend nach dem Fastenbrechen versammeln sich die Menschen in den Moscheen, die bisher nur freitags Ausgangspunkte der Demonstrationen waren. Offenbar will das Regime des Präsidenten Baschar al Assad kurz vor Beginn des Heiligen Monats die Bevölkerung mit rücksichtsloser Gewalt einschüchtern, um diese Ausweitung der Proteste zu verhindern.

Nach Augenzeugenberichten sind die Straßen von Hama übersät mit Leichen und Verwundeten. Die Elitesoldaten unter dem Kommando des Präsidentenbruders gehen mit unbeschreiblicher Härte vor, wie erste Amateurvideos belegen. Häuser wurden mit Raketen beschossen, Menschen wahllos unter Feuer genommen, über der Stadt standen dunkle Rauchwolken. Die Bewohner versuchten, sich mit Molotow-Cocktails und Steinen zu wehren. Zahllose Verletzte wurden in die Krankenhäuser eingeliefert, die Ärzte riefen die Menschen zu Blutspenden auf. Eine Aktivistin sagte: „Es regnete Granaten über der Stadt. Die Soldaten schossen auf alles, was sich bewegte. Die Opferzahl steigt von Minute zu Minute.“ Mindestens 60 Menschen starben. Menschenrechtsaktivisten in Hama haben kurze Filme mit Mobiltelefonen aufgenommen und auf Internetseiten gestellt. Nach wie vor wird Journalisten der Zugang zu Syrien vom Regime in Damaskus verwehrt.

In Hama wie auch in Deir ez-Zor hatte es vor zwei Wochen die bisher größten Demonstrationen gegen das Regime von Präsident Baschar al Assad gegeben, an denen insgesamt 1,2 Millionen Menschen teilnahmen.

Ein Reporter der „New York Times“, der sich vergangene Woche von Beirut aus über die grüne Grenze nach Hama durchschlagen konnte, berichtete, die Bewohner betrachteten ihre Stadt als vom Assad-Regime befreit und hätten begonnen, sich selbst zu verwalten. Die Menschen hätten Barrikaden in den Wohnvierteln errichtet, die die Panzer am Sonntag jedoch mühelos nieder rollten. Assads Vater Hafez hatte bereits 1982 in Hama einen Aufstand mit extremer Brutalität niederschlagen lassen. Damals kamen mindestens 20 000 Menschen ums Leben, das größte Massaker eines nahöstlichen Diktators an der eigenen Bevölkerung in der modernen Geschichte.

Die internationale Gemeinschaft reagierte mit scharfer Kritik. Der britische Außenminister William Hague nannte die jüngsten Angriffe auf Zivilisten schockierend. „Präsident Assad irrt, wenn er glaubt, er könne mit Unterdrückung und militärischer Gewalt diese Krise in seinem Land beenden.“ Hague rief das Regime auf, die Angriffe auf das eigene Volk sofort zu beenden. Ein amerikanischer Diplomat in Damaskus sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dies sei ein „Krieg gegen die eigene Bevölkerung“ und nannte das Vorgehen des Regimes „ausweglos“.

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind bei den viermonatigen Unruhen bisher mehr als 1700 Menschen ums Leben gekommen, mehr als 26 000 wurden verhaftet und oft schwer gefoltert. Von diesen sitzen nach wie vor rund 12 000 hinter Gittern. 2900 Menschen gelten seit ihrer Verhaftung als spurlos verschwunden. Nach Angaben des syrischen Regimes kamen im gleichen Zeitraum auch mehr als 500 Soldaten ums Leben. mit dpa

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