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Politik: Ghanas Probe aufs Exempel

Die Reaktion des Wahlverlierers wird zeigen, ob Afrikas Musterstaat seinen guten Ruf verdient

Im westafrikanischen Ghana zeichnet sich der zweite demokratische Machtwechsel seit Einführung des Mehrparteiensystems im Jahr 1992 ab. Inmitten zunehmender Spannungen mehrten sich am Dienstag die Anzeichen, dass Oppositionskandidat John Atta-Mills den Regierungskandidaten Nana Afuko Addo bei der Stichwahl um das Präsidentenamt knapp geschlagen hat. Während Atta-Mills nach inoffiziellen Ergebnissen auf 50,5 Prozent der Stimmen kommt, soll Afuko Addo 49,5 Prozent erhalten haben. Bei der ersten Runde am 7. Dezember hatte der Regierungskandidat Afuko Addo noch gut einen Prozentpunkt vor Atta Mills gelegen, allerdings die nötige absolute Mehrheit von 50 Prozent knapp verfehlt.

Während die private Radiostation Joy FM bereits am Dienstagmorgen von einem nicht mehr aufholbaren Vorsprung der Opposition sprach, meldete die Ghana Broadcasting Corporation am Mittag plötzlich eine hauchdünne Führung des Regierungskandidaten Afuko Addo. Die plötzliche Wende und die gegenseitigen Betrugsvorwürfe haben Befürchtungen vor gewalttätigen Ausschreitungen zwischen den Kontrahenten geschürt. Unabhängige Wahlbeobachter wiesen darauf hin, dass bei einem derart knappen Resultat schon vergleichsweise kleine Betrügereien den Wahlausgang entscheiden könnten – und das Resultat vermutlich von allen Seiten hinterfragt würde.

Ein Abgleiten Ghanas wäre umso verheerender, als das Land, das 1957 als erstes in Schwarzafrika in die Unabhängigkeit entlassen wurde, bislang als Musterstaat gilt und zusammen mit Mosambik und Tansania zu den wenigen politischen Stabilitätsankern auf dem Kontinent zählt. Die Wahl für das höchste Staatsamt gilt deshalb als ein Lackmustest dafür, ob Ghana seiner Vorreiterrolle auch heute noch gerecht wird.

Ghana hat im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten des Schwarzen Kontinents eine lebendige Opposition und eine wache Zivilgesellschaft. „Vielerorts gibt es den Wunsch, sich nicht so destruktiv wie in anderen Staaten Afrikas zu verhalten“, sagt Emmanuel Gyimah-Boadi vom Zentrum für demokratische Entwicklung in der Hauptstadt Accra. Dennoch ist die Stimmung seit dem ersten Wahldurchgang vor drei Wochen äußerst angespannt.

Zwar haben die internationalen Beobachter den Verlauf beider Wahldurchgänge ausdrücklich gelobt, doch wird erst die Zeit nach der Stichwahl zeigen, ob das Land seine Demokratie in den letzten 16 Jahren tatsächlich gefestigt hat. Zu frisch ist die Erinnerung an die Wahl vor einem Jahr in Kenia, die unter ähnlich guten Voraussetzungen stattfand, aber am Ende in blutigen Stammeskämpfen versank.

Nach Ansicht von Beobachtern ist die Angst vor einem zweiten Kenia nicht gänzlich unbegründet. Ein Indiz dafür findet sich in einer Studie des Kofi-Annan-Zentrums, wonach es in Ghana ein „weit verbreitetes Potenzial für politische Gewalt“ gibt. Schlimme Folgen für das Land werden vor allem dann befürchtet, wenn die Kandidaten im Fall einer Wahlniederlage die ethnische oder religiöse Karte spielen sollten. Bedenklich stimmt zudem, dass die Spannungen zwischen der regierenden NPP und der oppositionellen NDC in den vergangenen Monaten zugenommen haben. Vor allem im infrastrukturell vernachlässigten Norden ist es bereits zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen.

Weshalb Ghana im Westen noch immer als Vorzeigemodell dient, ist vielen Beobachtern allerdings ein Rätsel: Denn auch über 50 Jahre nach seiner Unabhängigkeit als erster schwarzafrikanischer Staat exportiert das Land fast nur die Rohstoffe Gold und Kakao. Sein marktwirtschaftlicher Kurs mag Ghana ein bescheidenes Wachstum von zuletzt rund sechs Prozent beschert haben. Doch gemessen am globalen Standard ist das Land mit einem Bruttoinlandsprodukt von knapp 300 Dollar pro Kopf bitterarm. Noch immer finanzieren die Geberländer rund 40 Prozent des Staatshaushalts.

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