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Gipfel Rio + 20: Welche Farbe hat die Welt von morgen?

In Rio de Janeiro beginnt am Mittwoch, unmittelbar nach dem G-20-Treffen in Mexiko, der dritte Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung. Was ist von diesen Verhandlungen zu erwarten?

Nicht nur Angela Merkel hat sich für ihre Absage an die brasilianische Regierung rechtfertigen müssen. Wie die Bundeskanzlerin werden auch der britische Premierminister David Cameron und US- Präsident Barack Obama zu Hause gefragt, warum sie Zeit finden, zum G-20-Gipfel nach Mexiko zu fliegen, aber keine Zeit haben, zum dritten Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung, Rio + 20, vom 20. bis 22. Juni in Rio de Janeiro weiterzureisen. Im Gegensatz zu Merkel, Cameron und Obama hat der neue französische Präsident Francois Hollande erkannt, dass er den Ruhm seines Landes in Rio mehren kann. Er will sich für seine Forderung nach einer globalen Finanztransaktionssteuer in Rio feiern lassen.

Am Samstag hat Brasilien offiziell den Vorsitz für die Konferenz übernommen. Das Verhältnis zwischen Streitpunkten und Konsensformulierungen lag am späten Abend bei 199 zu 109. Da gibt es also noch viel Arbeit, bis am Mittwoch der Gipfel von den rund 100 Staats- und Regierungschefs eröffnet werden wird. Die Umweltstiftung WWF bemängelte in einer ersten Analyse des seit Samstagabend vorliegenden Textes, dass zwar 66 Mal das Wort „fördern“ darin vorkommt, aber nur drei mal „wir werden“. Alles in allem sei das ein schwaches Papier und „kein Handbuch zur Rettung der Welt“.

Vor der heißen Phase der Verhandlungen zeichnen sich vier schwer vereinbare Positionen ab: Da gibt es diejenigen, die mit der Formel „Green Economy“, also eine umweltverträgliche Wirtschaftsweise, die Lösung für unsere globalen Probleme gefunden zu haben glauben. Dazu gehört das UN-Umweltprogramm, dessen Chef Achim Steiner seit einer Woche täglich Studien zu den Potenzialen einer Green Economy vorstellt. Er hat die Weltbank auf seiner Seite und auch große Umweltverbände wie die Internationale Naturschutzunion (IUCN) oder den WWF. Letztere hoffen, den Naturschutz mit der Schaffung von Jobs und Einkommen für arme Bevölkerungsgruppen um Schutzgebiete herum verbinden zu können.

Auf der anderen Seite stehen vor allem die etwas radikaleren Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, die Green Economy als ein „Weiter so“ verstehen, das allenfalls die Grenzen der Belastbarkeit der Erde etwas verschieben kann. Für die linken Regierungen in Lateinamerika ist die Formel nur ein grün angestrichener Kapitalismus. Der Präsident des BUND, Hubert Weiger, sagte dem Tagesspiegel, dass „seit dem Rio-Gipfel 1992 der Markt vor dem Gemeinwohl steht“. Weiter meinte er: „Es wäre schon viel, wenn es gelänge, dass mit dem grünen Wachstum nicht dasselbe Schindluder getrieben würde wie mit der Nachhaltigkeit.“ Die inzwischen gängige Definition, nach der die Umweltbelange, das Soziale und die Wirtschaft in Einklang gebracht werden sollten, habe dazu geführt, „dass die Wirtschaft immer den Vorrang hatte“. Das Thema gehörte zu den meistdiskutierten beim Kongress der Völker, der bis Sonntag im größten Park von Rios Innenstadt tagte.

Dann gibt es die Länder, die den Industriestaaten vorwerfen, ihre Entwicklung und ihr Wachstum mit den Mitteln des Umweltschutzes ausbremsen zu wollen. Dazu gehört unter anderen auch das Gastgeberland Brasilien. Die Gegenposition dazu vertreten vor allem die USA und Kanada, die angefangen haben, die Rio-Prinzipien für eine nachhaltige Entwicklung aus dem Jahr 1992 infrage zu stellen. Der Verhandlungschef der amerikanischen Delegation, Obamas Klimabotschafter Todd Stern, sagte in einer Telefon-Pressekonferenz mit amerikanischen Medien am Samstag über das von den Entwicklungsländern als nicht verhandelbar angesehene Prinzip der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung“: „Der Satz verstanden als Brandmauer zwischen entwickelten und sich entwickelnden Ländern ist für uns vollkommen inakzeptabel.“ Die Vorstellung, dass die Industriestaaten wegen ihres historischen Ressourcenverbrauchs mehr Verantwortung zu übernehmen haben, wird von den USA schon länger nicht mehr geteilt. Nur haben sie bisher nicht versucht, das Prinzip ganz aus den Gipfeldokumenten herauszuverhandeln. Doch in einer dynamischen Welt, meinte Stern, in der „einige der größten Wirtschaften mit dem größten Ressourcenverbrauch auf der Seite der Entwicklungsländer stehen, ergibt das keinen Sinn mehr“. Stern sieht den Rio-Gipfel als „Entwicklungskonferenz“, nicht als „Umweltkonferenz“. Die USA würden daher von Außenministerin Hillary Clinton auf einer Stufe mit vielen anderen Staaten repräsentiert.

Opposition in Deutschland kritisiert Merkels Absage

Im Umweltausschuss des Bundestages ist – vor der Abreise von Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) – die Absage Merkels von der Opposition scharf kritisiert worden. FDP-Entwicklungspolitikerin Christiane Ratjen-Damerau hingegen sagte dem Tagesspiegel, Deutschland werde von Niebel und Altmaier „würdig vertreten“. Zwar wäre es „wünschenswert“ gewesen, dass die Kanzlerin nach Helmut Kohl (CDU) 1992 in Rio und Gerhard Schröder (SPD) 2002 in Johannesburg an diesem Weltgipfel auch teilnehmen würde. Ratjen-Damerau hat aber Verständnis dafür, dass Merkel „im Sinne einer Arbeitsteilung“ am G-20-Gipfel in Mexiko teilnimmt. Das sieht BUND-Chef Weiger weniger großzügig. „Bei allem Respekt für den vollen Terminkalender der Kanzlerin – es wäre ein wichtiges Signal an die Weltgemeinschaft, wenn Angela Merkel nach Rio käme, und zwar gerade weil der Weltklimagipfel in Kopenhagen in ihrer Anwesenheit gescheitert ist.“

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