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Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump beim gemeinsamen Gipfel in Singapur.

© Kevin Lim/The Straits Times via REUTERS

Gipfel von Trump und Kim: Korea-Kenner: "Es ist eine Win-Win-Situation"

Am Dienstag haben sich US-Präsident Trump und Nordkoreas Machthaber Kim erstmals getroffen. Ein Ostasien-Experte erklärt im Interview, was von den Gesprächen zu halten ist.

Das erste Mal reiste Rüdiger Frank 1991 nach Nordkorea, zuletzt war er im Mai 2018 im Land. Der Professor für Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens an der Uni Wien erklärt im Interview wie er die Gespräche und die Vereinbarung zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un einschätzt und welche Wirkung sie haben könnten.

Warum beurteilen Sie das Treffen in Singapur als einen ersten positiven Schritt?

Ganz einfach: Die Probleme, die zu lösen sind, sind riesengroß und sie sind seit vielen, vielen Jahren da. Das erfordert einen unglaublichen aufwändigen Prozess. Wenn Trump versucht hätte, das in einem Gipfel zu lösen, wäre das schon das vorprogrammierte Scheitern gewesen. Die Tatsache, dass er jetzt erstmal Herrn Kim kennengelernt hat, dass sie sich grundsätzlich verständigt haben, mit nichtssagenden Worten auf so etwas wie ein kleines gemeinsames Vielfaches, ist die beste Grundlage, die man für einen produktiven Prozess in der Zukunft haben kann.

Wie könnte dieser produktive Prozess aussehen?

Das werden wir sehen; er wir sicher graduell und langwierig sein. Aber sie haben ihn zumindest nicht ruiniert, in dem sie sich gleich am Anfang unrealistische Ziele setzen.

Rüdiger Frank, Professor für Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens an der Uni Wien.
Rüdiger Frank, Professor für Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens an der Uni Wien.

© Rüdiger Frank

Hat Trump dafür nicht zu viel aufgeben, indem er zum Beispiel Kim mit dem Treffen auf Augenhöhe legitimiert hat?

Das ist doch Blödsinn. Ich halte das für unsäglich, auf den Gedanken zu kommen, dass es schon ein tolles Zugeständnis ist, wenn man mit jemandem redet. Diesen Fehler machen die Amerikaner seit 20 Jahren. Wenn Sie in ihrer Firma einen Mitarbeiter haben, der schwierig ist, dann reden Sie mit dem mehr als mit jenen, die gut kooperieren. Eben weil es ein Problem gibt, das gelöst werden muss. Mit Kim zu reden ist die Grundvoraussetzung für alles andere. Das nennt man Diplomatie.

Hat das Treffen Kim nicht bereits nach innen gestärkt?

Schon. Das stärkt ihn nach innen, das stärkt ihn nach außen. Aber wenn Sie wollen, dass ihnen jemand etwas gibt, dann geben Sie auch etwas. Wenn Sie zu einem Geschäftstreffen gehen, dann nehmen sie vielleicht eine Flasche Wein oder ein kleines Geschenk mit. Bis jetzt ist noch nichts passiert, aber es ist auch noch nichts schief gegangen.

Trump gibt auch die Militärmanöver mit Südkorea auf...

...er hat gesagt, solange die Gespräche stattfinden, lassen wir das mit den Militärmanövern. Das ist okay, die Nordkoreaner haben dafür drei US-Amerikaner freigelassen, sie haben die Atomtestanlage gesprengt, und sie haben angekündigt, dass sie auch eine Raketentestanlage stilllegen wollen. Also, es ist wirklich ein Geben und Nehmen von beiden Seiten.

Die Chinesen denken jetzt schon darüber nach, die Sanktionen zu erleichtern.

Sie waren von vornherein keine Fans davon, weil sie nicht an einer Destabilisierung interessiert sind. Aber sie mussten mit dem Westen mitziehen, weil die Nordkoreaner ihnen keine andere Möglichkeit gelassen hatten. Und jetzt sind sie sehr froh, dass sich die Gelegenheit bietet, wieder zur Kooperation zurückzukehren. Außerdem versucht China ein aktiver Player in der ganzen Geschichte zu bleiben. Für sie ist das von unmittelbarem Sicherheitsinteresse, Korea ist ein Nachbarstaat – wie Kuba für die USA.

Keine Militärmanöver, Aufhebung der Sanktionen für China, Stärkung nach innen und außen für Kim - hat nicht doch nur einer gewonnen?

Für mich ist es eine Win-Win-Situation. Wir müssten, um fair zu sein, die ganzen Dinge hinzufügen, die vorher schon stattgefunden haben. Da haben auch die Nordkoreaner etwas aufgegeben. Man darf nicht vergessen, dass es letztlich auch für Kim ein Risiko ist, nachdem die Amerikaner so lange zum Feind aufgebaut worden sind, sich jetzt mit Trump zusammen vor den eigenen Leuten mit einem Handshake zu zeigen. Die Freilassung der drei Amerikaner, die Sprengung der Atomtestanlage, und übrigens auch das unspezifische, aber deutliche Commitment zur Denuklearisierung, das Kim wiederholt hat - das ist durchaus auf Trumps Habenseite da.

Am Ende des Tages sind es bis jetzt nur Dinge, die schön klingen und wieder zurückgenommen werden können. Aber auch die Militärmanöver kann man sofort wieder beginnen, Sanktionen sind auch noch keine aufgehoben worden. Im Augenblick befinden wir uns noch in der Vorbereitungsphase. Wirklich Substanzielles ist noch nicht passiert, und zwar von beiden Seiten nicht.

Sind die fortschrittlichen Bilder aus Singapur für Kim nicht gefährlich?

Wenn Sie sich in Pjöngjang bei Nacht die Future-Scientist-Straße ansehen, dann sieht das durchaus ähnlich aus. Es gibt auch einen Spruch von Kim Jong Il, der sagt: Die Füße fest auf dem Boden, lasst uns die Augen der Welt zuwenden. Die Nordkoreaner haben schon immer die Strategie verfolgt zu sagen, es ist okay, nach außen zu schauen und von andern zu lernen. So lange wir das im patriotischen Sinne zu Hause umsetzen.

Die Bilder, die wir jetzt aus Singapur gesehen haben, kennen die Nordkoreaner schon lange aus Schanghai, Peking und Shenyang. Ich sehe das nicht als Risiko, sondern eher als eine Art Bestätigung für den Führer: Dass er so ein weltmännischer Staatsmann ist. Und als Motivation für die eigenen Leute: Schaut her, so sieht unsere Zukunft aus, wenn die Dinge so weiterlaufen.

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