zum Hauptinhalt

Gipfeltreffen: G 8 und G 20: Ziemlich global

Von Freitag bis Sonntag tagen die Staats- und Regierungschefs der G 8 und G 20 bei Toronto. Was ist von den Konferenzen zu erwarten?

Das Wesen von Gipfeltreffen ist, dass die größten Konflikte rechtzeitig vor Beginn abgeräumt werden. Denn am Verhandlungsort bleibt wenig Zeit für ergebnisoffene Debatten. So mühen sich die sogenannten Sherpas – der Begriff kommt von den Lastenträgern im Himalaya – in monatelangen Verhandlungen, den kleinsten gemeinsamen Nenner in einem Abschlussdokument zu formulieren. Wenn das nicht reicht, müssen die Chefs ran. US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben gut eine Viertelstunde lang miteinander telefoniert, um den Grundsatzstreit zu entschärfen, ob Wachstum oder Haushaltskonsolidierung derzeit wichtiger sind. „Sehr gut“ sei die Atmosphäre gewesen, heißt es auf deutscher Seite, und Obama lässt nach dem Gespräch „sein exzellentes Verhältnis“ zur Kanzlerin rühmen. „Wir können unsere Politik gut begründen und haben dafür weitestgehende Unterstützung“, sagt die deutsche Seite. Deutschland habe beim Schuldenabbau auch eine Vorbildfunktion. „Wenn wir den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht ernst nehmen, tut es in der Euro-Zone niemand mehr.“

Was sind die wichtigsten Themen?

Wachstum und Finanzmarktregulierung – das seien die beiden Hauptsäulen des Treffens in Toronto, auch wenn es viele Nebensäulen gebe, heißt es in der deutschen Delegation. Beim Wachstum unterstreicht die Bundesregierung, dass ihre Konjunkturhilfen sich im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen könnten. Im laufenden Jahr wende Deutschland 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf und liege damit über dem Durchschnitt der G-20-Staaten von 1,9 Prozent. Insbesondere im europäischen Vergleich schneide man sehr gut ab. Ohnehin sei allen – auch den Amerikanern – immer klar gewesen, dass die Wachstumspakete bei sich verbessernder Konjunktur zurückgefahren werden müssten, und das sei jetzt absehbar der Fall. „Von daher ist der Gegensatz nicht so ausgeprägt, wie es scheint“, sagt ein Delegationsmitglied. Drei Kriterien wollen die G 20 beim Wachstum künftig gemeinsam erreichen: Regional ausgewogen, nachhaltig und stark soll es sein. Eine mangelnde Balance der Handelsbilanzen hatte Obama zwar in einem offenen Brief angesprochen und damit auf China, Deutschland und Japan gezielt. Doch da die Europäische Union (EU) insgesamt keine Exportüberschüsse erzielt, steht Deutschland offenbar nicht mehr direkt in der Kritik.

Wo gibt es noch Streit?

Dass ein Streit offen zutage tritt, ist nicht zu erwarten – das liegt, siehe oben, nicht im Wesen solcher Gipfeltreffen. Allerdings gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die Finanzbranche an den Kosten der Krise beteiligt werden soll. Das Bundeskabinett hat bereits eine Bankenabgabe grundsätzlich beschlossen, die ab 2012 jährlich zwei Milliarden Euro für einen Restrukturierungsfonds bringen soll. Auch die EU hat sich für dieses Instrument ausgesprochen, und Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy haben in einem Brief an die kanadische G-20-Präsidentschaft nochmals dafür geworben. Selbst die USA sind überzeugt – aber Kanada, Australien und einige Schwellenländer, die von der Finanzkrise wenig gemerkt haben, sind dagegen. Die europäische Forderung nach einer Finanzmarktsteuer hat noch weniger Befürworter. Beide Instrumente könnte die EU im Alleingang angehen.

Wird das Treffen ein Erfolg?

Natürlich – das liegt in der Natur der Sache. Das Gipfeltreffen wird am Sonntag in den versöhnlichsten Tönen und bester Stimmung zu Ende gehen. Alle Beteiligten wissen schon jetzt, wo sie nicht gewinnen können. Die Deutschen werden ohne Bankenabgabe oder Finanzmarktsteuer heimkehren, aber mit der Versicherung, dass auch ihr Sparkurs von den gemeinsamen Zielen der G 20 gedeckt ist.

Welche Rolle spielt Chinas Währung?

Auch den Chinesen ist es gelungen, den größten Streitpunkt vorab auszuräumen, indem sie den Wechselkurs ihrer Währung seit Wochenbeginn etwas flexibler handhaben. Die USA – und auch Deutschland – wollen, dass der Yuan steigt, damit chinesische Produkte auf den Weltmärkten nicht so konkurrenzlos billig sind. Allerdings hat Peking die neue Linie am Dienstag schon wieder etwas zurückgenommen und mit Dollar-Käufen den Höhenflug des Yuan gestoppt. Die Währung büßte am Dienstag die Hälfte der Kursgewinne vom Montag wieder ein. Man gehe „schrittweise und kontrolliert“ vor, kündigte das Außenministerium an.

Was erwartet die Finanzmärkte konkret?

Auf den bisher drei G-20-Gipfeln seien 95 Beschlüsse gefasst worden, davon 50 in Sachen Finanzmarkt, rechnet die deutsche Seite vor und sucht damit die Kritik zu entkräften, dass seit der Pleite der US-Bank Lehman Brothers 2008 nichts passiert sei. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass in den meisten entscheidenden Fragen noch keine Beschlüsse umgesetzt wurden. So sollen die Banken ihr Eigenkapital erhöhen, um Krisen besser abzufedern. Die neuen Regeln sollen bis Ende 2010 stehen und bis Ende 2012 – mit Übergangsregelungen – umgesetzt werden. Dies entspreche dem Zeitplan und der Maßgabe, die Banken nicht während der Krise mit neuen Anforderungen zu überlasten. Für den Umgang mit systemrelevanten großen Banken („Too big to fail“) sei ein Ansatz mit mehreren Komponenten entwickelt worden, heißt es in Berlin. Solche Institute müssten bei einer drohenden Pleite umgebaut und abgewickelt werden können. Hier gebe es „einen deutlichen Schritt nach vorne“. Dabei soll es eine einheitliche Grundlage geben, die mit national unterschiedlichen Instrumenten ergänzt werden könne. „Alles, was die Banken mit anderen vernetzt, muss im Notfall schnell zu kappen sein.“ Dagegen ist die Harmonisierung von Bilanzierungsregeln ins Stocken geraten. Eigentlich sollte bis Mitte nächsten Jahres ein globaler Standard vorgelegt werden.

Was unterscheidet G 8 und G 20?

Die Staats- und Regierungschefs der G 8 kamen bisher einmal im Jahr zusammen, früher war häufig von einem Weltwirtschaftsgipfel die Rede. Dieser Fokus verschiebt sich gerade, weil die G 20 diese Rolle übernehmen. Nach dem Beinahezusammenbruch der Finanzmärkte im Herbst 2008 trafen sich die Staats- und Regierungschefs erstmals in dem größeren Format, das zuvor den Finanzministern vorbehalten war und das die größten Schwellenländer einschließt. In den bislang drei Gipfeltreffen seitdem – Washington, London, Pittsburgh – ging es vor allem um schärfere Regeln für die Finanzmärkte. Neben 19 Ländern gehört als 20. Mitglied die EU samt Europäischer Zentralbank (EZB) dazu. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank sind mit ihren Chefs vertreten, wenn auch nicht als förmliche Mitglieder. Hinzu kommen diesmal fünf Staats- und Regierungschefs als Gäste, nämlich die von Spanien und den Niederlanden sowie Vietnam, Malawi und Äthiopien, die als Vertreter des Verbandes Südostasiatischer Nationen (Asean), der Afrikanischen Union (AU) und der Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (Nepad) teilnehmen. In sogenannten Outreach-Treffen sind weitere afrikanische und südamerikanische Staaten vertreten.

Wie handlungsfähig sind die G 20?

Das muss sich in diesem Jahr zeigen. Toronto wird als Zwischenetappe zu Seoul beschrieben, dem Ort des nächsten G-20-Gipfels im November. Auf deutscher Seite heißt es, man habe sich immer für das größere Format eingesetzt und auf dem Heiligendamm-Gipfel im Jahr 2007 die Öffnung für Schwellenländer vorangetrieben. Ganz richtig ist das nicht: Der Heiligendamm-Prozess war ausdrücklich als Alternative zur Aufnahme neuer Mitglieder gedacht. Dass die G 20 in der Krise das sinnvollere Format sind, wird heute allgemein akzeptiert – aber wie es in ruhigeren Zeiten aussieht, ist offen. „Die Interessen sind viel heterogener, und es ist schwieriger, einen Konsens herzustellen“, sagt ein Beamter.

Was wird aus den G 8?

Von einem Jahr des Übergangs wird gesprochen, weil erstmals G 8 und G 20 direkt hintereinander tagen und die Themen noch nicht sauber abgegrenzt sind. Künftig sollen die G 8 sich vor allem außen- und sicherheitspolitischen Fragen widmen. Vor allem aber erhoffen sich viele eine Rückkehr zur freieren Atmosphäre der frühen Jahre, als die Staats- und Regierungschefs ohne penible Vorbereitung durch Sherpas und Ministerien offen miteinander sprachen. „Sich den Dingen ohne Entscheidungsdruck in Ruhe und in der notwendigen Tiefe widmen“, formuliert ein Beamter das Ideal. Genau so, als zwangloses Kamingespräch von sechs Staatenlenkern auf Schloss Rambouillet in Frankreich, hatte das Format 1975 begonnen. Die Idee stammte von Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und Frankreichs Präsident Valéry Giscard d’Estaing.

Zur Startseite