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Welchen Strom wollen wir? Darum geht es am Dienstag in Berlin.

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Gipfeltreffen zur Energiewende: Bund und Länder müssen sich zusammenraufen

Am Dienstag empfangen Angela Merkel und Sigmar Gabriel die Länderchefs. Es geht um die Neuausrichtung der Energiewende zwischen wachsenden Stromkosten und regionalen Interessen. Ein Überblick.

Kein Thema bewegt das politische Führungspersonal derzeit so wie die Energiewende, genauer gesagt: die Wende der Wende. Denn steigende Stromkosten bei den Verbrauchern plagt, der Subventionsstreit um die Ausnahmen bei der EEG-Umlage, eine etwas aus dem Ruder gelaufene Förderung von Ökostrom haben sich zu einem dicken Problembündel geballt.  Am Dienstagabend kommen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin mit den Ministerpräsidenten der Länder zusammen, Man will die unterschiedlichen Interessen einigermaßen zusammenzuführen. Schon am Samstag hatte sich Merkel dazu mit „ihren“ Länderchefs und Fraktionschef Volker Kauder zu verständigen versucht. Zumindest die Unionsseite soll einigermaßen geschlossen in das Gespräch gehen.

 Keine einfache Lösung

Doch einfach wird eine Lösung nicht werden. Das merkten die Länderchefs, als sie sich vor gut zwei Wochen in Berlin versammelten. Bei dem Treffen sollte es auch um die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gehen. Aber dann verloren sich die Ministerpräsidenten in Debatten über andere Themen, Rundfunkgebühr und Sommerferienzeiten etwa. Auch weil die EEG-Problematik so vertrackt ist. Eine Annäherung der Länderpositionen gelang nicht. Zu sehr laufen die Interessen auseinander.

Kein leichter Termin: Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel.
Kein leichter Termin: Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel.

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 Süddeutsche Interessen

Das hängt nicht nur mit den Farben der jeweiligen Landeskoalition zusammen. „Selbst die Grünen sind sich da nicht grün“, hat man in der Union beobachtet. Das hängt auch mit dem Grad an Pragmatismus der jeweiligen Verantwortlichen zusammen – in immerhin sieben Ländern leiten Grünen-Politiker mittlerweile die Umweltressorts. Am Freitag hatten die Ländergrünen versicht, zu einer gemeinsamen Position zu kommen. Der Grund für die Differenzen liegen freilich weniger in der Parteipolitik, sondern in den Unterschieden der Wirtschaftsstruktur der Länder, ihrer bisherigen Energieversorgung und ihrer Planungen für die Zukunft. Bayern und Baden-Württemberg müssen einen hohen Anteil an Atomkraft ersetzen und wollen natürlich Ökostrom im eigenen Land erzeugen. Der Stuttgarter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will daher deutlich mehr Windstromanlagen installieren – doch die Bundesregierung hat vor, die Vergütung für Windstrom zu kürzen und den Zuwachs an Neubauten zu reduzieren. Horst Seehofer in München dagegen denkt weniger an Windkraft, sondern möchte Strom aus Biogasanlagen fördern. Zumal der auch eher grundlastfähig ist, also da ist, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Doch auch hier will die Bundesregierung restriktiver sein.

Umstritten ist nicht zuletzt, ob Unternehmen, die ihren Strom selbst erzeugen, entlastet werden. Bisher zahlen sie keine EEG-Umlage, künftig will die Bundesregierung solche Unternehmen aber belasten – um dadurch die Stromkosten insgesamt deckeln zu können. Doch die Begeisterung dafür hält sich in den Ländern in Grenzen, vor allem in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz (dort ist der Chemie-Konzern BASF ein Selbstversorger, der jedoch auch Strom ins allgemeine Netz einspeist und damit verdient).

Auch der Ausbau der Stromtrassen ist ein Thema am Dienstag. Seehofer hat deswegen Probleme im Land, vor allem in Franken – und sich die verbreiteten Bedenken im Kommunalwahlkampf im März zu eigen gemacht. Nun will er einen Baustopp, um erst einmal zu klären, was den wirklich an neuen Leitungen nötig ist. Das wiederum hängt davon ab, wie stark bayerischer Eigenstrom ausgebaut werden kann – je nachdem wächst oder fällt die Abhängigkeit von Windstrom aus dem Norden. Seehofer hat seine Thüringer Kollegin Christine Lieberknecht (CDU) bewegen können, sich ihm anzuschließen.

Norddeutsche Forderungen

Dort haben Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gemeinsame Interessen. In diesen Ländern drehen sich immer mehr Rotoren, immer größer, immer ökonomischer. Der Norden sieht ein zukunftsträchtiges Geschäftsfeld im Export von Windstrom. Jede Begrenzung ist daher eine Einbuße. Entsprechend deutlich ist die Kritik an der Bundesregierung. Der Kieler Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) wettert seit Wochen gegen Kürzungen vor allem beim Windstrom auf Land. Die Verantwortlichen in Berlin setzen dagegen eher auf Offshore-Anlagen, also solche im Meer. Doch die sind teuer. Auch Erwin Sellering, der sozialdemokratische Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, will geringere Strompreise nicht über eine Reduzierung des Ökostromausbaus finanzieren. Er setzt darauf, dass die Ausnahmegenehmigungen für die Industrie, die EEG-Umlage nicht zahlen zu müssen, weitgehend wegfallen. Nur noch Unternehmen, die eindeutig im internationalen Wettbewerb stehen, sollten privilegiert werden. Doch da sind die Industrieländer, vor allem Nordrhein-Westfalen, nicht mit im Boot. Es kommt dazu, dass Kohlestromländer wie NRW und Sachsen natürlich in der Frage des künftigen gesamtdeutschen Energiemixes ihre Vorteile suchen. 

Niedrigere Stromsteuer als Ausweg? 

Der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (SPD) versuchte sich angesichts der Interessenblockade am Sonntag mit einem „Tabubruch“ zu profilieren. Er schlug vor, die Stromsteuer zu senken. Diese mache einen großen Teil des Strompreises aus. Die Hälfte der Stromkosten gehe bereits auf das Konto staatlicher Abgaben. „Wenn die Preise zu sehr steigen, müssen die Abgaben gesenkt werden“, forderte Weil. Insgesamt bringt die Steuer etwa sieben Milliarden Euro ein. Das Problem ist nur: Den Ländern entgingen bei einer Senkung keine Einnahmen, wohl aber dem Bund - denn die Stromsteuer ist eine reine Bundessteuer.

Verbraucherschützer warnen vor weiter steigenden Stromkosten für die Kunden. „Die Ökostromumlage von derzeit 6,24 Cent könnte in den kommenden fünf Jahren auf 7,5 bis acht Cent steigen“, sagte Holger Krawinkel, Energieexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, dem Tagesspiegel. Die Bemühungen der Bundesregierung, mit einer Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die Belastung der Stromkunden zu senken, seien „verfehlt“, kritisierte der Verbraucherschützer. „Statt den Strom billiger zu machen, wird er teurer“. Dagegen werde die Industrie weiter geschont. Das gelte sowohl für die Rabatte bei der Ökostromumlage als auch für die Eigenstromerzeugung der großen Industrieunternehmen. „Auch hier werden nur die  kleinen Gewerbetreibenden und Privatleute belastet“, kritisierte Krawinkel.

(mit dpa)

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