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Politik: Glatt gebügelt

Von Tissy Bruns

Angela Merkel lernt aus Fehlern. In Dresden hat sie gezeigt, dass sie einen, den sie einmal gemacht hat, nicht wiederholen wird. Diese CDU-Vorsitzende denkt nicht daran, ihre Partei zu überfordern. Die Delegierten haben es mit einem glänzenden Wahlergebnis quittiert – und ihrerseits zu erkennen gegeben, dass die CDU eine recht genügsame Partei ist, wenn nur die Sache mit dem Regieren stimmt.

Merkel hat zum ersten Mal als Bundeskanzlerin vor einem Parteitag gestanden. Dass die CDU gewissermaßen die geborene Regierungspartei in Deutschland ist, dieses Selbstverständnis hat Merkel gestern nicht nur angesprochen, sie hat es aufgerichtet. Und es war geschickt, dass sie die starke Stellung in den Ländern und die Riege der Ministerpräsidenten heftiger mit Lob bedachte als die Kanzlerschaft, die sie selbst der CDU zurückgebracht hat. Mit herzlicher Geduld und Gleichgütigkeit haben die Delegierten dafür den Teil der Merkel-Rede ertragen, der den Visionen der Kanzlerin der kleinen Schritte gewidmet war. Über die neue oder internationale soziale Marktwirtschaft hört sich die CDU die Vorträge ihrer Vorsitzenden an – glauben kann sie daran nicht. Warum sollte sie auch, solange die Chefin über eine globale Zukunft bloß dozieren, nicht aber mit ihrer Partei sprechen kann?

Aber die Union weiß eben auch, dass sie zum Regieren mehr als Ministerpräsidenten oder eine Kanzlerin braucht. Drei Bundestagswahlen unter der 40-Prozent-Marke haben die Volkspartei CDU vor schwere Fragen gestellt. Gerade die Wahl 2005, die in eine Koalition mit der konkurrierenden Volkspartei SPD geführt hat, verbreitet immer noch schmerzliches Unbehagen. War es Leipzig, war es die Kühle dieses Reformkurses, der in die 35-Prozent-Misere geführt hat?

Im Vorfeld dieses Parteitags gab es darum ein seltsames Phänomen. Jürgen Rüttgers hat der CDU eine Debatte aufgezwungen, die nach der letzten Bundestagswahl fällig geworden ist. Diesen nordrhein-westfälischen Ruf nach dem Sozialen in der CDU hat die CDU-Spitze mit den Mitteln der taktischen Umarmung klein gehalten, um zu vermeiden, wozu die Rüttgers-Initiative eigentlich aufgerufen hat: Eine Richtungsdiskussion, eine Diskussion darüber, ob der entschiedene Reformkurs des Leipziger Parteitags noch gilt, den Merkel der CDU damals abverlangt hat. In Dresden hat allen voran Merkel mit ihrer Rede dem Antrag ihres Stellvertreters Rüttgers die Spitze genommen. Flügel geben Auftrieb, sagt die CDU-Vorsitzende, Wirtschaft und Soziales seien in der CDU nie Gegensätze gewesen.

Die Erfahrung des letzten Wahlkampfes ist aber, dass auch die Anhänger der CDU an diese Harmonie nicht mehr glauben. Die Anhänger beider Volksparteien sehen ihre persönlichen Perspektiven keineswegs mehr verlässlich verknüpft mit dem Wohlergehen der Wirtschaft. Keiner spürt das so deutlich wie Rüttgers, der bei der nächsten Wahl aus enttäuschten SPD-Anhängern überzeugte CDU- Wähler machen muss, wenn er Ministerpräsident bleiben will. Keine darf das so wenig aussprechen wie Angela Merkel in der Doppelrolle der Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden, denn sie kann noch keine Therapie vorschlagen.

Die Delegierten in Dresden haben deshalb das Spiel mitgespielt, in ihren Parteitagsbeschlüssen die Wirklichkeit glatter zu bügeln als sie ist. Geknirscht und geächzt hat der Parteitag trotzdem. Die These mancher Rüttgers-Anhänger, dass in Dresden gewissermaßen die soziale Ergänzung zum Leipziger Wirtschaftskurs beschlossen werde, war vielen denn doch zu keck: Für das indirekte Eingeständnis, dass der Kurs von Leipzig doch ein soziales Defizit hat, war es in Dresden zu früh. An Merkels Stellvertreter wurden die Quittungen verteilt. Am deutlichsten gegen Rüttgers, der sich nun als Robin Hood der CDU fühlen kann.

Ein Linksruck war Dresden so wenig wie der Nachweis, dass die CDU die erfolgreiche Volkspartei der Mitte bleibt. Sie hat ein bisschen Soziales dazuaddiert – um behaupten zu können, dass Merkels Leipziger Reformkurs noch gilt, von dem alle Delegierten wissen, dass die Bundestagswahl 2005 ihn praktisch überholt hat.

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