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Politik: Gleich, gleicher, Gleichheitsgesetz

Das CDU-Präsidium ist unglücklich über das Regelwerk – aber akzeptiert es wegen des Koalitionsfriedens

Von Robert Birnbaum

Berlin – Vorher waren etliche sehr aufgeregt. Hinterher waren etliche kleinlauter. Die Welt werde nicht untergehen von diesem Kompromiss beim Antidiskriminierungsgesetz (ADG), gab Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt nach der Sitzung des CDU-Präsidiums zu Protokoll. „In einer großen Koalition muss man ganz offensichtlich große Kröten schlucken“, sekundierte der niedersächsische Kollege Christian Wulff.

Was freilich nicht heißt, dass der Streit erledigt ist, den etliche CDU-Ministerpräsidenten am Wochenende angefacht hatten, nachdem ihnen aufgefallen war, dass der eine Woche alte Koalitionskompromiss zum ADG alles andere war als die lange beschworene Eins-zu-eins-Umsetzung europäischer Richtlinien. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wählte jedenfalls nicht ohne Grund eine der schwächsten Formulierungen auf der Skala der politischen Beschlüsse: Das CDU-Präsidium habe „akzeptiert“, dass das Kabinett demnächst den Gesetzentwurf ins Parlament einbringen werde. Der ist mittlerweile übrigens in „Gesetz zur Allgemeinen Gleichbehandlung“ umgetauft. Was den Ärger führender Christdemokraten nicht mindert. Nicht nur, dass der Koalitionskompromiss eine Reihe von Merkmalen für Diskriminierung enthält, die über die Europa-Vorgaben hinausgehen – Alter, Behinderung, sexuelle Identität und Religion. Er sieht auch eine Art Verbandsklagerecht für Gewerkschaften und Betriebsräte vor.

In der Sitzung freilich konnten die CDU-Chefin, Kanzlerin Angela Merkel, und ihr General Pofalla darlegen, dass der Bruch mit dem Grundsatz „eins zu eins“ keineswegs nur von den Sozialdemokraten ausging. Pofalla wies vor allem darauf hin, dass die von der CDU gewünschte „Kirchenklausel“ ebenfalls über das EU-Recht hinausgeht. Die Klausel erlaubt es den Kirchen, Arbeitnehmer nach Konfession einzustellen.

„Alles hundert Prozent christdemokratisch“, spottete hinterher grimmig ein Präsidiumsmitglied. So weit ging nicht einmal Pofalla. „Grundsätzlich war das Präsidium der Auffassung, dass es einzelne Teile gibt, die uns schwer fallen“, fasste er die mürrische Diskussion der vorangegangenen zweieinhalb Stunden im Adenauer-Haus zusammen.

Dass es beim Murren blieb, mag auch damit zusammenhängen, dass die Ministerpräsidenten den Kompromiss nicht blockieren können. Wulff kündigte zwar später an, der Bundesrat werde versuchen, wenigstens das Klagerecht von Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern abzuwenden. Aber das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig. Die satte Koalitionsmehrheit im Bundestag kann jeden Ländereinwand überstimmen. So bleibt den Kritikern nur die Hoffnung, dass der Bundestag in den Ausschüssen Korrekturen anbringt. Und Wulffs abstrakte Warnung, dass die CDU darauf achten müsse, sich an großen Kröten nicht zu verschlucken.

Nur einer war an diesem Tag des Lobes voll. Als „tragfähigen Kompromiss“ pries Edmund Stoiber die Einigung der großen Koalition. Aber das ist einfach zu erklären. Stoiber hat von der Einigung direkt profitiert: Für eben die Verbesserungen zugunsten der Landwirte, die die CSU vor einer Woche aus der Koalitionsrunde als Trophäe mitgenommen hatte, hatte Merkel der SPD das letzte Zugeständnis in Sachen Antidiskriminierung eingeräumt.

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