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Außenminister Heiko Maas (SPD) beim "Global Solutions Summit" im Mai 2018.

© Sina Schuldt/dpa

Global Solutions: Rückzug ist nicht die richtige Antwort

Wie umgehen mit dem Druck der Trumps, Putins, Xis dieser Welt? Antworten liefern soll eine zweitägige Konferenz, die am Montag in Berlin beginnt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wir kennen die Münchner Sicherheitskonferenz, das Davoser Weltwirtschaftsforum – und nun lernt die Welt den „Global Solutions Summit“ kennen. Von Mal zu Mal, von Jahr zu Jahr wird deutlicher, welche Dringlichkeit der Versuch hat, auf Expertenbasis, unterstützt von jungen Menschen aus mehr als 100 Ländern, Empfehlungen für eine bessere Welt zu erarbeiten. Der Anspruch ist zu groß? Nein, die Probleme sind groß, und entsprechend muss der Mut sein, die Herausforderung anzunehmen. Immerhin haben die G20, die großen 20 Nationen dieser Erde, ja auch keine Wahl. Sie dabei allein zu lassen hieße, den Auftrag zu missachten, den eine Demokratie dem Souverän, jedem Einzelnen, zumisst und zutraut. Der bedeutet, die Geschicke der Welt nur zu delegieren, nicht, sie zu negieren.

Zur Einsicht verhilft nur der Blick von vielen

Dazu braucht es – und dazu dient der vom Tagesspiegel unterstützte Summit – Vernetzung. Sie fußt auf multilateraler Koordination und Kooperation. 200 Referenten für 1600 Teilnehmer legen Zeugnis davon ab. Die Weltordnung gerät in Unordnung, wenn jeder in jedem Staat nur noch Eigeninteressen sieht. Von wegen „my country first“. Damit aber die Sehenden nicht vor Herausforderungen und Komplexitäten blind werden, braucht es Informationen, und zwar solche in zahlreichen Zusammenhängen. G20 ist einer. Unilateral, allein, kommt da keiner weiter. Zur Einsicht in die Folgen verhilft nur der Blick von vielen.

Es geht um Prinzipien

Der in der Welt zu beobachtende Wunsch, Regelungen und Entscheidungen zu renationalisieren, umfasst etliche Länder, nicht nur Russland, nicht nur die USA oder Ungarn. Wieder ist deshalb von einer Krise die Rede. Das kann wohl sein. Doch die richtige Antwort darauf ist nicht der Rückzug. Das wäre biedermeierlich, und das Biedermeier ist Geschichte.

Multilateralismus zählt, wusste der frühere Vize-Generalsekretär der UN und Harvard-Professor John Ruggie schon 1993 – und das ist heute moderner denn je. „Die institutionalisierte Form der Koordination der Beziehungen zwischen drei oder mehr Staaten auf Basis generalisierter Verhaltensprinzipien“ als Formel klingt abschreckend abstrakt, ist aber praktisch und praktikabel. Es geht um Prinzipien, die jeder verstehen kann.

Darin liegt, im Übrigen, auch der Wert einer Gemeinschaft wie der Europäischen Union. Manches erfordert ganz schlicht wegen der Überforderung vergleichsweise kleinerer Nationalstaaten eine gemeinschaftliche Antwort, die in jeder Form von Wettbewerb, ökonomisch, politisch, so viel mehr erreicht. China, Indien, die USA sind in dem Sinn eine fortwährende Mahnung, den Wert der EU nicht ständig selbst verringern zu wollen. Bei allem Verständnis für situative Einzelinteressen: Sicherheit, Nachhaltigkeit, ein lebenswertes Klima, sozial abgesicherte Arbeit, das Nutzen von Chancen der Digitalisierung ist gemeinschaftlich einfacher zu erreichen. Bilaterale Allianzen können auch schnell zur politischen Vereinsamung führen. Oder in die Isolation.

Der Aufbruch muss aufeinander zu führen

Die Idee einer „Allianz der Multilateralisten“ von Außenminister Heiko Maas ist darum auch so als kollektive Antwort geeignet. Er kann sich auf die Charta der Vereinten Nationen berufen, als Europäer auch auf die EU. Die will immerhin eine „Weltordnung auf der Grundlage eines wirksamen Multilateralismus“. Von einem Paradigmenwechsel oder Gezeitenwechsel zu reden, der einer Allianz der Multilateralisten entgegenstehe, trifft es nicht. Hier geht es um einen Seitenwechsel: auf die Seite derer, die sich aus logischen Grunden nicht auseinanderdividieren lassen. Der Druck der Trumps, Putins, Xis dieser Welt muss gerade umgekehrt zum Aufbruch aufeinander zu führen.

Das kann gelingen, mit jedem Global Solutions Summit besser. Alle Fragen, die in Berlin verhandelt werden, brauchen Antworten, zwangsläufig. Denn sie stellen sich, und wer sich ihnen nicht stellt, verliert gestalterischen Zugriff auf die Zukunft. Eine echte Alternative dazu gibt es aber nicht. Frei nach Einstein: Die Zukunft muss uns alle gemeinsam interessieren, denn in ihr gedenken wir zu leben. Und zu überleben.

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