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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Montag beim Gedenken an den Anschlag auf das Bataclan 2015.

© imago/PanoramiC

Global Terrorism Index: Weniger Tote durch islamistischen Extremismus

Trotz mehr Anschlägen in Europa nimmt der Terrorismus weltweit ab. Experten sprechen von einem Wendepunkt.

Die Zahl der Todesopfer durch Terroranschläge ist 2016 weltweit laut einer Untersuchung im zweiten Jahr in Folge zurückgegangen. Zugleich hätten Extremisten aber ihre geografische Reichweite deutlich ausgedehnt, heißt es in dem Global Terrorism Index (GTI), den das australische Institute for Economics and Peace (IEP) am Mittwoch in London vorstellte.

Die Anzahl der Länder, in denen Terroranschläge verübt werden, ist von 65 Ländern im Jahr 2015 auf 77 Länder im Jahr 2016 gestiegen. Das heißt, dass der Terror mehr Länder als jemals zuvor seit dem Beginn der Aufzeichnungen der Global Terrorism Database vor 17 Jahren erreicht hat. Die Autoren des Index nennen diese Entwicklung „beunruhigend“. Zudem lag die Zahl der Anschlagsopfer in den vornehmlich westlichen Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf dem höchsten Stand seit 2001.

Die Anschlagsziele sind vermehrt Zivilpersonen und weniger Institutionen, da die Täter sich zunehmend unkonventioneller und ohne großen Aufwand erreichbarer Mittel bedienen, mit denen Anschläge weniger aufwendig und mit weniger Zeit planbar und durchführbar sind. Die Zahlen sprechen für sich: Wurden im Jahr 2002 noch 129 Anschläge mit 14 Todesopfern registriert, waren es vergangenes Jahr 826 Tote durch 630 Anschläge.

Terrorismus ungleich verteilt

Das haben wir auch in Europa in den vergangen Jahren deutlich zu spüren bekommen. In Europa mag es widersprüchlich klingen, wenn die intensiver wahrgenommene Bedrohung durch Terroranschläge hier in der weltweiten Statistik nicht abgebildet wird (siehe Grafik). Denn der Terrorismus ist sehr ungleich verteilt: 94 Prozent aller Terroranschläge werden im Nahen Osten, in Subsahara-Afrika und in Südostasien verübt – und dort ist ihre Zahl rückläufig, so die positive Meldung des Berichts.

Das IEP bezeichnet den Rückgang sogar als „einen Wendepunkt im Kampf gegen gegen den radikalen islamistischen Extremismus“. 2016 starben laut Index weltweit Menschen bei terroristischen Angriffen – das sind 13 Prozent weniger als 2015. Im Gegensatz zu 2014 ging die Zahl der Terroropfer demnach um 22 Prozent zurück.

In Syrien, Pakistan, Afghanistan und Nigeria – vier der fünf am stärksten vom Terror betroffenen Länder – ging die Zahl der Toten sogar um 33 Prozent zurück. Der deutlichste Rückgang war in Nigeria zu verzeichnen, wo die Zahl der Todesopfer durch Angriffe der Islamistengruppe Boko Haram um 80 Prozent zurückging.

Trotz dieser Entwicklungen sind die Zahlen erschütternd: Allein im Jahr 2016 kamen allein im Irak 9765 Menschen durch Terroranschläge ums Leben, in Afghanistan 4574. Von Frieden und Sicherheit sind beide Länder weit entfernt.

Islamischer Staat geschwächt

Dem Index zufolge ist 2016 die Zahl der Todesopfer durch die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte gestiegen. Demnach hatte der IS 2016 mit mehr als 9000 Toten – den meisten davon im Irak – sein blutigstes Jahr. Die Taliban, Al Qaida und Boko Haram gehören neben dem IS zu den tödlichsten Terrororganisationen, doch kamen durch sie weniger Menschen ums Leben als in den Jahren zuvor.

Die Autoren der Untersuchung gehen davon aus, dass der weltweite Trend sich fortsetzt und es auch 2017 deutlich weniger Tote geben wird. Die Schwächung des IS und vermehrt erfolgreiches Vereiteln von Anschlägen im Vorfeld werden als wesentlicher Grund hierfür gesehen.

Die im australischen Sydney angesiedelte Denkfabrik IEP (Institute for Economics and Peace) versucht, Fakten über Krieg und Terrorismus in messbare Größen zu übersetzen. Mit untersuchten terroristischen Vorfällen gilt der Globale Terrorismus-Index als einer der zuverlässigsten Berichte und wird nun im fünften Jahr in Folge vom IEP veröffentlicht. Experten analysieren dafür Zahlen über Opfer und den wirtschaftlichen Schaden durch Terror weltweit. Ähnlich versucht die Denkfabrik auch, das Maß an Frieden und die wirtschaftlichen Vorteile daraus zu messen. Dafür veröffentlicht das Institut seit 2007 jährlich einen Globalen Friedens-Index. (mit AFP/dpa)

Friederike Sandow

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