zum Hauptinhalt
Die anderen Parteien müssen sich auf den neuen CDU-Chef einstellen.

© Christian Spicker/imago images; Kay Nietfeld/dpa; Bernd von Jutrczenka/dpa; Montage: Thomas Mika/Tsp

Glücksfall oder Hindernis?: Was Laschets Wahl für die Anderen bedeutet

Olaf Scholz sieht Armin Laschet als zu "nett" an, für Christian Lindner ist der neue CDU-Chef ein Glücksfall. Aber er kann auch gut mit den Grünen. Eine Analyse

Es wird eine so seit 1949 noch nie da gewesene Situation: Kein Amtsinhaber tritt bei der Bundestagwahl am 26. September als Kanzlerkandidat an. Mit Spannung haben die anderen Parteien deshalb auf die Abstimmung über den neuen CDU-Vorsitzenden geschaut. Was die Wahl von Armin Laschet für sie bedeutet – ein Überblick.

SPD: „Der Nette gegen den Erfahrenen“

Olaf Scholz hält Armin Laschet. für einen dankbaren Gegner, wenngleich der schon von Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen unterschätzt worden ist - und viele in der SPD hätten am liebsten Friedrich Merz als CDU-Chef gesehen, da er am stärksten polarisiert. Die Überlegung der SPD-Strategen mit Blick auf den neuen CDU-Chef: Laschet käme bei vielen Bürgern als Hallodri an, der Finanzminister und Vizekanzler Scholz könnte mit langjähriger Erfahrung und hanseatischer Seriosität punkten. „Den kann man gut stellen“, heißt es in der SPD optimistisch - bei Merz wäre das sicher einfacher gewesen, aber man registriert natürlich genau, dass das Merz-Lager weiterhin sehr stark ist und Laschet noch große Probleme bereiten kann. Wenn Laschet Kanzlerkandidat der Union wird, setzt man auf ein Duell „Der Nette gegen den Erfahrenen“.

Im Scholz-Lager wählt man für die Situation ein Bild aus dem 19. Jahrhundert: Ein Passagier will einen Seemann in Calais für eine Atlantiküberquerung anheuern – erste Priorität: Ankommen! Mit Laschet, dem Netteren, hätte man viel Spaß auf See, komme aber anders als mit dem Erfahrenen vielleicht nicht ans Ziel.

Der schwierigere Gegner wäre Markus Söder – schon allein von seiner körperlichen Erscheinung her, gegen den kleinen Scholz.

Doch wenn die SPD überhaupt in Sichtweite des Kanzleramts kommen will, muss sie erst einmal vor den Grünen landen. Und dabei hat sie hausgemachte Probleme: Keinen Aufwind durch die frühe Ausrufung ihres Kandidaten – den die Partei auch noch nicht einmal als Vorsitzenden wollte.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).

© Kay Nietfeld/dpa

Die Verlängerung der großen Koalition hat Scholz schon ausgeschlossen, er steht für eine Ampel-Koalition mit Grünen und FDP. Eigentlich. Aber die Parteispitze und der enorm gestärkte linke Flügel rauben ihm jetzt schon die nötige Beinfreiheit – das erinnert an Peer Steinbrück und kann für den Wahlkampf in eine Glaubwürdigkeitsfalle führen.

[Wenn Sie die wichtigsten News aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Nichts zeigt das Dilemma deutlicher, als die SPD-Blockade zur Anschaffung von Kampfdrohnen: Die Bundeswehr will sich damit in erster Linie bei Auslandseinsätzen schützen. Scholz, der sich in der Tradition von Helmut Schmidt sieht, brachte aber nicht die Kraft auf, sich hier gegen Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zu stellen, anders als Außenminister Heiko Maas.

Die Vertagung einer Entscheidung kann mit strategischen Überlegungen zusammenhängen, einem rot-rot-grünen Linksbündnis den Weg zu bereiten. Doch Scholz könnte durch eine Übernahme linker Positionen in der Mitte mehr verlieren als links gewinnen.

Viele in der SPD waren schon 2017 von Oppositionssehnsucht erfüllt, die große Koalition stand mehrfach auf der Kippe. Dann kam das Coronavirus, Scholz konnte als Finanzminister die Bazooka rausholen und Träume einer milliardenschweren keynesianischen Ausgabenpolitik erfüllen.

Die Paradoxie dieses Wahlkampfes: Die SPD könnte mit Scholz das Kanzleramt erobern – aber auch das schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik einfahren ... und sich dann selbst zerlegen.

Die Grünen: Mit Merz wäre schwarz-grün ein Hindernis gewesen

Für die Grünen war die Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden mit Hoffnungen verbunden. Dabei geht es weniger darum, wer jetzt gewählt wurde, als vielmehr darum, dass überhaupt jemand gewählt wurde. Denn dass die Kanzlerin nicht mehr zur Wahl antritt, so der Eindruck vieler führender Grüner, war bei der Bevölkerung noch gar nicht angekommen.

Zu sehr bindet die Coronakrise die Aufmerksamkeit – und davon profitieren vor allem die krisengestählte Regierungschefin und ihre Union. Mit einem neuen CDU-Chef wird sich das ändern, so das Kalkül das Grünen: „Die Union ist überbewertet und weiß das auch“, sagte Robert Habeck.

Für eine mögliche schwarz-grüne Koalition nach der Wahl wäre vor allem Merz ein Hindernis gewesen. Laschet war schon zu Bonner Zeiten Teil der schwarz-grünen Pizza-Connection. Er hat in den letzten Monaten immer wieder davon gesprochen, dass man „Ökonomie und Ökologie“ jetzt zusammenbringen müsse. Zugleich betont er sehr deutlich, wie gut er mit der FDP an Rhein und Ruhr regiert. Daher müssen die Grünen erst einmal so stark werden, dass Schwarz-Gelb ohne Mehrheit ist. Und setzen darauf, dass sie der CDU Wähler abjagen können.

Die Parteichefs Habeck und Annalena Baerbock sehen die CDU vor komplizierten Umbruchprozessen: „Armin Laschet steht vor der anspruchsvollen Aufgabe, die CDU nach der Ära Merkel neu zu definieren, zu klären, wofür sie inhaltlich eigentlich antritt und wie sie diesen Weg mit vereinten Kräften gehen kann.“

Annalena Baerbock und Robert Habeck.
Annalena Baerbock und Robert Habeck.

© Kay Nietfeld/dpa

AfD: Söder als Kanzlerkandidat wäre ein Problem

Mit Merz, das ist klar, hätten die Rechten ein ernsthaftes Problem gehabt. Denn selbst viele der eigenen Wähler hätten sich den Sauerländer gut als Kanzlerkandidaten vorstellen können. Mit Laschet ist zumindest diese Gefahr gebannt.

Der neue CDU-Chef steht anders als Merz nicht für einen Bruch mit der Ära Merkel, eher für deren Fortsetzung. Und weil Merkel unter den AfD-Wählern so verhasst ist, dürften die Rechten kaum eine Gelegenheit auslassen, darauf hinzuweisen.

Mindestens ebenso verhasst sind unter AfD-Anhängern die Grünen. Weil Laschet durchaus offen ist für ein Bündnis mit denen, will die AfD auch dagegen Stimmung machen.

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel hat Angriffslinie schon mal in einem Tweet vorgegeben: „Armin #Laschet ist Bundesvorsitzender der CDU – damit haben die Christdemokraten den Weg geebnet für eine schwarz-grüne Koalition. Wer schwarz wählt, bekommt grün“, schrieb sie.

Ein Problem für die AfD wäre aber, wenn nicht Laschet, sondern Söder Kanzlerkandidat der Union wird. Den halten AfD-Strategen für eine ernsthafte Bedrohung, weil er konservativ ist – und in den letzten Jahren sehr scharf gegen die AfD geschossen hat.

FDP: Laschets Wahl ist ein Glücksfall

Noch mal flüchten kann Christian Lindner nicht. Aber um über die Frage „lieber mitregieren als nicht regieren?“ nachzudenken, muss die FDP erst mal mehr als fünf Prozent bekommen. Die Partei ist weiter stark auf den Partei- und Fraktionschef zugeschnitten, der gerade im Umgang mit dem FDP-Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich in Thüringen viel Ansehen verspielt hat.

In der Coronakrise wurde ihm auch aus CDU und CSU wegen seiner Kritik an der Corona-Politik eine Nähe zu AfD-Positionen unterstellt – er gibt sich seitdem staatsmännischer, fordert aber weiter hartnäckig mehr Einbindung des Bundestages, mehr Transparenz des Kanzleramts über die Grundlagen für Lockdown-Entscheidungen.

Für Lindner ist die Wahl Laschets ein Glücksfall, beide kennen sich gut aus Düsseldorfer Zeiten, zuletzt sang Laschet bei „Markus Lanz“ im ZDF ein Loblied auf die Liberalen und wünschte sich eine möglichst starke FDP im nächsten Bundestag. Er führt in Nordrhein-Westfalen die einzige schwarz-gelbe Koalition an.

Der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet.
Der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet.

© imago/photothek, Montage:Thomas Mika/Tsp

Auch Lindners Problem ist vielmehr Markus Söder, der klar zu erkennen gegeben hat, dass er sich auf eine schwarz-grüne Koalition einstellt. Da es in Umfragen auch nicht für Schwarz-Gelb reichen würde, könnte die FDP entweder wieder als Anhängsel von Schwarz-Grün in einer Jamaika-Koalition oder in einer Ampel mit SPD und Grünen zum Zuge kommen.

Schwer wird es so oder so. Aufhorchen ließ, dass Lindner das langjährige SPD- Mitglied Harald Christ – der Scholz sehr schätzt – zum Schatzmeister macht. Und Volker Wissing, der für die FDP in Rheinland-Pfalz die einzige Ampel-Koalition führt, wurde Generalsekretär – sollte die am 14. März bei der Landtagswahl bestätigt werden, wäre es kein kleines Signal.

Die Linke: Auch sie braucht eine neue Führung

Die Linkspartei tangiert die Entscheidung der CDU nicht so sehr, die Parteien werben um sehr unterschiedliche Gruppen. Aber nach der auf den Termin der Bundestagswahl verschobenen Landtagswahl in Thüringen kann sich am 26. September auch schnell wieder die Frage für die CDU stellen, wie sie es mit der Linken hält, wenn dort ohne Duldung oder Kooperation wieder keine Regierung gegen die AfD zu bilden sein sollte. Bisher steht Laschet für die Äquidistanz nach links wie rechts, also: keine Form der Zusammenarbeit.

Personell beschäftigt die Linke das gleiche Problem wie bisher die CDU: Sie braucht eine neue Führung für frischen Wind im Wahlkampf. Für die weibliche Doppelspitze kandidieren Susanne Henning Wellsow und Janine Wissler als Nachfolger von Katja Kipping und Bernd Riexinger.

Am 26. Februar soll ein seit Juni verschobener Parteitag stattfinden, erst virtuell und am 27. Februar dann dezentraler mit Briefwahl an 16 Orten – ob das so klappt hängt von der Infektionslage in Deutschland ab. Eigentlich sollte der Parteitag auch wichtige Klärungen zwischen dem Realo-Flügel und dessen Gegnern bringen – virtuell geht das kaum.

Im September hatten mehr als 75 Linken-Politiker eine Kampfansage an das Reformerlager um Fraktionschef Dietmar Bartsch und den außenpolitischen Sprecher der Fraktion, Gregor Gysi, verfasst, die rot-rot-grüne Perspektiven zunichte machte.

Neben der Forderung, die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen abzuziehen und Rüstungsexporte zu verbieten, soll Deutschland demnach auch aus der Nato austreten. Eine Machtperspektive würde für die Partei zur Zerreißprobe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false