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Politik: Gnadenfrist für Arafat

Palästinenserchef kann vorerst in Ramallah bleiben. Scharon will wegen der Irak-Krise und des Wahlkampfes keine weiteren Probleme

Von Charles A. Landsmann,

Tel Aviv

Jassir Arafat bleibt in Ramallah. Er wird nicht ins erneute Exil ausgewiesen – noch nicht. Nach dem Anschlag am Sonntagabend in Tel Aviv, bei dem 24 Menschen ums Leben gekommen waren, hatten mehrere israelische Minister während einer Sitzung des Sicherheitskabinetts die Ausweisung Arafats gefordert. Neben Außenminister Benjamin Netanjahu hatte auch der Chef der Nationalreligiösen, Effi Eitam, klare Konsequenzen nach dem Anschlag verlangt: „Noch diese Nacht", sagte Eitam am späten Sonntagabend, müsse Arafat ins Exil geschickt werden.

Doch setzte sich Ariel Scharon gegen die Hardliner erneut mit seiner pragmatischen Linie durch: „Nicht jetzt", erklärte der Ministerpräsident. Drei Gründe verhindern die Ausweisung des palästinensischen Autonomiepräsidenten. „Arafat besitzt eine amerikanische (Versicherungs-)Police“, befindet der Analytiker Schimon Schiffer. Solange der Krieg gegen den Irak ein Thema ist, kann sich Arafat in seinem Herrschaftsbereich sicher fühlen. Scharon ließ seine Mitarbeiter dementsprechend verkünden: „Was nützt ein kleiner Erfolg über Arafat im Vergleich zu einem großen Sieg über Saddam Hussein?" Sicherheitshalber wandte sich US-Präsident George W. Bush unmittelbar nach dem jüngsten Anschlag in Tel Aviv mit der Bitte an die israelische Regierung, auf eine Ausweisung Arafats zu verzichten.

Die USA können in der Krisenregion keine folgenreiche Störung ihrer Kriegsvorbereitungen dulden – und eine solche würde die Ausweisung Arafats zweifellos darstellen. Der zweite Grund für Scharons Verzicht auf eine Ausweisung ist die gerade jetzt anlaufende „heiße Phase“ des israelischen Wahlkampfes. Der durch die Skandale in seiner Partei beschädigte israelische Regierungschef will unbedingt vermeiden, dass man auch ihm „billige Wahlkampftricks“ vorwirft und versucht, seine Linie des nationalen Konsenses durchzuhalten.

Israels Regierung reagierte auf den Doppelanschlag von Tel Aviv indes mit Militäraktionen gegen palästinensische Ziele und einem Ausreiseverbot für Palästinenser-Politiker. Kampfhubschrauber griffen in der Nacht zum Montag mehrere Gebäude in Gaza mit Raketen an, während Panzer in das Flüchtlingslager Rafah im südlichen Gazastreifen eindrangen.

Die Strafmaßnahmen des israelischen Sicherheitskabinetts lösten indes vielerorts Kopfschütteln aus. Denn schließlich war es Scharon gewesen, der bisher immer von Arafat Reformen der palästinensischen Machtstrukturen und Kompetenzbereiche gefordert hatte. Doch nun untersagt die israelische Regierung ausgerechnet die für diese Woche vorgesehenen Abschlussberatungen und Beschlussfassungen der palästinensischen Gremien in Ramallah, die den Reformen gedient hätten. Auch die Ausreise einer palästinensischen Delegation zu einer Konferenz über diese Reformen in London wurde verboten. Ohne diese Reformen aber ist Scharon wiederum nicht zu einer Wiederaufnahme der politischen Verhandlungen – unter Ausschluss Arafats – bereit. Gegen diese Verhandlungen bomben auch die islamistischen Terroristen an, denen demnach die israelische Regierung mit ihren Beschlüssen unfreiwillig hilft.

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