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Politik: Granaten und fehlende Einigung

Die 275 Abgeordneten des neuen irakischen Parlaments haben heute in Bagdad ihren Amtseid abgelegt. Begleitet wurde die historische Parlamentssitzung von strengen Sicherheitsmaßnahmen und dem Donner von Mörsergranaten. (16.03.2005, 16:02 Uhr)

Rom/Bagdad - Wirbel hat am Mittwoch die Ankündigung des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi vom Vorabend ausgelöst, Italien werde ab September seine Truppen aus dem Irak abziehen. In Bagdad trat das Ende Januar gewählte Kabinett unter strikten Sicherheitsmaßnahmen und dem Krachen von Mörsergranaten zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.

Berlusconi bestätigte seine Ankündigung bei einem Telefonat mit US-Präsident George W. Bush am Mittwoch. Er wünsche sich, «so schnell wie möglich, möglicherweise im September, mit dem schrittweisen Rückzug des italienischen Kontingents» beginnen zu können, zitierten italienische Medien das Gespräch.

Bush sagte nach dem Telefonat in Washington, Berlusconi habe ihm versichert, dass dies keinen Kurswechsel in der Politik bedeute. Außerdem solle der Abzug in Absprache mit den Verbündeten erfolgen. Auch hänge der Rückzug von der Fähigkeit der Iraker ab, sich selbst zu verteidigen.

Oppositionspolitiker und Kommentatoren in Italien kritisierten, dass Berlusconi den Abzug der 3000 italienischen Soldaten in einer Fernseh-Talkshow - und nicht im Parlament - angekündigt hat. Es sei ein «grober Schnitzer» des Regierungschefs, den Abzug der Truppen im Fernsehen zu verkünden, «während die Abgeordnetenkammer gerade über die weitere Finanzierung der Mission abstimmt», erklärte der Chef der Linksdemokraten, Piero Fassino.

Berlusconi hatte im Fernsehen auch erklärt, er habe bereits mit dem britischen Premierminister Tony Blair über einen Rückzug gesprochen: «Die öffentliche Meinung in unseren Ländern fordert diese Entscheidung», sagte Berlusconi. Blair spielte die Aussagen am Mittwoch als Missinterpretation herunter. Die Soldaten würden erst abgezogen, wenn die Iraker deren Platz einnehmen könnten, sagte er im Parlament in London. «Weder die italienische Regierung noch wir haben irgendeine Frist für einen Rückzug gesetzt», erklärte der Premier.

Berlusconi: Keinerlei Missverständnisse

Berlusconi entgegnete am Nachmittag jedoch, es habe «keinerlei Missverständnisse» zwischen London und Rom gegeben. Mit den Italienern verlieren die USA ihren viertstärksten Verbündeten im Irak. Nach US-Medienberichten ist die Zahl der Länder, die Truppenkontingente im Irak stationiert hatten, von 38 auf 24 gesunken.

In Bagdad legten die 275 Abgeordneten des neuen irakischen Parlaments ihren Amtseid ab. Kurz vor Beginn der Sitzung wurde die «Grüne Zone» um das Sitzungsgebäude von mehreren Explosionen erschüttert. Augenzeugen sagten, Aufständische hätten versucht, Granaten auf das Gelände abzufeuern. Das US-Militär erklärte, es habe keine Opfer gegeben.

Auf einen Staatspräsidenten konnten sich die schiitischen und kurdischen Wahlsieger noch nicht einigen. Mit der Wahl, auf die dann auch die Nominierung des Ministerpräsidenten folgen soll, rechnen die Abgeordneten erst in der kommenden Woche.

In seiner in kurdischer und arabischer Sprache gehaltenen Eröffnungsrede sagte Fuad Masum, der Präsident des inzwischen aufgelösten Übergangsparlaments, zu den wichtigste Aufgaben der neuen Nationalversammlung zähle die Ausarbeitung einer endgültigen Verfassung. Mit Blick auf die sunnitischen Araber, die der Parlamentswahl am 30. Januar zum Großteil ferngeblieben waren, sagte er, auch Gruppen, die nicht im Parlament vertreten seien, sollten am Verfassungsprozess beteiligt werden. (tso) ()

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