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Politik: Graue Haare, grüne Stimmung

CSU-Chef Seehofer bewertet das Scheitern der CDU in Baden-Württemberg als „bitter“ – und biedert sich sacht bei der Öko-Partei an

Es schwingt eine ganze Menge Anerkennung mit, wenn CSU-Chef Horst Seehofer über seinen künftigen Ministerpräsidenten-Kollegen im Nachbar-Bundesland Baden-Württemberg spricht, den Grünen Winfried Kretschmann. „Er ist bekennender Katholik“, würdigte Seehofer als Wahlreaktion in kleinerer Runde, „bei dem hängt in der Stube ein Holzkreuz an der Wand“. Auch gefällt dem bayerischen Landeschef, dass Kretschmann über 60 Jahre alt ist und dennoch als „Hoffnungsträger“ gilt. „Der hat sogar graue Haare“ – so wie Seehofer auch.

Dieses Lob nach einer überlangen Sitzung des CSU-Parteivorstandes, auf der nur die Wahlen diskutiert wurden, könnte durchaus einen Richtungswechsel einleiten. Denn in den vergangenen Monaten waren die Grünen Hauptgegner der CSU. Erst beim Politischen Aschermittwoch in Passau hatte Seehofer sie als „politikunfähig“ und „Partei der Steinewerfer“ beschimpft. Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte noch vor kurzem ein CSU-Video gelobt, das die Textzeile enthält: „Ein Männlein steht im Walde, ganz grün und dumm.“

Jetzt indes weist Seehofer sogar die Aussage weit von sich, dass er die Grünen „angreift“. Vielmehr heißt es jetzt bei ihm: „Ich setze mich mit ihnen auseinander.“ Wenn die Grünen ihre teilweise Ablehnung etwa gegen den Ausbau von Stromnetzen aufgäben, „dann kann man da in der Sache etwas zusammenbringen“. Er befürwortet sogar eine „Politik der runden Tische“ und will „viele Teile der Gesellschaft“ in ein neues Energiekonzept einbeziehen.

Woher kommt der Kursschwenk? Seehofer sieht den CDU-Verlust in Baden- Württemberg als „bittere Niederlage mit historischem Ausmaß“. Für ihn ist klar, dass sich die CSU längerfristig nur halten kann, wenn sie sich ganz eindeutig zum Atomausstieg bekennt und ihn voranbringt. Da ist er sich einig mit dem Landesumweltminister und Parteifreund Markus Söder, der einen ebensolch radikalen ökologischen Richtungswechsel hingelegt hat. Allerdings gibt es auch andere Stimmen in der Partei. Der Ex-Vorsitzende Erwin Huber etwa warnt vor einem zu schnellen Atom- Schwenk, den er als „überstürztes, wahltaktisches Handeln“ bezeichnet. Seehofer hingegen ist nun der Überzeugung, dass etwa der Alt-Reaktor Isar 1 bei Landshut nach dem Herunterfahren nie mehr Strom liefern wird. Doch ist Bayern mit seinen fünf Kernkraftwerken im Vergleich mit allen Bundesländern am meisten vom Atomstrom abhängig. Bis Mitte Mai will Seehofer ein Konzept für Alternativenergien aufgestellt haben.

Vor allem auch der künftige Umgang mit den Grünen ist in der Partei umstritten. Während Seehofer analysiert, dass die CSU vor allem in den Städten massiv Anhänger an die Öko-Partei verliert, wollen andere die Grünen noch massiver attackieren. Dazu zählen wiederum Dobrindt und der Landesinnenminister Joachim Herrmann.

Der Ministerpräsident allerdings traut ganz offenkundig seinem gegenwärtigen FDP-Koalitionspartner nicht mehr viel zu. Dieser dümpelt in Umfragen zwischen vier und sechs Prozent. FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil gilt als überfordert, bei der Rede zum Starkbieranstich auf dem Münchner Nockherberg musste er sich als „ferngesteuerten Schlafanzug“ bezeichnen lassen. Und so könnte es sein, dass die CSU trotz eines achtbaren Ergebnisses nach der Landtagswahl 2013 keine Mehrheit hinbekommt, die FDP entweder rausfliegt oder es mit ihr nicht reicht.

Auch von der lange gepflegten „Südschiene“ mit der baden-württembergischen Regierung muss sich Ministerpräsident Seehofer nun verabschieden. Es gab immer wieder Vorstöße, den Länderfinanzausgleich zugunsten der zahlenden Länder zu ändern. „Es wird schwieriger“, sagt er, „die Kraft des Südens ist jetzt auf Bayern reduziert.“ Wird es mit der neuen Stuttgarter Regierung weiter gemeinsame Kabinettssitzungen geben, wie es bisher der Fall war? Seehofer lächelt wehmütig – und sagt nichts.

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