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Politik: Grenzen des Durchregierens

Für eine Kanzlerin Merkel würde es im Bundesrat nicht ganz einfach – wegen ihrer Ministerpräsidenten, aber auch wegen der FDP

Berlin - Angela Merkel weiß, warum sie bald nach einem Wahlsieg die Föderalismusreform umsetzen will: Eine „eigene“ Mehrheit im Bundesrat bedeutet nicht unbedingt, dass man es dort einfach hat. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch sagt voraus: „Länderinteressen gibt es immer.“ Schon der aktuelle Mehrwertsteuerstreit zeigt, wo die Grenzen von Merkels „Durchregieren“ liegen können. Also dringt die Kanzlerkandidatin darauf, dass der Bundesrat an Zustimmungsrechten verliert, die Länder dafür an Gestaltungsmöglichkeiten gewinnen. Dann hat sie mehr Ruhe in der Länderkammer.

Aber die völlige Trennung in separate Zuständigkeitssphären wird es nicht geben. Für einen guten Teil der Bundesgesetze muss weiter eine Mehrheit im Bundesrat gewonnen werden. Und die Länder werden versuchen, Zustimmung mit Zugeständnissen zu verbinden. Ein Unterschied wird darin liegen, dass die Händel nicht im Vermittlungsausschuss ausgetragen werden, sondern schon vorher. Merkel könne sich darauf verlassen, „dass wir Kompromisse mit dem Bund finden werden, bevor wir uns in institutionellen Gremien wie Bundesrat oder Vermittlungsausschuss sehen“, sagt Koch.

Das wird schon daran liegen, dass es keine geschlossene Phalanx der Unions- Ministerpräsidenten geben wird – weder für noch gegen Merkel. Gewisse Neigungen gibt es freilich: Der Thüringer Dieter Althaus wird auch weiter eng zu Merkel halten, die zuletzt im Mehrwertsteuerstreit auch in Georg Milbradt (Sachsen) und Wolfgang Böhmer (Sachsen-Anhalt) Unterstützer fand. Sie wollen nicht, dass die Mehrwertsteuererhöhung auch für die Haushaltssanierung verwendet wird, sondern nur für die Senkung der Lohnnebenkosten. Die klarste Position gegen Merkel vertrat Edmund Stoiber, der vor allem an sein Traumziel des baldigen ausgeglichenen Etats in Bayern dachte und möglichst viel vom größeren Kuchen haben wollte. Was auch einiges über Stoibers Pläne für die Zeit nach der Wahl aussagt – sähe er sich wirklich schon in Berlin, hätte er kaum so intensiv für das Landesinteresse gekämpft. Näher zu Stoiber stehen Koch und der Stuttgarter Günther Oettinger, enger bei Merkel sind der Saarländer Peter Müller und wohl auch Christian Wulff (Niedersachsen). Jürgen Rüttgers aus NRW gilt als noch nicht festgelegt.

Ohnehin wird Merkel im Bundesrat nicht nur auf die eigene Truppe, sondern im Fall einer Koalition mit der FDP auch auf die Liberalen achten müssen. „Das Koalitionssperrfeuer wird zunehmen“, prophezeit ein CDU-Landesminister, der mit der FDP regiert. Reine Unions-Länder gibt es fünf (mit zusammen 21 Stimmen im Bundesrat), Schwarz-Gelb werden vier Länder regiert (22 Stimmen). Die NRW-Liberalen haben schon angekündigt, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht mitzumachen – Rüttgers müsste sich dann enthalten. Machen alle „F-Länder“ es so, gibt es die höhere Steuer nicht. Schon vor der letzten Bundesratssitzung Anfang Juli wurde zwischen Union und FDP ein Paket geschnürt nach dem Motto: Hier geben wir nach, dort ihr.

Doch könnte sich die Farbverteilung bald wieder ändern. Im März 2006 wählen Sachsen-Anhalt (wo die FDP kaum wieder über 13 Prozent kommen wird und Böhmer eine Koalition mit der SPD eingehen müsste) und Baden-Württemberg. Dort wird, auch in der CDU, über eine schwarz- grüne Option nachgedacht. Dann wäre die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat weg. Das Koalitionsspektrum würde noch bunter. In jedem Fall aber gilt, was Koch so umschreibt: „Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft. Der Bund wird nur erfolgreich sein, wenn er eine hinreichend große Zahl an Ländern hat, die politisch gut funktionieren und erfolgreiche Konzepte anbieten.“ Die Länder werden ein Machtfaktor bleiben.

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