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Polizisten stehen Darstellern bei der Grenzschutzübung "Proborders" an der Grenze zu Slowenien gegenüber.

© dpa

Grenzschutzübung in Österreich: Die echten Folgen des simulierten Flüchtlingsansturms

In Österreich simuliert die Regierung mit Polizei und Heer einen Flüchtlingsansturm. Doch es ist vor allem eine Kampfansage an Europa – und Merkel.

Zwei „Black Hawk“-Helikopter knattern über das Grün der Steiermark in Österreich. Am Boden, nahe der slowenischen Grenze, haben sich rund 200 Polizeischüler in Zivilkleidung vor einem Maschendrahtzaun aufgebaut. Sie recken die Fäuste, grölen, rufen. Sie sind heute Schauspieler, ihre Rolle: Flüchtlinge. Auf der anderen Seite des Zauns laufen behelmte Polizisten und Soldaten auf. Formen eine Mauer aus Menschen und Schilden. Insgesamt 700 Sicherheitskräfte sind aus dem ganze Land hergebracht worden. Im Hintergrund bellen Schäferhunde, Radpanzer stehen bereit.

Die Szene ist Teil einer groß angelegten Inszenierung der österreichischen Regierung. Sie nennt es Übung. Simuliert werden soll ein Flüchtlingsansturm auf die Grenze. Da es zu dieser Übung aber bereits am Vortag eine Generalprobe gab, darf man annehmen, dass es vor allem um eine Botschaft ging, die Innenminister Herbert Kickl von der rechten FPÖ den zahlreichen Journalisten vorsichtshalber noch einmal erklärt: „Das Grenzmanagement funktioniert, und die Abwehr funktioniert.“ 2015 waren hier, am Grenzübergang am Ort Spielfeld Tausende Flüchtlinge über die Grenze gekommen. Heute sieht es ein bisschen anders aus. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion Steiermark formuliert es so: „Die Zahl der Flüchtlinge, die direkt an der Grenzen stehen, ist praktisch null.“

Österreichs Verteidigungsminister Mario Kunasek und Innenminister Herbert Kickl (beide FPÖ) haben die Grenzschutzübung angeordnet.
Österreichs Verteidigungsminister Mario Kunasek und Innenminister Herbert Kickl (beide FPÖ) haben die Grenzschutzübung angeordnet.

© dpa

Offiziell richtet sich die Machtdemonstration laut Innenminister Kickl an Schlepper und Flüchtlinge. Er spricht von „Fremden“, die „mit schlechten Absichten kommen“. Tatsächlich ist die Grenzschutzübung auch eine Kampfansage an Angela Merkel und fällt in eine brisante Phase der Diskussion über Flüchtlingspolitik auf europäischer Ebene. Während der deutsche Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer die Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge an der deutschen Grenze fordert und einen Bruch der Union riskiert, ringt Merkel dieser Tage um eine europäische Lösung und einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen. Nur haben beide bisher kein Konzept vorgelegt, wie das eine oder andere konkret umgesetzt werden könnte. Zumindest für ein Szenario hat Österreich nun Bilder geliefert.

In der Debatte um Flüchtlinge kam Österreich in den vergangenen Jahren stets eine Schlüsselrolle zu. Früher als die AfD hat es die FPÖ verstanden, mit einem harten Anti-Flüchtlingskurs Stimmung zu machen und erfolgreich zu sein. 2016 wäre der FPÖ-Kandidat Norbert Höfer um ein Haar Bundespräsident geworden. Seit Ende 2017 reagieren die Populisten als Juniorpartner in einer Koalition mit der konservativen ÖVP.

Der harte Kurs des Landes in der Flüchtlingspolitik hat auch in Deutschland Fans gefunden. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder soll sich für den anstehenden Wahlkampf sogar Auftritte von Angela Merkel verbeten haben. Vertrauten soll er gesagt haben: „Zu meiner Abschlusskundgebung kommt keine Bundeskanzlerin, sondern ein Bundeskanzler.“ Und meinte damit den österreichischen: Sebastian Kurz.

Sein Einfluss und der seines Landes könnte nun sogar noch größer werden. Am Sonntag übernimmt Österreich turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft, sechs Monate darf das Land dann die Geschäfte im Rat der EU, dem Gremium der Mitgliedstaaten, führen. Da der von der CSU angefachte Streit um die grundlegende Ausrichtung der Asyl- und Flüchtlingspolitik längst auch zwischen europäischen Regierungen ausgefochten wird, ist in Brüssel schon die Rede davon, dass Kurz es in der Hand habe, ob Angela Merkel stürzt oder gerettet wird.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz positioniert sich immer mehr als Gegenspieler zu Angela Merkel.
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz positioniert sich immer mehr als Gegenspieler zu Angela Merkel.

© imago/Mike Schmidt

Österreichs 31 jähriger Kanzler tritt in Brüssel immer mehr als ihr Gegenspieler auf. Als Konservativer gehört er der gleichen europäischen Parteienfamilie an wie Merkel. Doch er hat deutlich gemacht, dass die Asylpolitik der Schwerpunkt seiner Ratspräsidentschaft werden soll.

Er hält es für einen Fehler, dass in Brüssel so lange und erfolglos darüber verhandelt wurde, wie Asylbewerber innerhalb der EU auf die Mitgliedsländer verteilt werden können. Spricht von einer „falschen Politik“. Die EU gerate in Gefahr, wenn sie den Mitgliedsländern gegen deren Willen vorschreibe, Flüchtlinge aufzunehmen. Sie müsse „endlich damit aufhören, weiter über ein Verteilungssystem zu sprechen, das einfach nicht funktionieren wird“. Damit steht er im Widerspruch zur Kanzlerin, die seit 2015 für eine Umverteilung von Flüchtlingen wirbt, wenn Länder wie Griechenland und Italien überfordert scheinen. In Deutschland sieht Kurz seine Verbündeten eher bei der CSU. Mit Söder und Seehofer hat er mehr gemein als mit dem Ansatz von Merkel.

Auch wenn die Zahl der Asylanträge in Österreich gegenüber dem Vorjahr um 42 Prozent gesunken ist, vergeht kaum ein Tag, an dem Kurz und sein Regierungsbündnis nicht neue Ideen präsentiert: Kurz will eine gefährliche „Albanienroute“ entdeckt haben, FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek möchte Soldaten an die EU-Außengrenzen schicken, Vizekanzler Heinz-Christian Strache eilte zum neuen italienischen Innenminister Matteo Salvini und postete launige Selfies mit dem Mann der populistischen Lega Nord. Tags zuvor hatte Salvini eine Zählung und teilweise Ausweisung der in Italien lebenden Roma angekündigt und ein Flüchtlingsschiff mit Anlandeverbot belegt. Das imponiert der Regierung in Wien.

Die Übung in Spielfeld an der slowenischen Grenze geht übrigens gut aus. Die Soldaten sichern ihre Kollegen im Hintergrund mit schwerem Gerät ab. Polizisten ordnen in Ruhe die Flüchtlingsdarsteller und geleiten sie in ein Registrierungszelt. Innenminister Kickl hatte der Übung den Namen „Pro Borders“ gegeben. Zumindest Österreichern dürfte der Slogan bekannt vorkommen. Martin Sellner, der österreichische Chef der völkischen „Identitären Bewegung“, deren deutscher Ableger vom Verfassungsschutz beobachtet wird, nutzt ihn schon seit 2016. Er twitterte: „Unsere Demoparolen werden Truppenübungen.“ Und versah die Nachricht mit einem Smiley.

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