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Hans Michelbach von der CSU ist Obmann im Finanzausschuss und gehört zu den Nein-Sagern.

© David Ebener/dpa

Griechenland-Abstimmung: Nein-Sager und Ja-Sager

Beim letzten Mal stimmten 60 Unions-Abgeordnete gegen Merkels Griechenland-Kurs. Das könnte am Mittwoch ähnlich aussehen. Welche Argumente haben die Gegner und welche die Befürworter?

Von Antje Sirleschtov

Sie sind beide Obleute ihrer Fraktion in Ausschüssen, die für die Abstimmung über die Griechenlandhilfe entscheidend sind. Obleute sind so etwas wie Frontrunner: Sie bestimmen den Kurs, sie gelten in der Fraktion als sachkundige Fachpolitiker. Hans Michelbach ist CSU-Abgeordneter und Obmann der Unionsfraktion im Finanzausschuss des Bundestages. Und Michael Stübgen, CDU, ist sein Pendant im Europaausschuss. Beide werden am Mittwoch über das dritte Hilfspaket an Athen abstimmen, man wird nicht nur in der Unionsfraktion auf ihr Abstimmungsverhalten schauen.

Hans Michelbach hat sich am Dienstagmorgen festgelegt: Er wird „Nein“ sagen. Auch Michael Stübgen hat sich schon entschieden. Er wird das Gegenteil von Michelbach tun, er wird mit „Ja“ stimmen. Das Erstaunliche: Die beiden, der Nein- Sager und der Ja-Sager, führen die gleichen Argumente an – kommen aber zu ganz anderen Ergebnissen.

Der Bayer Hans Michelbach ist Unternehmer, er hat den elterlichen Betrieb übernommen, er kennt sich aus mit Zahlen, er ist ein Mann der Ökonomie. Michelbach hat die Rettungsstrategie seiner Kanzlerin schon sehr früh skeptisch gesehen. Man könnte sagen, er ist in der Unionsfraktion ein Abweichler der ersten Stunde. Das ganze Wochenende hat er das dritte Rettungsprogramm und dabei insbesondere die Schuldentragfähigkeitsanalyse „intensiv“ studiert, wie er sagt. Für ihn ist dieser Wert – die Schuldentragfähigkeit – die entscheidende Größe. 200 Prozent des griechischen Bruttoinlandsproduktes, sagt Michelbach, das könnten die Griechen einfach nicht in einem einigermaßen vertretbaren Zeitraum zurückzahlen. Das ganze Zahlenwerk gehe damit nicht auf. Er spricht von „Selbstbetrug“, wenn jetzt weitere 86 Milliarden Euro nach Athen überwiesen werden.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Stübgen ist Obmann im Europaausschuss und wird dem Hilfspaket für Griechenland zustimmen.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Stübgen ist Obmann im Europaausschuss und wird dem Hilfspaket für Griechenland zustimmen.

© Bernd Settnik/ZB/dpa

Für ihn steht damit fest: Einem dritten werden ein viertes Paket und so weiter folgen. „Das ist der Beginn einer Transferunion“, sagt er. Den Internationalen Währungsfonds sieht er sogar auf seiner Seite. Auch der IWF habe errechnet, dass Athen von der Schuldenlast nur dann nicht erdrückt werde, wenn es zu einer Entschuldung kommt. „Das aber geht nicht mit den Europäischen Verträgen.“ Für Michelbach ist eins und eins zwei. Diese Wahrheit könne auch keine Politik aushebeln. Die „politische Lösung“, die seine Kanzlerin anstrebe, das Spiel mit der Hoffnung also, hält Michelbach für nicht überzeugend. Wenn die Ökonomie nicht funktioniere, sagt er, dann „funktioniert auf Dauer auch die politische Lösung nicht“.

Ja mit Bauchschmerzen

Was die ökonomischen Daten des Kreditprogramms betrifft, kommt auch Michael Stübgen zu keinen anderen Erkenntnissen. Doch für Stübgen sind Zahlen und Fakten und Mathematik nicht alles. Er kommt aus Brandenburg, hat sich als junger Mann als Bauarbeiter verdingt und später in der DDR Theologie studiert. Stübgen war Pfarrer, er hat die Wiedervereinigung miterlebt und gesehen, welche ökonomischen Chancen seine Heimat in den Neunzigern hatte und was daraus geworden ist. „Ökonomische Fragezeichen“, wiegelt er die Sachargumente etwa von Hans Michelbach ab, „die gibt es immer.“ Das allein jedoch könne kein Kriterium für die Entscheidung sein. Für ihn stünden die Chancen und Risiken im Vordergrund, die sich hinter den Zahlen verbergen. Und da ist sein Urteil positiv. Auch Stübgen hat all die Hilfsprogramme der Vergangenheit intensiv studiert und nun sagt er: „Das ist eines der kundigsten und klarsten Programme, das wir jemals mit Griechenland gemacht haben.“ Die spannende Frage sei nun: „Trauen wir den Griechen zu, dass sie das Programm umsetzen? Und da sage ich: Ich habe Hoffnungen darauf“. Deshalb werde er am Mittwoch „Ja“ sagen.

Ganz ohne Bauchschmerzen tut das der Europapolitiker Stübgen dann aber wohl doch auch nicht. In gewisser Weise, sagt er, sei seine Entscheidung auch eine „Glaubensfrage“, und beim Glauben, da spielten ja auch sehr stark persönliche Erfahrungen mit. Er achte die Argumente derer, die die Zustimmung verweigern und sagen, sie vertrauten darauf nicht. Für ihn stehe die Hoffnung an erster Stelle. Die Hoffnung darauf, dass die Griechen jetzt wirklich reformieren und am Ende alles sich zum Besseren wendet. „Das ist eine letzte Chance für Griechenland“, sagt er.

Und wenn es auch diesmal nicht funktioniert und im Herbst der IWF den Daumen senkt? Dann, sagt Stübgen, „dann ist das auch für uns ein Zeichen, dass sich unsere Hoffnungen auf Reformen nicht erfüllen“. Und dann wird wohl auch er zum Nein-Sager für weitere Programme. Und es „bleibt nur noch der Grexit“.

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