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Alexis Tsipras bei seinem Besuch auf Zypern.

© AFP

Griechenland: Alexis Tsipras geht auf Werbetour

Der griechischen Regierungschef und sein Finanzminister werben bei den EU-Partnern für ihren Sparkurs. Welche Hilfe kann Griechenland erwarten?

Griechenlands neuer linker Regierungschef Alexis Tsipras geht auf Werbetour durch Europa: Am Montag besuchte er Zypern, am Dienstag und Mittwoch reist er weiter in andere europäische Länder. Sein Appell für mehr Wachstum und ein Ende des Sparens trifft auf viel Aufmerksamkeit, aber auch Skepsis – vor allem in Berlin.

Was bezweckt Tsipras mit seiner Reise?

Der Chef des Linksbündnisses Syriza sondiert die Lage. Er will testen, wie die Stimmung ist. Der griechische Premier ist ja ein Neuling. Er hat weder Regierungserfahrung, noch kennt er sich auf dem Brüsseler Parkett aus. Den meisten seiner europäischen Amtskollegen ist er noch nie begegnet. Tsipras muss sich deshalb jetzt erst einmal an sie herantasten. Auch wenn er und seine Minister daheim weiter auf die populistische Trommel hauen, dürfte Tsipras versuchen, bei seinen Gesprächen im Ausland Befürchtungen zu zerstreuen, dass es Griechenland zum Bruch mit der EU und den Geldgebern kommen lässt.

Allerdings hat die neue Athener Regierung in der ersten Woche nach ihrem Amtsantritt bereits viel kaputt gemacht. Griechenlands „einziges und ausschließliches Ziel“ sei, die Verhandlungen mit seinen Partnern in der EU erfolgreich abzuschließen, versicherte Tsipras nun am Montag bei seinem Besuch auf Zypern. Nikosia ist die erste Station des neuen linken Regierungschefs auf seiner Tour durch Europa. Es folgen Rom, Paris und Brüssel. Berlin ist dabei zunächst nicht eingeplant.

Warum besucht er gerade diese Orte?

In Zypern sowie Rom und Paris hofft er, Verbündete in seinem Kampf gegen den Sparkurs zu rekrutieren. Tsipras wirbt bei den Euro-Partnern für den Kurswechsel in Athen. Ihnen will er seine Vorstellungen nahebringen, wie Syriza das Land aus der Krise führen will. Leicht wird das allerdings nicht. Bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wird er noch Verständnis finden – der Luxemburger kritisierte schon in der Vergangenheit die strikten Sparvorgaben und forderte, die Krisenländer müssten Wachstumsimpulse bekommen. Er will Griechenland auch in Bezug auf die dort verhassten Troika-Visiten entgegenkommen.

Trotzdem wird Juncker kaum offen Partei für Tsipras ergreifen – erst recht nicht im Hinblick auf den Schuldenschnitt –, sondern ihn erneut auf die Verpflichtungen des seines Landes hinweisen. Auch andere Länder sind eher skeptisch. Dass Berlin nicht auf dem Reiseplan des griechischen Premiers steht, hat Gründe. Tsipras möchte möglichst eine Allianz der EU-Südstaaten schmieden, bevor er Bundeskanzlerin Merkel beim EU-Gipfel am 12. Februar erstmals persönlich begegnet. „Die Eurozone ohne Zypern und Griechenland würde eine Amputation des Südostens Europas bedeuten“, sagte Tsipras am Montag.

Die beiden EU-Staaten seien ein Stabilitätsfaktor im östlichen Mittelmeer trotz der aktuellen Finanzprobleme. „Jetzt wie nie zuvor“ brauche die Südostflanke Europas Stabilität, meinte Tsipras in Anspielung auf die schweren Krisen im östlichen Mittelmeer. Wenn man sich nur auf die Ökonomen stütze, laufe man Gefahr „Europa in eine Katastrophe zu führen“. Europa müsse „mutige Entscheidungen treffen und zu einer Wachstums-Agenda zurückkehren“, forderte Tsipras.

Finanzminister Yanis Varoufakis ist

in London und will bald nach Berlin

kommen. Gibt es eine gezielte

Arbeitsteilung mit Premier Tsipras?

Im Moment besteht die Arbeitsteilung vor allem darin, dass Tsipras versucht, die Partner zu besänftigen, während Varoufakis in den vergangenen Tagen stark polarisiert hat. Der griechische Finanzminister hatte den Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem am vergangenen Freitag öffentlich düpiert, indem er vor laufenden Kameras erklärte, zukünftig nicht mehr mit der Troika zusammenarbeiten zu wollen. Vielmehr bereitet Athen ein eigenes Spar- und Reformprogramm vor.

Das stand zwar so auch schon im Wahlprogramm von Syriza, doch auf internationaler Bühne ausgesprochen, wurde es von vielen Beobachtern als undiplomatisch und wenig zielführend eingeordnet. Das Echo fiel kritisch aus, die Finanzmärkte gerieten in Unruhe. Die Bundesregierung etwa will an der Troika zur Kontrolle der Hilfsprogramme für angeschlagene Euroländer festhalten. Es gebe „keinen Anlass, von diesem bewährten Mechanismus abzuweichen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Montag. Es seien auch keine Anhaltspunkte bekannt, die EU-Kommission könne davon Abstand nehmen.

Immerhin: Jean-Claude Juncker ging später zumindest zum Teil auf die Anti-Troika-Forderung von Varoufakis ein (siehe Stück rechts). In Telefonaten mit Dijsselbloem, EZB-Chef Mario Draghi und EP-Präsident Martin Schulz versuchte Tsipras noch am Freitagabend, die Aufregung wieder zu dämpfen. Am Montag erholte sich der Athener Aktienmarkt dann auch sichtlich.

Varoufakis machte am Montag Station in London, wo ihn sein britischer Amtskollege George Osborne empfing. Dieser warnte im Anschluss an das Gespräch, das Zerwürfnis zwischen Griechenland und den EU-Partnern wäre „das größte Risiko für die Weltwirtschaft“. Zur Arbeitsteilung zwischen Tsipras und Varoufakis könnte gehören, dass der Finanzminister nun offenbar einen Besuch in Berlin plant, wo er auf seinen Gegenpart Wolfgang Schäuble trifft. Varoufakis ist der Mann für die Zahlen, Tsipras der für die Schulterschlüsse. Und Tsipras will vor dem EU-Gipfel im Februar auf keinen Fall selbst nach Deutschland kommen. Das könnte für seine Anhänger so aussehen, als krieche er vor Merkel zu Kreuze.

Wann muss Athen welche finanziellen

Verpflichtungen bedienen?

Im Februar muss der griechische Finanzminister für die Refinanzierung fälliger Anleihen und Geldmarktpapiere sowie für Zinsen 4,36 Milliarden Euro aufbringen, im März sogar 7,27 Milliarden. Das Problem: Die Steuereinnahmen für diese beiden Monate sind im Haushaltsplan nur bei 6,4 Milliarden angesetzt – und selbst das ist eine optimistische Annahme, denn immer mehr Griechen bleiben jetzt ihre Steuern schuldig, nicht zuletzt in der Hoffnung auf Steuersenkungen und Schuldenerlass, die Tsipras versprochen hat.

Schon im März könnte es also eng werden für den Finanzminister. Kritisch wird die Lage aber spätestens im Sommer. Denn im Juli und August werden Schuldpapiere, bilaterale Darlehen und Zinsen in Höhe von 8,8 Milliarden Euro fällig. Ohne neue Hilfskredite dürfte es unmöglich sein, diese Gelder aufzutreiben.

Was will Athen den Geldgebern anbieten?

Der neue Finanzminister Varoufakis lehnt weitere Darlehen ab. Er weiß, dass es die nur gegen Auflagen geben kann. Griechenland sei schon viel zu hoch verschuldet, die Gläubiger hätten bereits viel zu viel Geld in das „schwarze Loch“ geworfen, argumentiert er. Zwar versichert er, Griechenland werde seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen – aber wie, sagt er nicht. Er könnte versuchen, weitere Geldmarktpapiere zu begeben. Aber die griechischen Banken – die einzigen Abnehmer dieser Drei- und Sechsmonatspapiere – dürften kaum über genug Liquidität verfügen, um dem Staat das benötigte Geld zu leihen. Spekuliert wird auch, Varoufakis könnte nach jenen zehn Milliarden Euro greifen, die noch im Topf für die griechische Bankensanierung sind. Aber eine Umwidmung der Gelder müsste vom Euro-Rettungsfonds ESM gebilligt werden. Auch müssten einige Parlamente der Geberländer zustimmen.

Was hält Deutschland von den Plänen?

Die Deutschen halten sich mit Kommentaren zurück. Wann Tsipras’ Finanzminister Yanis Varoufakis nach Berlin kommt, blieb am Montag noch offen. Er selbst ließ ausrichten, er würde gern kommen. Schäuble sagte, Varoufakis sei willkommen. Einen genauen Termin gebe es aber noch nicht. Auch die bisherigen Aussagen, Angebote und Forderungen seitens Athen will man dort offiziell nicht kommentieren. Es wird nur betont, dass man im ständigen Austausch mit Brüssel stünde. Dort wird Premierminister Tsipras in den kommenden Tagen erwartet.

Was sagt der US-Präsident zu all dem?

Von Barack Obama erhielt die griechische Regierung überraschend Rückhalt. „Man kann Länder, die mitten in einer Depression sind, nicht immer weiter ausquetschen. An einem bestimmten Punkt muss es eine Wachstumsstrategie geben, damit sie ihre Schulden zurückzahlen und einen Teil ihres Defizits ausgleichen können“, sagte er in einem CNN-Interview.

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