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Der Wahlsieger als Zeichnung. Die Griechen schenken Alexis Tsipras weiter und wieder ihr Vertrauen.

© Reuters

Griechenland: Alexis Tsipras ist nach der Wahl stärker denn je

Seiner Kritiker hat sich Alexis Tsipras entledigt, das griechische Volk weiß er hinter sich. Doch trotz großer Worte des Premiers über "die Sonne der Hoffnung" für sein Land ist die Zukunft Griechenlands keineswegs gesichert.

Als am Sonntagabend in den griechischen Wahllokalen etwa die Hälfte der Stimmen ausgezählt war und feststand, dass die Linkspartei Syriza die Abstimmung viel klarer gewonnen hatte, als von den Meinungsforschern vorhergesehen, ließ sich Alexis Tsipras zum Athener Klathmonos-Platz fahren. Dort befand sich die Syriza-Wahlkampfzentrale. Unter dem frenetischen Jubel seiner fahnenschwenkenden Anhänger steigt Tsipras aufs Podium. „Dies ist der große Sieg des Volkes“, ruft er. „In ganz Europa sind die Griechen jetzt gleichbedeutend mit dem Kampf um Würde“, sagt Tsipras. Und dann, in einer fast lyrischen Anwandlung: „Wir heben die Sonne der Hoffnung über unser Griechenland“.

Während Tsipras den Jubel seiner Fans entgegennimmt, bahnt sich unten schwitzend ein korpulenter Mann mit Hilfe seiner Bodyguards einen Weg durch die Menge: Panos Kammenos, der Chef der Unabhängigen Griechen (Anel). Er hat noch mehr Grund als Tsipras, sich zu freuen: Entgegen vielen Prognosen schaffte seine Partei doch wieder den Sprung ins Parlament. Wäre Kammenos an der Dreiprozenthürde gescheitert, hätte das für ihn das politische Aus bedeutet. So aber ist er, wenn auch nur mit einem Zehntel der Syriza-Stimmen, nun erneut der Königsmacher. Kammenos erklimmt das Podium, er und Tsipras fallen sich in die Arme. Damit ist die Neuauflage der Koalition des Linksbündnisses Syriza mit den Rechtspoplisten besiegelt. So formlos geht das in Griechenland.

Neben dem einen Kopf größeren, massigen Kammenos wirkt Tsipras auf der Bühne fast ein wenig verloren. Aber in der Koalition wird er auch künftig, wie bisher, den Ton angeben. Nach dieser Wahl ist Tsipras mehr denn je der unbestrittene Hauptdarsteller auf der politischen Bühne des Lands. Der linksextreme Syriza-Flügel hat die Amputation von der Partei nicht überlebt. Seiner schärfsten Kritiker hat sich Tsipras damit entledigt. Der konservative Oppositionschef Vangelis Meimarakis hat einen politisch wertlosen Achtungserfolg erzielt, mehr nicht. Und Tsipras‘ Lieblingspartner Kammenos ist wieder im Parlament. Sein Schicksal wird jetzt mehr denn je von seinem Wohlverhalten in der künftigen Koalition abhängen. Kammenos ist zwar immer gut für nationalistische Eskapaden und diplomatische Ausrutscher, aber Widerworte hat Tsipras von ihm nicht zu erwarten.

Tsipras und Kammenos verbindet ihr Populismus

Das Bündnis der Linksradikalen mit den Rechten sorgte schon bei der ersten Auflage dieser Koalition im Januar in Europa für viel Kopfschütteln. Tatsächlich gibt es zwischen beiden Parteien erhebliche ideologische Differenzen, nicht zuletzt in der Migrationspolitik. Was Tsipras und Kammenos aber verbindet, ist der Populismus. Beide schlagen nationale Töne an und versprechen, dem durch die Geldgeber gedemütigten griechischen Volk seine Würde zurückzugeben.

Nach am Montagabend soll Tsipras erneut als Premier vereidigt werden, bereits am Dienstag könnte die neue Regierung ihre Amtsgeschäfte aufnehmen. Das Kabinett werde ähnlich aussehen wie in der vorangegangenen Legislaturperiode, heißt es in Syriza-Kreisen. Der Stuhl des Verteidigungsministers dürfte für den Anel-Chef Kammenos reserviert sein. Auch Außenminister Nikos Kotzias gilt als gesetzt. Ihre Büros als Staatsminister in der Villa Maximos, dem Amtssitz des Premiers, dürften auch dessen Jugendfreund und enger Berater Nikos Pappas sowie sein väterlicher Mentor Alekos Flambouraris behalten – trotz einer kurz vor der Wahl hochgekommenen Affäre, bei der es um öffentliche Aufträge für Flambouraris frühere Baufirma geht.

Noch offen ist, wie die Posten in den Ministerien für Wirtschaft und Finanzen verteilt werden. Das werden auch in der neuen Regierung die wichtige Schaltstellen für die weiteren Verhandlungen mit den Geldgebern sein. Tsipras erwäge, ein neues Ministerium zu schaffen, dessen Ressortchef als Koordinator für die Kontakte mit den Gläubigerinstitutionen fungieren soll. Die Geldgeber erwarten jetzt, dass die neue Regierung die Reform- und Sparauflagen des dritten Rettungspakets zügig umsetzt. Tsipras will seinerseits das Thema Schuldenerleichterungen nun so schnell wie möglich auf die Tagesordnung bringen.

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