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Noch Oppositionsführer Alexis Tsipras.

© AFP

Griechenland: Die Krise kehrt zurück

Griechenland schien schon gerettet. Doch mit Präsidentenwahl könnte es für das Land wieder bergabgehen. Die ersten sprechen schon von "irreparablen Schäden".

Der konservative Ministerpräsident Antonis Samaras fürchtet eine „Katastrophe“, der Athener Zentralbankchef Giannis Stournaras warnt vor „irreparablen Schäden für die Wirtschaft“, und Vize-Premier Evangelos Venizelos sagt: „Alles hängt am seidenen Faden.“ Nur Alexis Tsipras, der Oppositionsführer und Chef der radikal-linken Partei Syriza, sieht es alles anders: Die Griechen hätten allen Grund, sich auf ein „gutes neues Jahr“ zu freuen. Denn schon in wenigen Wochen werde seine Partei die Regierung in Athen stellen. Und dann, so Tsipras, werde alles besser. Noch nie war der 40-jährige , der seine politische Karriere als Schulbesetzer und Studentenfunktionär der stalinistischen griechischen KP begann, der Macht so nah wie jetzt. Tsipras will es wissen.

Am Mittwoch beginnt im Athener Parlament die wahrscheinliche langwierige Prozedur zur Wahl eines neuen Staatspräsidenten. Sie dürfte das Land bis Ende Dezember beschäftigen – und womöglich weit darüber hinaus. Denn erreicht kein Kandidat die erforderliche Mehrheit, muss die Volksvertretung aufgelöst und eine Neuwahl angesetzt werden. Wahrscheinlicher Gewinner wäre Tsipras, dessen Partei in allen Meinungsumfragen führt. Er will die Kreditverträge mit der EU aufkündigen, den Sparkurs beenden, Privatisierungen rückgängig machen und auch die meisten anderen Reformen zurückdrehen.

Damit wird die Präsidentenwahl zum Schicksalsvotum. Alles, wofür die Griechen in den vergangenen fünf Jahren große Opfer gebracht haben, steht nun wieder auf dem Spiel. Bekommt Tsipras Gelegenheit, seine Pläne umzusetzen, würde sich Griechenland wohl aus der Euro-Zone katapultieren. Auf einmal droht wieder die Staatspleite. Ganz unerwartet kommt die Krise allerdings nicht. Samaras ist an ihr nicht unschuldig. Mit seiner überhasteten Ankündigung, Griechenland werde zum Jahresende die Troika vor die Tür setzen, das Hilfsprogramm beenden und sich wieder am Markt refinanzieren, jagte Samaras den Anlegern einen Schrecken ein.

Mehrere Wahlgänge sind wahrscheinlich

Die Risikozuschläge für griechische Staatsanleihen schossen nach oben, die Athener Börse verzeichnete den steilsten Absturz seit fast 30 Jahren. Jetzt geht der Premier in die Offensive: Mit der Vorverlegung der eigentlich erst im Februar fälligen Präsidentenwahl und der Nominierung des liberalen Alt-Politikers Stavros Dimas will Samaras für klare politische Verhältnisse sorgen. „Wir werden die Wolken am politischen Firmament vertreiben“, sagt der Premier.

Dass bereits im ersten Wahlgang ein neuer Präsident gewählt wird, ist unwahrscheinlich, denn da braucht Dimas mindestens 200 der 300 Stimmen. Auch im zweiten Durchgang am 23. Dezember ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Erst im dritten Anlauf am 29. Dezember reichen 180 Stimmen. Die Regierung verfügt über 155 Mandate. Samaras muss für seinen Kandidaten also mindestens 25 Ja-Stimmen aus den Reihen der Unabhängigen und kleinerer Oppositionsparteien mobilisieren. Eine völlig unrealistische Hoffnung ist das nicht, denn viele unabhängige Abgeordnete und Parlamentarier kleiner Parteien müssen fürchten, bei Neuwahlen ihre Mandate zu verlieren. Auch objektiv spricht wenig für vorgezogene Wahlen. Sie würden das Land über Monate lähmen.

Dabei ist ist Griechenland gerade dabei, sich wirtschaftlich zu berappeln. Im zweiten Quartal verzeichnete das Land das höchste Wachstum aller EU-Staaten. Auch beim Beschäftigungszuwachs liegt Griechenland an der Spitze. Und beim Haushaltsdefizit steht das Land viel besser da als Italien, Spanien, Portugal, Irland oder Frankreich. Vor diesem Hintergrund ist auch ein Großteil der Bevölkerung nicht von Neuwahlen überzeugt. Eine am vergangenen Wochenende veröffentlichte Meinungsumfrage zeigt: Fast 58 Prozent sind gegen Neuwahlen zu diesem Zeitpunkt. Dahinter steht die Angst, dass alle Entbehrungen, die man in den vergangenen Jahren auf sich genommen hat, umsonst sein könnten. Immerhin glauben 59 Prozent der Griechen, dass die Gefahr noch nicht vorüber ist. Dass Griechenland eben doch noch aus der Eurozone ausscheiden könnte. Das könnte den Erfolg von Tsipras und seiner radikal-linken Partei doch noch verhindern.

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