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Warten auf bessere Zeiten. Jobsucher harren vor einem Arbeitsamt im Athener Vorort Kalithea aus.

© Reuters

Griechenland-Hilfe: Das falsche Wahlkampfthema

Finanzminister Wolfgang Schäuble provoziert mit seiner Ankündigung weiterer Hilfen für Griechenland Unruhe im eigenen Lager. Die Koalition fürchtet, dass ihr nun die Wähler abhanden kommen.

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Bereitet Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein drittes Hilfsprogramm für Griechenland oder gar einen Schuldenschnitt vor? Seit ihr Finanzminister Anfang der Woche bei einem Wahlkampfauftritt von der Möglichkeit eines dritten Hilfspaketes gesprochen hat, streiten die Parteien darüber. Während Oppositionspolitiker Merkel und Wolfgang Schäuble (CDU) vorwerfen, sie versuchten die Wähler über die wahren Absichten zu täuschen, nimmt der Druck aus den eigenen Reihen zu, Griechenland nicht das Gefühl zu geben, man werde auf jeden Fall und unter allen Bedingungen ein Hilfspaket schnüren.

Von der „ganz großen Lüge“ hat dieser Tage auch SPD-Altkanzler Gerhard Schröder gesprochen. Am Donnerstag konterte Schäuble direkt: „Die Bürger sollen wissen, dass es keine geheimen Pläne für die Zeit nach der Wahl gibt und dass wir keine Entscheidungen in Europa wegen einer Wahl in Deutschland verschieben“, sagte er der „Wirtschaftswoche“. Unterstellungen der Opposition seien gefährlich für die demokratische Kultur. Ende Februar 2012 hatte der Finanzminister den Abgeordneten des Bundestages im Zusammenhang mit dem zweiten Hilfspaket in einem Brief angekündigt, es sei „möglicherweise auch nicht das letzte Mal, dass sich der Deutsche Bundestag mit Finanzhilfen für Griechenland befassen muss“.

Seehofer und Döring sind nicht erfreut

Fakt ist: Union und FDP möchten im Wahlkampf darüber gar nicht reden. Nach dem Generalsekretär der FDP, Patrick Döring, bezeichnete es am Donnerstag auch CSU-Chef Horst Seehofer als „unglücklich“, dass Schäuble das dritte Hilfspaket überhaupt angesprochen hat. Beide argumentieren zwar, die frühzeitige Debatte über ein solches Paket lasse die Reformkräfte in Griechenland erlahmen. In Wahrheit jedoch fürchten die Politiker von Union und FDP eher eine Debatte unter den eigenen Anhängern.

Denn schon vor der Verabschiedung des zweiten Griechenlands-Paketes gab es Zweifel daran, dass das Geld aus Europa die Athener wieder auf eigene Füße stellen würde. Die Warnung vor dem „Fass ohne Boden“ machte die Runde. Eine Warnung, die sich nun als realistisch erwiesen hat und manchen Wähler von Union und FDP von der Wahl fernhalten könnte.

Auch bei den Sozialdemokraten kocht die Diskussion um ein drittes Hilfsprogramm hoch. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel stellte für seine Partei inzwischen klar, sie werde einem dritten Hilfspaket nur zustimmen, wenn damit die Auflage an Griechenland verbunden sei, dass die Lasten bei der Sanierung des Landes zwischen Arm und Reich fairer verteilt werden.

Was die Diskussion um einen zweiten griechischen Schuldenschnitt anbelangt, bei dem die Steuerzahler einspringen müssten, warf Gabriel der schwarz-gelben Regierung Wahlbetrug vor. Merkel, Schäuble und Seehofer sehen einen solchen Schuldenschnitt zwar nicht, aber die Debatte darum geht weiter. Auch die Sozialdemokraten hatten sich bereits gegen einen Schuldenschnitt ausgesprochen. Die Grünen jedoch bezeichnen ihn als „unumgänglich“.

Auch die Griechen selbst sind skeptisch

Die meisten Menschen in Griechenland sehen einem neuerlichen Hilfspaket mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie fürchten, dass es mit neuen Sparauflagen verbunden sein wird. Zwei Rettungspakete haben die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) bereits geschnürt. Sie sehen Hilfen von 237,3 Milliarden Euro vor. Die Rettungskredite bewahrten Griechenland zwar vor dem drohenden Staatsbankrott. Die damit verbundenen Sparauflagen ließen das Land aber wirtschaftlich abstürzen.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging seit Beginn der Krise 2009 um 21,5 Prozent zurück. Im ersten Halbjahr 2013 schrumpfte die Wirtschaftsleistung um weitere fünf Prozent. Für die Menschen schlägt sich die Rezession in ständig steigenden Arbeitslosenzahlen nieder.

Der größte Teil der Kredite diente dazu, alte Schulden zu refinanzieren und Zinsen zu bezahlen. Von den bis Mitte 2013 ausgezahlten Darlehen flossen rund 60 Milliarden in die Refinanzierung fälliger Anleihen. Weitere 40 Milliarden Euro wurden zwischen Mai 2010 und Juni 2013 für Zinsen benötigt. Diese Hilfsgelder flossen also gar nicht nach Griechenland, sondern direkt zu den Gläubigern, darunter die Europäische Zentralbank und nationale Notenbanken. Rund 35 von den Euro-Partnern und dem IWF geliehene Milliarden musste Griechenland im März 2012 in den ersten Schuldenschnitt stecken.

Die privaten Anleger verzichteten damals auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen. Für 31,5 Prozent bekamen sie neue Bonds mit Laufzeiten von elf bis 30 Jahren und für die verbleibenden 15 Prozent zweijährige Anleihen des Euro-Rettungsfonds EFSF. Im Dezember 2012 kaufte Griechenland einen Teil der neuen Anleihen zu Kursen von 30,2 bis 40,1 Prozent zurück. Dafür wurden Hilfsgelder von elf Milliarden Euro ausgegeben.

Von den bisher bewilligten 207 Hilfsmilliarden flossen nur 15 Milliarden in den Staatshaushalt. Doch auch von diesen Krediten kam nur ein kleiner Teil den Menschen zugute; sie ermöglichten es dem Staat, Leistungen wie die Arbeitslosenhilfe aufrechtzuerhalten. Ein Großteil des Geldes wurde benötigt, um Schulden bei Rüstungslieferanten zu begleichen.

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