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Griechenland

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Griechenland-Krise: Denn das Geld misst alles

Der Druck auf Griechenland wächst, seine europäischen Partner und den IWF um Hilfe zu bitten. Denn das Land findet nicht genug Investoren. Muss nun der EU-Notfallplan greifen?

Griechenlands Schuldenkrise nimmt dramatische Ausmaße an. Sie bedroht die Stabilität des Euro und den Zusammenhalt der Währungsunion. Verantwortung dafür tragen nicht nur die Griechen, sondern auch ihre europäischen Partner, die sich vor klaren Entscheidungen drücken. Die Risikoaufschläge auf griechische Staatsanleihen waren diese Woche mehrmals auf ein neues Rekordhoch geklettert. An den Märkten herrscht große Unsicherheit. Die Ratingagentur Fitch stufte die Kreditwürdigkeit Griechenlands am Freitagabend noch einmal um zwei Stufen herab. Mit der Note „BBB-“ steht das Land nun auf dem gleichen Bonitätsniveau wie etwa Kasachstan.

Warum reagieren die Märkte so massiv?

Ursache ist in erster Linie die marode Situation der griechischen Staatsfinanzen. Von Panik auf den Finanzmärkten zu sprechen, ist trotzdem übertrieben. Der Deutsche Aktienindex Dax rutschte am Donnerstag nur um 0,8 Prozent ab und stieg am Freitag wieder um fast ein Prozent.Auch an den anderen europäischen Börsen ging es nach oben. Bankaktien legten zum Teil sogar noch stärker zu, obwohl die Geldhäuser Griechenlandanleihen in zweistelliger Milliardenhöhe in ihren Büchern halten. Auch in Athen rutschten die Kurse nur leicht ab. Der Dax steht so hoch wie seit September 2008 nicht mehr, also seit der Zeit vor der Pleite der US-Bank Lehman Brothers. Seit Jahresanfang hat er um gut fünf Prozent zugelegt. Die Situation werde viel heißer diskutiert, als sie an den Märkten tatsächlich betrachtet werde, sagt Uwe Angenendt, Chefökonom der BHF-Bank. Beruhigen wird sich die Lage aber erst, wenn klar ist, wie Griechenland und die Eurozone die Probleme lösen können. Das allerdings kann sich bis 2011 hinziehen.

Muss Griechenland noch mehr sparen?

Premierminister Giorgos Papandreou ist mit den Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst, die in diesem Jahr für viele Beamte zwei Monatsgehälter oder mehr ausmachen, und den Steuererhöhungen bereits über das hinausgegangen, was die EU von den Griechen gefordert hatte. Und: Er geht mit dem Sparprogramm an die Grenze der Zumutbarkeit. Weitere Einschnitte könnten soziale Unruhen auslösen. Papandreou liefe auch Gefahr, die Konjunktur abzuwürgen, wenn er noch mehr Kaufkraft abschöpft und weitere staatliche Investitionen streicht. Ohnehin prognostizieren Volkswirte für 2010 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um zwei bis vier Prozent. Noch härtere Einsparungen würden das Land in eine gefährliche Rezession abstürzen lassen.

Was muss dann passieren?

Ende März haben Europas Staats- und Regierungschefs beschlossen, dass sich Griechenland notfalls auf Hilfen der EuroMitgliedstaaten und des IWF verlassen kann. Dieser Notfall tritt dann ein, wenn sich Athen auf den internationalen Finanzmärkten kein Geld mehr beschaffen kann. Die Geldbeschaffung an sich ist für die Griechen aber gar nicht das Problem – sehr wohl aber die hohen Zinsen, die sie für ihre Staatsanleihen zahlen müssen. Wegen der hohen Risikoaufschläge droht Griechenland langfristig, trotz aller Reformbemühungen, von der Schuldenlast erdrückt zu werden. Allerdings änderten auch die Rekordwerte bei den Risikoaufschlägen nichts an der Haltung der Athener Regierung, dass sie sich aus eigener Kraft aus dem Schuldensumpf ziehen will. Finanzminister Giorgos Papakonstantinou bekräftigte am Freitag, dass Griechenland den EU-Nothilfemechanismus nicht in Anspruch nehmen wolle.Nach Ansicht der Ökonomin Frédérique Cerisier von der Bank BNP Paribas ist es allerdings unklar, ob Griechenland es schafft, wie geplant bis Ende Mai rund zehn Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufzunehmen. Auch die Ratingagentur Fitch appellierte an Athen, den Notfallplan sofort zu nutzen.

Ist die Stabilität des Euro in Gefahr?

Die Gemeinschaftswährung leidet unter der Krise, auch wenn Griechenland für nicht einmal drei Prozent des Euroland- Sozialprodukts steht. Und sie muss die Folgen der politischen Uneinigkeit über die Reaktion der EU auf die Krise verkraften, ebenso wie die ungeklärten Details des Notfallplans. Doch die Talfahrt des Euro ist nicht so massiv, wie manche Beobachter behaupten. Am Jahresanfang stand er zwar noch bei rund 1,45 Dollar, aber seit Anfang März bewegt er sich zwischen 1,32 und 1,37 Dollar. Schwankungen auf diesem Niveau seien normal, betont Commerzbank-Chefvolkswirt Joerg Krämer. Seit Beginn der Währungsunion vor gut elf Jahren liegt der durchschnittliche Kurs bei 1,18 Dollar, rechnet BHF-Bank-Chefvolkswirt Angenendt vor. Die Abgesänge auf den Euro hält man in Frankfurt für weit übertrieben. Am Freitag legte der Eurokurs zeitweise wieder um ein Viertelprozent zu, auf fast 1,34 Dollar.

Droht eine Inflation?

Tatsächlich ist die Preissteigerungsrate im März in der Eurozone von 0,9 auf 1,5 Prozent gestiegen. Dafür war aber weniger Griechenland verantwortlich als der deutlich gestiegene Ölpreis. Allenfalls indirekt über den abgerutschten Eurokurs hat die Krise Folgen gezeigt. Denn Öl wird in Dollar bezahlt. Wird der Euro schwächer, wird es teurer. Kurzfristig aber ist von Inflation wenig zu sehen. Dafür ist die wirtschaftliche Entwicklung noch zu schwach. Die EZB sieht die Preisstabilität bei einer Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent gewahrt. Diese Marke dürfte weder 2010 noch 2011 erreicht werden.

Wie verhält sich die Bundesregierung?

Die Regierung gehe weiter davon aus, dass der Sparkurs in Athen zum Erfolg führen werde, sagte der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Michael Offer, am Freitag. Gleichzeitig ließ er keinen Zweifel daran, dass die Europäer notfalls auf ihren Rettungsplan zurückgreifen würden. Jedoch hatte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dafür eingesetzt, dass dieser für die Griechen alles andere als ein sanftes Ruhekissen wäre. Falls am Ende tatsächlich bilaterale Kredite der Eurostaaten fließen sollten, müsste Athen dafür die marktüblichen Zinsen zahlen. Die Zinssätze sollen „keine Subventionselemente“ enthalten, sagte Offer. Nach Angaben von Diplomaten einigten sich die Euroländer am Freitag in Brüssel auf Expertenebene auf die Zinshöhe. Als Spekulation bezeichnete Offer indes eine Berechnung der Citibank, dass die deutschen Steuerzahler schlimmstenfalls in diesem Jahr bis zu 5,4 Milliarden Euro für eine Rettungsaktion berappen müssten.

Wie reagiert man in Brüssel?

Der ständige EU-Ratspräsident, der Belgier Herman Van Rompuy, ist zuversichtlich, dass sich die Finanzminister der Eurogruppe bis Mitte des Monats über die letzten offenen Fragen des Notfallplans einigen. Unterdessen wachsen unter den Europaabgeordneten die Zweifel. Nach Ansicht des SPD-Abgeordneten Udo Bullmann entpuppt sich der Rettungsplan „immer mehr als Pyrrhussieg“ für Merkel. „Der Beschluss des Frühjahrsgipfels lädt die Spekulanten förmlich dazu ein, die Schmerzgrenze der Eurozone auszutesten.“ Auch der FDP-Abgeordnete Wolf Klinz ist überzeugt, dass die Staats- und Regierungschefs mit ihrer Reaktion auf die griechische Krise zu lange gewartet und dann obendrein keine überzeugende Antwort gegeben hätten. „Das spüren die Märkte.“

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