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EU-Ratschef Donald Tusk.

© dpa

Griechenland-Krise: EU-Ratschef Tusk drängt zu Schuldenerleichterungen

Bislang haben sich die europäischen Geldgeber auf den Standpunkt gestellt, dass Athen bestenfalls im Oktober eine Zusage über Schuldenerleichterungen erhalten soll. Aber jetzt drückt EU-Ratschef Donald Tusk aufs Tempo - und bringt damit Kanzlerin Angela Merkel in Bedrängnis.

Die Zeiten ändern sich – auch in Athen. Zumindest die Diskussion um die Entschuldung Griechenlands hat spätestens zu dem Zeitpunkt eine neue Wende genommen, als Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis am vergangenen Montag gemeinsam mit seiner Ehefrau Danae Stratou per Motorrad vor dem Finanzministerium davonbrauste. Noch im Juni hatte Varoufakis im Interview mit dem Tagesspiegel gefordert, dass die Summe von 27 Milliarden Euro, die Griechenland in den nächsten drei Jahren der Europäischen Zentralbank (EZB) schuldet, mithilfe des Euro-Krisenfonds ESM erst später bezahlt werden muss. Was sich technisch anhört, hätte der Links-Rechts-Regierung in Athen das Leben erheblich erleichtert, weil damit die unmittelbar anstehenden Zahlungsverpflichtungen weggefallen wären. Unter anderem muss Athen am 20. Juli 3,5 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen. Doch bei den Gläubigern – nicht zuletzt in Berlin – wollte man von einer Verlagerung der EZB-Rückzahlungsverpflichtungen in die Zukunft nichts wissen. Am vergangenen Mittwoch hat Varoufakis’ Nachfolger Euklid Tsakalotos im Athener Antrag auf künftige Hilfen aus dem Krisenfonds ESM nur noch verlangt, dass Griechenlands Schulden „langfristig“ tragbar sein sollten. Im Klartext: Die Forderung nach einer kurzfristigen Schuldenerleichterung ist auch in Athen vom Tisch.

Merkel: Ein "Haircut" kommt nicht in Frage

Dennoch geht die Diskussion darüber weiter, ob Griechenland Schuldenerleichterungen oder sogar einen echten Schuldenschnitt – im Fachjargon „Haircut“ genannt – erhalten soll. „Ein Haircut kommt nicht infrage“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag nach dem letzten Sondergipfel der Euro-Zone in Brüssel. In Sarajevo wiederholte sie den Satz am Donnerstag.
Allerdings kann Merkel bei dieser deutlichen Ansage nicht darauf vertrauen, dass sie vom Internationalen Währungsfonds (IWF) unterstützt wird. Am Mittwoch erklärte die IWF-Chefin Christine Lagarde in einer Rede vor dem Politikinstitut Brookings in Washington, dass Griechenland eine Umstrukturierung der Schulden benötige. Als eine Möglichkeit einer Schuldenumstrukturierung gelten längere Laufzeiten für die Hilfskredite der Europäer. Eine Empfehlung des IWF sieht vor, die Tilgung zu verschieben. Athen würde nach diesem Modell die letzte Rate der Hilfskredite nicht wie bisher geplant im Jahr 2054 zahlen, sondern erst 2075.
Als eine denkbare Variante im Schuldenstreit galt bisher, dass die Euro-Staaten am Ende des Sommers derartige Schuldenerleichterungen ins Auge fassen, falls die Verhandlungen mit Athen über ein drittes Hilfspaket dann abgeschlossen sein sollten. Entsprechend äußerte sich am Donnerstag auch ein Sprecher der EU-Kommission. Er sagte, dass eine Vereinbarung über Schuldenerleichterungen im Oktober getroffen werden könne, wenn Athen die übrigen Bedingungen im Zuge eines neuen Hilfspakets erfüllt habe. Mit anderen Worten: Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras soll erst Reformen liefern, bevor über längere Laufzeiten oder niedriger Zinsen bei den Hilfskrediten geredet werden kann.

Der IWF schließt einen echten Schuldenschnitt nicht aus

Eine derartige Umstrukturierung der Schulden würde noch nicht den von Merkel kategorisch ausgeschlossenen „Haircut“ bedeuten. Aber auch ein echter Schuldenschnitt wurde in einer Analyse des IWF von Ende Juni bereits ins Auge gefasst. Ein „Haircut“ könnte aus Sicht des IWF nötig werden, wenn das Athener Haushaltsziel beim Primärüberschuss, also dem Haushaltsplus unter Ausklammerung des Schuldendienstes, weiter abgesenkt wird. Dabei ist die IWF-Chefin Lagarde nicht die einzige, die Merkel indirekt zu mehr Nachgiebigkeit im Streit um Schuldenerleichterungen auffordert. Auch US-Finanzminister Jack Lew sagte, dass es in den nächsten Tagen vor einer möglichen Einigung mit Griechenland darum gehen werde, dass Hellas einerseits die verlangten Reformen glaubwürdig umsetze und andererseits die Europäer die Schulden Griechenlands so umstrukturierten, dass sie tragbar seien.

Geldautomaten können noch bis Montag gefüllt werden

Neben Lagarde und Lew verstärkte auch EU-Ratschef Donald Tusk den Chor derjenigen, die Athens Schulden für zu hoch halten. „Ein realistischer Vorschlag aus Athen muss an einen realistischen Vorschlag der Geldgeber zur Tragfähigkeit der Schulden geknüpft sein, um eine Win-win-Situation zu schaffen“, twitterte Tusk am Donnerstag. Damit weichte Tusk die bisherige Linie der Gläubiger auf, der zufolge erst im Herbst über Schuldenerleichterungen gesprochen werden kann. Tusk sprach sich dafür aus, dass die EU schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt Zusagen mit Blick auf spätere Schuldenerleichterungen machen soll. Athen schuldet den Geldgebern rund 320 Milliarden Euro, was etwa 180 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung entspricht.
Unterdessen richten sich im Griechenland-Drama alle Augen auf den kommenden Sonntag, wenn die Staats- und Regierungschef zunächst bei einem Euro-Gipfel und anschließend im Kreis aller 28 EU-Staaten über das Schicksal Hellas’ beraten. Dass Kanzlerin Merkel, der französische Staatschef François Hollande und Co. dabei unter großem Druck entscheiden müssen, wurde am Donnerstag angesichts einer Erklärung der Chefin des griechischen Bankenverbandes, Louka Katseli, deutlich. Katseli sagte, dass die Geldautomaten der griechischen Banken, deren Kunden maximal 60 Euro pro Tag abheben können, noch bis Montag gefüllt werden können.

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