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Regierungschef in der Kritik: Giorgos Papandreou.

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Update

Griechenland-Krise: Papandreou vor Rücktritt

Das Ende von Giorgos Papandreous als Ministerpräsident scheint besiegelt: Noch am Sonntag könnte das griechische Parlament tagen, um einer neuen Regierung das Vertrauen auszusprechen. Europa hält den Atem an angesichts des politischen Chaos in Athen.

In Athen laufen die letzten dramatischen Verhandlungen zur Bildung einer neuen Übergangsregierung. Das einzige, was Konservative und Sozialisten noch trenne, sei die Frage, ob Ministerpräsident Giorgos Papandreou vor oder nach einer Vereinbarung für das Programm und die Dauer der Amtszeit der Übergangsregierung zurücktreten solle, berichtete das staatliche Fernsehens NET. Wie Regierungsvertreter sagten, sei eine Vereinbarung „fast unter Dach und Fach“. Dies bestätigte auch ein Abgeordneter der konservativen Nea Dimokratia (ND).

Papandreou will zuerst sicherstellen, dass es zur Bildung der neuen Regierung kommt. Die Konservativen dagegen bestehen darauf, dass Papandreous zuerst zurücktritt. Erst danach sollten die Verhandlungen beginnen. Das Problem soll am Nachmittag bei einem Telefongespräch zwischen dem Sozialisten Giorgos Papandreou mit dem Chef der Konservativen Antonis Samaras geklärt werden. An den Gesprächen nehme auch Parlamentspräsident Filippos Petsalnikos teil, hieß es. Dieses Gespräch habe bisher aber nicht stattgefunden, berichten griechischen Medien übereinstimmend.

Regierungssprecher Ilias Mosialos sagte in Athen, es sei der Wunsch, „dass wir morgen einen neuen Ministerpräsidenten und eine Einigung für die Übergangsregierung haben“. Offizielle Quellen bestätigen bisher nicht, dass es Pläne für einen unmittelbar bevorstehenden Rücktritt Papandreous gibt. In Athen verdichten sich aber entsprechende Gerüchte. Es soll bereits eine grundsätzliche Einigung zwischen den beiden großen griechischen Parteien, den Sozialisten und den Konservativen geben, eine Übergangsregierung zu bilden, um einen Bankrott Griechenlands abzuwenden. Sogar die Namen möglicher Ministerpräsidenten machten in Athen bereits die Runde. Am Nachmittag werde das griechische Kabinett zusammenkommen, um zurückzutreten, hieß es. Danach soll möglicherweise das griechische Parlament tagen, um einer neuen Regierung das Vertrauen auszusprechen.

Am Sonntagmittag trafen sich Griechenlands Staatspräsident Karolos Papoulias und der Chef der größten Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND), Antonis Samaras, zu einem entscheidenden Gespräch. Samaras rückte dabei nicht von seiner Forderung nach einem Rücktritt von Regierungschef Giorgos Papandreou ab. Papandreou werde abtreten, sobald es eine Vereinbarung über eine Koalitionsregierung gebe, sagte Telemachos Hitiris, Mitglied der regierenden Pasok-Partei, am Sonntag im griechischen Fernsehen. Darin müsse aber auch das Ziel, der Chef und die Dauer der Koalitionsregierung festgelegt sein. Dies könne noch am Sonntagabend geschehen. “Wir müssen noch heute zu einer Lösung kommen, ansonsten erleben wir morgen die Hölle“, warnte Hitiris. Der Koalitionsregierung müssten sowohl Politiker als auch Fachexperten angehören, fügte er hinzu. Neuwahlen sollte es geben, nachdem Griechenland die Forderungen der EU erfüllt habe. Dies werde im Januar oder Februar der Fall sein.

Staatspräsident Papoulias wollte bei dem Treffen mit Oppositionsführer Samaras versuchen, die Kluft zwischen der konservativen ND und den regierenden Sozialisten mit Ministerpräsident Giorgos Papandreou zu überbrücken. Papandreou will eine Regierung der nationalen Einheit bilden. Samaras hatte eine Beteiligung daran bislang abgelehnt und stattdessen wiederholt einen Rücktritt Papandreous und Neuwahlen gefordert - Neuwahlen wiederum hat Papandreou bisher ausgeschlossen. „Ich verstehe die Herzensangst des griechischen Volkes. Jeder muss seine Verantwortung übernehmen“, sagte Samaras am Sonntag. „Wir müssen eine Nachricht der Stabilität und des Vertrauens ins Ausland und eine Nachricht der Stabilität und Normalität nach innen schicken.“

Staatspräsident Papoulias sagte: „Sie haben das gesagt, was ich auch sagen wollte.“ Das kurze Gespräch wurde vom griechischen Fernsehen übertragen. Regierungssprecher Ilias Mosialos sagte, es sei nicht auszuschließen, dass es eine Lösung „noch heute“ geben könnte. Die schnelle Bildung einer neuen Regierung ist für Griechenland außerordentlich wichtig. Solange das Land das neue Hilfsprogramm und die nötigen Gesetze nicht gebilligt hat, wird es kein Geld von den internationalen Geldgebern mehr bekommen und bald pleite sein - möglicherweise schon im Dezember.

Nach einem möglichen Rücktritt Papandreous würde nach Einschätzung von Verfassungsexperten Staatspräsident Papoulias die Sondierungen zur Bildung einer Übergangsregierung in die Hand nehmen. Er könnte dann eine Krisensitzung aller Parteivorsitzenden einberufen und auch einzelne Politiker mit der Regierungsbildung beauftragen. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) vermutete, es sei bereits eine Vereinbarung zur Bildung einer neuen Regierung seitens der „bürgerlichen Parteien“ getroffen worden.

Schon am Samstag hatte sich Staatspräsident Papoulias mit Ministerpräsident Papandreou getroffen. Trotz des positiven Vertrauensvotums in der Nacht zum Samstag erklärte Papandreou sich bereit, sein Amt abzugeben. In einer von der griechischen Wochenzeitung „Protothema“ veröffentlichte Umfrage haben sich unterdessen 52 Prozent der Befragten für die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit ausgesprochen. 36 Prozent plädierten für vorgezogene Neuwahlen. In einer weiteren Umfrage für die Zeitung "Ethnos" sprachen sich 45 Prozent für eine Einheitsregierung und 42 Prozent für Neuwahlen aus. In beiden Umfragen plädierte eine breite Mehrheit dafür, Griechenland solle den Euro als Währung behalten (78 beziehungsweise 81 Prozent).

Unterdessen wurde bekannt, dass sich der Reisekonzern Tui gegen eine mögliche Rückkehr des Landes zur Drachme absichern will. „Das ist auch im Sinn der Urlauber“, bestätigte Konzernsprecher Robin Zimmermann einen Bericht der „Bild-Zeitung“. Dem Blatt liegt ein Brief vor, in dem griechische Hoteliers aufgefordert werden, einen neuen Vertrag vor dem Hintergrund einer möglichen Währungsumstellung zu unterschreiben. „Alle Tui-Töchter müssen generell schauen, dass sie gegen Wechselkursschwankungen abgesichert sind“, erklärte Zimmermann.

Hintergrund des Briefes, der laut Zimmermann von den skandinavischen Tui-Töchtern stammt, ist die Befürchtung, dass Griechenland den Euro-Raum verlassen und die Drachme wieder einführen könnte. Ökonomen gehen davon aus, dass eine neue griechische Währung direkt nach der Einführung massiv an Wert verlieren könnte. Für diesen Fall will Tui Zahlungen an griechische Hotels absichern. „Wenn der Euro nicht mehr die Währung sein sollte ..., ist Tui berechtigt, die Geldsumme in der neuen Währung zu bezahlen. Der Wechselkurs richtet sich nach dem von der Regierung vorgegebenen Wechselkurs“ zitiert „Bild“ aus dem Schreiben. Der griechische Hotelierverband habe empört auf die Forderung des Reisekonzerns reagiert, schreibt das Blatt weiter.

Am Montag wird es auf europäischer Ebene mit Beratungen zur Eurokrise weitergehen: Nach drei Krisengipfeln für Griechenland und die Euro-Währung innerhalb von nur elf Tagen befassen sich die Finanzminister der 17 Euro-Staaten mit den Details der Rettungspläne. Bei einem Treffen am Montag in Brüssel geht es vor allem um die Erhöhung der Schlagkraft des Euro-Rettungsfonds EFSF auf etwa eine Billion Euro, sagten EU-Diplomaten. Außerdem soll über das „Kleingedruckte“ bei Kapitalspritzen für Banken in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro gesprochen werden - sofern diese Banken durch den Verzicht auf die Hälfte der Schulden Griechenlands geschwächt werden könnten.

(dpa, AFP,Reuters)

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