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Der griechische Premierminister Antonis Samaras war am Freitag zu Gast bei seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel im Kanzleramt.

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Update

Griechenland: Merkel sieht Licht am Ende des Tunnels

Bei seinem Besuch in Berlin präsentiert der griechische Regierungschef Antonis Samaras die Erfolge seiner Reformpolitik - da will sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht als Spielverderberin zeigen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht bei der Gesundung des angeschlagenen Euro-Partners Griechenland "Licht am Ende des Tunnels". Mit dieser Einschätzung pflichtete die Kanzlerin dem griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras bei, der am Freitag in Berlin zu Gast war. Samaras nutzte seinen Berlin-Besuch, um die Erfolge seiner Reformpolitik aufzuzählen: Die Zahl der Touristen steigt auf Rekordwerte, die Anleihezinsen sind wieder gesunken. Und im jährlichen "Doing Business"-Bericht der Industriestaaten-Organisation OECD, der das Geschäftsumfeld in den Mitgliedstaaten beleuchtet, rückt der Krisenstaat beständig nach oben. Nach „sehr schweren“ Jahren der Rezession werde es bald in Griechenland eine wirtschaftliche Erholung geben, sagte Samaras bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel im Kanzleramt. Im Haushaltsentwurf für 2014 geht die Regierung von Samaras von einem Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent aus.

Bei diesen Aussichten wollte sich auch Merkel nicht als Spielverderberin zeigen. Ihre Gespräche mit dem griechischen Ministerpräsidenten, der seit Juni 2012 im Amt ist, seien stets von dem Geist geprägt gewesen, "nicht immer nur das Schlechteste anzunehmen", sagte die Kanzlerin. Wenn es mit Blick auf Griechenland nun darum gehe, ob das Glas halb voll oder halb leer sei, dann müsse man auch "ein Stück Zutrauen" haben.

Dabei wird sich wohl auch die künftige Bundesregierung mehr oder minder intensiv mit dem Krisenstaat Griechenland beschäftigen müssen. Dass Athen ein drittes Hilfspaket oder zumindest Erleichterungen beim Schuldendienst benötigt, gilt als sehr wahrscheinlich. Während des Bundestagswahlkampfs hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angekündigt, dass Athen nach 2014 weiterhin Finanzhilfen der internationalen Geldgeber benötigen werde. Ende August hatte er erklärt, dass die Summe von elf Milliarden Euro, mit welcher der Internationale Währungsfonds (IWF) den zusätzlichen Athener Finanzbedarf bis 2016 beziffert hatte, „nicht unrealistisch“ sei.

Merkel erklärte, dass die Bundesregierung zu einem Beschluss der Euro-Finanzminister vom November 2012 stehe. Damals war festgelegt worden, dass Griechenland mit weiteren Hilfen beim Schuldenabbau rechnen kann - vorausgesetzt, dass Athen 2014 einen Primärüberschuss im Haushalt erreicht, also ein Plus ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen. Den geforderten Primärüberschuss wird Athen schon im laufenden Jahr abliefern, wie Samaras in Berlin nicht ohne Stolz erklärte. Eventuelle Beschlüsse über neue Griechenland-Hilfen stünden aber erst nach dem kommenden April auf der Tagesordnung, sagte Samaras. Erst dann stehe fest, wie groß der Primärüberschuss für das Jahr 2013 sei. Nach den gegenwärtigen Berechnungen der Regierung in Athen wird der Etat mindestens 812 Millionen Euro im Plus liegen.

"Griechenland ist kein Fass ohne Boden mehr", sagt auch Daniel Gros, der Direktor der Brüsseler Denkfabrik "Centre for European Policy Studies" (CEPS). Gros geht davon aus, dass Griechenland Ende 2014 eigentlich in der Lage sein dürfte, sich zu refinanzieren - wenn der Schuldendienst nicht wäre, der dem Land die Zahlung der Zinsen für die Milliardenkredite der internationalen Geldgeber abverlangt.

Eine neue Hilfszahlung wäre das dritte Rettungspaket für Athen seit 2010. Bislang hat Griechenland zwei Hilfspakete in Höhe von 110 Milliarden Euro und 130 Milliarden erhalten. Die Hilfsprogramme laufen Ende des kommenden Jahres aus. Zu Beginn dieser Woche hatte auch Schäuble der „Bild“-Zeitung gesagt, Mitte 2014 müsse bewertet werden, ob die EU-Staaten Athen nach Auslaufen des aktuellen Hilfsprogramms noch einmal unter die Arme greifen müssen.

Im kommenden Jahr könnten Proteste in Griechenland überkochen

Nach der Ansicht des Experten George Tzogopoulos vom Athener Thinktank Eliamep dürfte sich ein drittes Hilfspaket für Griechenland zu einem „explosiven Mix“ für die Regierung des Regierungschefs Samaras verwandeln. Da neue Hilfszahlungen auch neue Auflagen der Geldgeber zur Folge hätten, könnte die griechische Bevölkerung „noch aggressiver“ auf die Sparbeschlüsse reagieren als in der Vergangenheit, sagte Tzogopoulos dem Tagesspiegel. Er erinnerte daran, dass ab Anfang 2014 weitere Auswirkungen bereits beschlossener Einsparungen in der breiten Bevölkerung ankommen werden – darunter eine stärkere Heranziehung von Selbstständigen durch den Fiskus.

Nach den Worten von Tzogopoulos haben die Verhandlungen zwischen Samaras und den Geldgebern über ein drittes Hilfspaket bereits begonnen. Der griechische Finanzminister Yannis Stournaras möchte die absehbare Finanzlücke unter anderem über eine weitere Laufzeitverlängerung und Zinssenkungen der bereits vergebenen Hilfskredite schließen. Tzogopoulos glaubt allerdings nicht, dass ein drittes Hilfspaket ohne erneute Auflagen zu haben sein wird. Er geht davon aus, dass es bei den Gesprächen über weitere Finanzhilfen im kommenden Frühjahr ans Eingemachte gehen werde. Der Experte forderte, dass die Verhandlungen vor der Europawahl Ende Mai abgeschlossen werden müssten, „weil Europa wissen muss, wie die Finanzlücke geschlossen werden soll“. Ein frühzeitiger Abschluss der Gespräche birgt für die Regierung von Samaras allerdings das Risiko, dass sie bei der Europawahl abgestraft wird.

Getrübt werden die positiven wirtschaftlichen Entwicklungen in Griechenland durch die Tatsache, dass die Verhandlungen zwischen der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) einerseits und der griechischen Regierung andererseits über die Freigabe der nächsten Hilfstranche in Höhe von einer Milliarde Euro auch in der zurückliegenden Woche ohne Ergebnis geblieben sind. Die Gespräche, bei denen sich die Kreditgeber und die griechische Regierung gegenüberstehen, wurden am Donnerstag vorerst abgebrochen; Anfang Dezember sollen sie fortgesetzt werden. Umstritten ist dabei vor allem die Größe der Finanzlücke im griechischen Haushalt 2014. „Viele Finanzminister der Euro-Zone fangen an, die Geduld zu verlieren“, sagte Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem der griechischen Zeitung „Ta Nea“. Der Niederländer mahnte, dass Griechenland die Verpflichtungen gegenüber den Geldgebern einhalten, die Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen und verstärkt Auslandsinvestitionen ins Land holen müsse.

"Ich setze voll auf die griechische Regierung" erklärte Merkel am Freitag in Berlin mit Blick auf die Verhandlungen zwischen der Troika und Athen über die nächste Hilfstranche. Die Kanzlerin appellierte, die Gespräche vor dem 1. Januar 2014 abzuschließen, wenn Griechenland die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Samaras sagte angesichts der Verhandlungen mit der Troika, es werde keine Kürzungen bei Gehältern und Renten geben.

CDU-Europapolitiker Krichbaum beklagt mangelnde Diskussion

Der CDU-Europapolitiker Gunther Krichbaum kritisierte unterdessen mit Blick auf die Griechenland-Rettung die Entscheidung des Bundestages, wonach das gesamte Alltagsgeschäft des Parlaments provisorisch bis zur Regierungsbildung in einem Hauptausschuss bewältigt werden soll. Diese Lösung sei „nicht der Weisheit letzter Schluss“, sagte Krichbaum dem Tagesspiegel. Details wie der künftige Finanzbedarf Athens könnten in der nötigen Tiefe nur in Fachausschüssen wie dem Europaausschuss beraten werden, sagte der CDU-Politiker.

Bevor Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Mittwoch die Bildung eines provisorischen Hauptausschusses bekannt gab, hatte er dafür plädiert, die laut Grundgesetz vorgeschriebenen Ausschüsse schon vor der Regierungsbildung einzusetzen. Zu diesen Ausschüssen zählt auch der Europaausschuss.

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