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Gedenken in Distomo. 218 Zivilisten starben hier 1944 bei einem Massaker der Wehrmacht.

© REUTERS

Griechenland-Reise: Gauck zu Besuch bei fremden Freunden

Bundespräsident Gauck reist nach Griechenland. Er könnte helfen, die Beziehungen zu entkrampfen - zumal er mit dem Besuch in Ligiades, wo die Wehrmacht ein Massaker verübte, ein versöhnliches Zeichen setzt.

An diesem Mittwochabend trifft Bundespräsident Joachim Gauck zu einem zweitägigen Staatsbesuch in Griechenland ein. Die Visite ist alles andere als Routine. Gauck wird in Griechenland nicht nur mit dem dunklen Kapitel der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg konfrontiert. Auch aktuell sind die Beziehungen beider Völker nicht gerade harmonisch.

Es heißt, der Bundespräsident habe mit seiner Reise nach Griechenland lange gezögert. Das war bei Johannes Rau anders, der im April 2000 Griechenland besuchte. Damals waren Deutsche und Griechen, trotz der Altlasten der Kriegsjahre, richtig gute Freunde. Noch 2005 äußerten in einer Umfrage acht von zehn befragten Griechen eine „gute Meinung“ über Deutschland. Damit waren die Deutschen damals die beliebtesten Ausländer überhaupt. Dann kam die Schuldenkrise. Sie hat einen Keil zwischen beide Völker getrieben. Der Euro sollte einen, doch Griechen und Deutsche hat er gespalten. Heute denken sieben von zehn Griechen negativ über Deutschland. Jeder vierte sieht in Deutschland sogar eine Bedrohung.

Das ist die Stimmung, auf die Gauck in Griechenland trifft. Aus griechischer Sicht gibt es zwei Sorten von deutschen Politikern: Männer wie Johannes Rau, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher, Helmut Kohl und Gerhard Schröder. Das sind die „guten“ deutschen Politiker. Und dann gibt es da amtierende Politiker wie Angela Merkel, Wolfgang Schäuble oder Volker Kauder. Das sind die „bösen“ deutschen Politiker. Fast 85 Prozent der Griechen haben eine negative Meinung von der Kanzlerin, deren „Spardiktat“ sie für Armut und Arbeitslosigkeit verantwortlich machen.

Gauck rangiert irgendwo zwischen den Guten und den Bösen. Für die meisten Griechen ist er noch ein unbeschriebenes Blatt. Er könnte daher dazu beitragen, die verkorksten Beziehungen zu entkrampfen. Darin liegt die große Chance dieses Staatsbesuchs.

Die Stimmung in Griechenland hat sich beruhigt

Mit Protestkundgebungen, wie sie anlässlich des Besuchs der Bundeskanzlerin im Oktober 2012 in Athen stattfanden, muss Gauck nicht rechnen. Die Stimmung in Griechenland hat sich merklich beruhigt. Es gibt kaum noch Streiks und Demonstrationen. Trotzdem steht Gauck eine schwierige Reise bevor. Ein Besuch eines deutschen Präsidenten in Griechenland sei „ohne den Schatten der Nazi-Besatzung nicht vorstellbar“, schrieb die Athener Zeitung „Ta Nea“ am Dienstag. Diese Vergangenheit wird Gauck während seines Aufenthalts ständig begleiten, nicht nur beim Besuch in dem nordgriechischen Dorf Ligiades, dem Schauplatz eines Massakers der Wehrmacht. Erst vergangene Woche setzte das griechische Parlament einen Ausschuss ein, der Reparationsforderungen an Deutschland prüfen soll. Es geht nach griechischer Darstellung um 162 Milliarden Euro plus Zinsen. Das wäre mehr als die Hälfte der griechischen Staatsschulden.

Als Staatsoberhaupt wird Gauck dazu wenig sagen können. Aber er wird jenen Politiker treffen, dessen Partei das Reparationsthema besonders vorantreibt, Alexis Tsipras, den Vorsitzenden des radikal-linken Bündnisses Syriza, das in den meisten Meinungsumfragen stärkste Partei ist. Der Linkspopulist Tsipras versuchte sich bisher vor allem mit antideutscher Rhetorik zu profilieren. Interessant wird sein, wie er dem Bundespräsidenten begegnet.

Bei allem Bewusstsein für die Last der Geschichte möchte Joachim Gauck bei seinem Besuch Zeichen für die Zukunft setzen. Im Akropolis Museum wird er eine Rede zum Thema „Europa: Erbe und Zukunft“ halten. Der Bundespräsident wird griechische Unternehmer und Existenzgründer treffen, ein Gespräch mit Berufsschülern führen. Bei dieser Gelegenheit dürften auch die Pläne für ein deutsch-griechisches Jugendwerk zur Sprache kommen: Eine alte Idee, die schon beim Besuch von Johannes Rau in Griechenland vor 14 Jahren andiskutiert wurde. Umgesetzt wurde sie aber zunächst nicht.

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