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Im Zentrum der Kritik aus Athen: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

© dpa

Update

Griechenland: Wolfgang Schäuble nennt Vorwürfe aus Athen "Unsinn"

Zwischen Griechenland und Deutschland verschärft sich der Ton. Jetzt hat der griechische Botschafter offiziell beim Auswärtigen Amt in Berlin protestiert - und sich über Finanzminister Wolfgang Schäuble beschwert.

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Das griechische Schuldendrama vollzieht sich derzeit auf zwei Ebenen. Auf der Vorderbühne wird derzeit ein Stück aufgeführt, das von lautstarker Empörung geprägt ist. Vorerst letzter Akt dabei: Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis wirft der Bundesregierung vor, der neuen Regierung in Athen von Anfang an mit Misstrauen begegnet zu sein. Auf der Hinterbühne haben derweil die Verhandlungen über eine mögliche Auszahlung der von Griechenland dringend benötigten Hilfsmilliarden begonnen. Bislang haben sich die Gespräche zwischen der Ex-Troika und der griechischen Regierung als zäh gestaltet.

Wenn man die öffentlichen Äußerungen von Politikern aus Athen und Berlin zum Maßstab nimmt, dann gerät die Schuldenkrise immer mehr zum verbalen Hickhack zwischen Deutschland und Griechenland. So berichtete Varoufakis im griechischen Fernsehsender Mega von einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble (CDU). Dabei „sagte er mir, ich hätte das Vertrauen der deutschen Regierung verloren“, plauderte Varoufakis. Daraufhin habe Varoufakis dem deutschen Kassenwart geantwortet: „Ich hatte es nie, ich bin Mitglied einer Regierung der radikalen Linken.“

Schäuble weist Vorwurf aus Athen zurück

Um Schäuble ging es auch bei einem Beschwerde-Anruf des griechischen Botschafters in Berlin, Panos Kalogeropoulos, der am Dienstagabend beim Auswärtigen Amt seinen förmlichen Protest vorbrachte. Nach den Angaben eines Sprechers der griechischen Botschaft handelte es sich dabei um eine so genannte mündliche Démarche, die sich auf eine Äußerung Schäubles bei einer Presseunterrichtung am Dienstag am Rande eines EU-Finanzministertreffens in Brüssel bezogen habe. Griechische Medien hatten berichtet, dass Schäuble dabei die Kommunikation von Varoufakis als “dümmlich naiv“ bezeichnet habe. Schäuble wies dies am Donnerstag zurück. „Nein, ich habe meinen Amtskollegen nicht beleidigt, das ist doch Unsinn“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.

Tatsächlich hatte Schäuble in der Pressekonferenz in Brüssel am Dienstagabend von einem intensiven Gespräch mit Varoufakis am Vorabend berichtet und zu dessen Beschwerde über die Medien gesagt, dass er (Varoufakis) „nun plötzlich naiv in Sachen Kommunikation wäre, das ist mir ganz neu“. In Berlin erklärt man sich die ungewöhnlich heftige Reaktion der Griechen auf die Medienberichte mit einer gewissen Unerfahrenheit der noch jungen Athener Regierung. Denn der Austausch von offiziellen Protesten, Démarchen, zwischen EU-Ländern sei äußerst ungewöhnlich und eher im Umgang mit Ländern wie Saudi-Arabien bekannt. Zumal der Anlass dafür, so jedenfalls vermuten Regierungskreise in Berlin, einem Übersetzungsfehler griechischer Journalisten geschuldet sei, die aus dem Wort „plötzlich“ von Schäuble das Wort „dümmlich“ gemacht hätten.

Dass es um die Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland derzeit nicht zum besten steht, wurde am Donnerstag auch am Rande eines EU-Innenministertreffens in Brüssel deutlich. Nachdem Athen damit gedroht hatte, Zehntausende Flüchtlinge in andere EU-Staaten weiterzuschicken, wenn Europa Athen in der Schuldenfrage nicht entgegenkomme, erklärte Innenminister Thomas De Maizière (CDU): ,„Wenn es so wäre, dass Migrations- und Flüchtlingsthemen vermischt würden mit der Debatte um Finanzhilfen, dann wäre das sehr ungewöhnlich und würde von uns natürlich eine klare Antwort bekommen.“

Rätselraten um Griechenlands Finanzlage

Derweil geht das Rätselraten über die Finanzlage in Griechenland weiter. Auch die erste Gesprächsrunde zwischen den Vertretern der Geldgeber und der griechischen Regierung am Mittwoch in Brüssel habe keine Klarheit gebracht, hieß es in EU-Kreisen in Brüssel. Die „wesentlichen Gespräche“ zwischen den Vertretern der „Institutionen“ und der griechischen Seite begännen erst an diesem Donnerstag in Athen.

Ab Montag soll es um die Lage der Banken gehen

Am Donnerstagmorgen sind die Mitarbeiter der früher als Troika bezeichneten Geldgeber-Gruppe nach Athen abgeflogen. Bei den Gesprächen, die als Vorbedingung für eine mögliche Auszahlung weiterer Milliardenhilfen gelten, soll es ab heute zunächst um das Haushaltsloch in Griechenland gehen: Nach Angaben aus griechischen Regierungskreisen sind dem griechischen Fiskus im Januar eine Milliarde Euro und im Februar weitere 1,5 Milliarden Euro an Steuereinnahmen entgangen. Laut EU-Kreisen wollen sich die Mitarbeiter der Institutionen ab dem kommenden Montag einen Überblick über den Zustand der griechischen Banken und den Fortschritt bei den Strukturreformen – beispielsweise auf dem Energiesektor und dem Arbeitsmarkt – verschaffen.
Allerdings lässt der von den Geldgebern erwartete Kassensturz noch weiter auf sich warten. Die erste Hälfte der Gespräche zwischen der Ex-Troika und den Griechen sei am Mittwoch in Brüssel sehr zäh verlaufen und von ideologischen Debatten geprägt gewesen, hieß es in Brüssel. Erst danach habe sich die Stimmung gebessert. Faktisch sei allerdings noch nicht mit einer Klärung der Frage begonnen worden, wie dramatisch die Haushaltslage in Athen tatsächlich ist.

Kontrollen unter veränderten Vorzeichen

Die prekäre Finanzsituation in Griechenland hat die Regierung des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras zu einem Einlenken gegenüber der Ex-Troika bewogen. Nachdem das von Tsipras geführte Linksbündnis im Wahlkampf zunächst versprochen hatte, die Ära der Troika in Athen zu beenden, sollen die Kontrollen in der griechischen Hauptstadt – wenn auch unter leicht veränderten Vorzeichen – ab heute fortgesetzt werden. Künftig sollen nicht mehr die Missionschefs der Troika die Buchprüfung in Athen vornehmen, sondern nur noch deren Mitarbeiter.
Unklar blieb am Donnerstag zunächst, welche Kontrollbefugnisse die Mitarbeiter der "Institutionen" tatsächlich in Athen haben werden. Die Zeitung „Kathimerini“ berichtete, dass die Kontrolleure voraussichtlich den staatlichen Rechnungshof und einige Ministerien besuchen würden. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis erklärte hingegen, die Beamten würden sich in einem Hotel aufhalten, und man werde ihnen die benötigten Unterlagen dorthin bringen.

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