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Das Kabinett von Theresa May hat dem aktuellen Brexit-Entwurf zugestimmt.

© Henry Nicholls/REUTERS

Update

Großbritannien: Britisches Kabinett billigt Entwurf für Brexit-Abkommen

Premierministerin Theresa May gab Mittwochabend einen Erfolg beim Kabinettstreffen bekannt. Juncker und Barnier begrüßen die Zustimmung der Minister.

Das britische Kabinett hat nach Angaben von Premierministerin Theresa May den Entwurf für das Brexit-Abkommen mit der EU gebilligt. Das teilte Premierministerin Theresa May nach einer etwa fünfstündigen Sitzung mit ihren Ministern am Mittwochabend in London mit. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, vor allem mit Blick auf die umstrittene Irland-Frage. May sprach dennoch vom bestmöglichen Abkommen, das habe ausgehandelt werden können. Bald könne ein EU-Sondergipfel zum Brexit einberufen werden.

„Diese Entscheidung wurde nicht leichtfertig getroffen, aber ich glaube, es ist eine Entscheidung, die zutiefst im nationalen Interesse ist“, sagte May vor ihrem Regierungssitz. Vorausgegangen sei eine „lange, detaillierte und leidenschaftliche“ Debatte. Mit Blick auf das britische Parlament betonte die Regierungschefin: „Das ist ein Beschluss, der einer intensiven Prüfung unterzogen wird, und das ist genau, wie es sein sollte, und vollkommen verständlich.“

Sollten nun auch die Regierungschefs der 27 verbliebenen EU-Länder zustimmen, wäre der Weg frei für eine Abstimmung über das Abkommen im britischen Parlament. Dort formiert sich jedoch parteiübergreifender Widerstand gegen den Entwurf. Ob die Regierung eine Mehrheit erreichen kann, scheint zweifelhaft. Die EU hat den Text des Abkommens am Mittwoch veröffentlicht. Er ist hier einsehbar.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker schrieb am Abend in einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk, die Brexit-Verhandlungen seien fast am Ziel. Die EU-Kommission empfehle den EU-Staaten, auf Grundlage des entscheidenden Fortschritts die Verhandlungen abzuschließen.

Auch Außenminister Heiko Maas zeigte sich erfreut: "Das ist eine große Erleichterung. Nach Monaten der Ungewissheit haben wir jetzt endlich ein klares Signal von Großbritannien, wie der Austritt geordnet vonstatten gehen könnte. Dafür ist aber noch ein Weg zu gehen", hieß es in einer Pressemitteilung.

Barnier: Text verhindert "harte Grenze" mit Nordirland

EU-Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier hat die Zustimmung der britischen Regierung zum Entwurf für den Ausstiegsvertrag mit der EU als Meilenstein gewürdigt. Das Abkommen sei der entscheidende Schritt hin zu einer erfolgreichen Beendigung der Verhandlungen, sagte Barnier am Mittwochabend in Brüssel. "Wir haben einen großen Schritt auf einen geordneten Rückzug (Großbritanniens) gemacht", sagte Barnier. 

In den Brexit-Verhandlungen ist aus seiner Sicht das Ziel erreicht worden, eine "harte Grenze" mit wiedereingeführten Kontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und Irland zu verhindern. Ziel sei es zunächst, die Frage in einer Vereinbarung zu den künftigen Beziehungen während der geplanten Übergangsphase bis Ende 2020 nach dem Brexit abschließend zu klären. Reiche die Zeit nicht, könne die Übergangsphase verlängert werden, oder es greife eine Auffanglösung, in der das gesamte Vereinigte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleibe.

Die irische Grenze ist einer der größten Streitpunkte, was das Brexit-Abkommen betrifft, vor allem die Frage, wie künftig Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden sollen.

Die Europäische Union besteht auf einer Garantie, dass es keine Kontrollen auf der irischen Insel geben wird. Der sogenannte Backstop stößt aber auf heftigen Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Konservativer Partei und der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung im Parlament angewiesen ist.

Der nun getroffene Kompromiss sieht Berichten zufolge vor, dass Großbritannien im Notfall zunächst als Ganzes in der Europäischen Zollunion bleibt. Trotzdem scheinen für Nordirland einige weitergehende Bestimmungen vorgesehen zu sein.

Das dürfte vor allem die DUP auf die Barrikaden bringen, die sich gegen jegliche Sonderbehandlung Nordirlands sträubt. Zudem fordern die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei, dass der Backstop nur für eine begrenzte Zeit gelten dürfe. Beide drohen damit, das Abkommen durchfallen zu lassen.

Auch von anderer Seite droht May Ungemach. Die Brexit-Gegner im Parlament hoffen, eine Niederlage Mays könnte zu einem zweiten Brexit-Referendum und so zum Verbleib des Landes in der EU führen. Die Labour-Opposition rechnet sich Chancen auf eine Neuwahl aus.

Bei einer Fragestunde im Parlament vor der Kabinettssitzung hatte May das Abkommen verteidigt. Es sei ein „guter Deal“ für Großbritannien. Mays Parteifreund und Brexit-Hardliner Peter Bone warnte hingegen, sie werde „die Unterstützung vieler konservativer Abgeordneter und Millionen von Wählern verlieren“.

Sollte die angekündigte Einigung im Parlament in Westminster keine Mehrheit finden, droht ein Austritt ohne Abkommen - mit schweren Folgen für alle Lebensbereiche. Zuerst wäre es aber wohl das Ende der Regierung May.

Mehrere britische Medien spekulierten unterdessen unter Verweis auf Informationen aus Kreisen der Konservativen Partei über einen bevorstehenden Misstrauensantrag gegen May. Für einen solchen Antrag wären entsprechende Briefe von 48 Tory-Parlamentariern notwendig.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte Großbritannien energisch vor einem ungeordneten Brexit. Der EU-Austritt sei das größte Risiko für die britische Wirtschaft, wenn auch bei weitem nicht das einzige Problem. Auch die deutsche Wirtschaft warnte vor großen Risiken. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer, kommentierte: „Der Brexit wird zwar so oder so zu hohen Kosten für die Unternehmen führen, sei es wegen drohender Zölle oder zusätzlicher Brexit-Bürokratie. Ein ungeregelter Brexit wäre allerdings ein Desaster.“

Gerüchte um Misstrauensvotum

Mehrere britische Medien haben am Mittwoch jedoch unter Verweis auf Informationen aus Kreisen der Konservativen Partei über einen bevorstehenden Misstrauensantrag gegen Premierministerin Theresa May spekuliert. Die Gerüchte machten am Abend noch während der Kabinettsberatungen in London über den Entwurf eines Brexit-Abkommens die Runde. Für einen Misstrauensantrag wären entsprechende Briefe von 48 Tory-Parlamentariern notwendig.

Berichten zufolge wurde die ursprünglich auf drei Stunden angesetzte Kabinettssitzung zunächst auf bis zu fünf Stunden verlängert. Nach dem Treffen wolle May vor die Presse treten, hieß es zunächst.

Aus britischer Sicht geht es nicht nur um den Austritt aus der Europäischen Union, sondern auch um das Schicksal von Mays Regierung. Einige britische Minister sollen „große Vorbehalte“ gegen den Entwurf haben. Medien spekulierten über mögliche Rücktritte.

Für May könnte das gefährlich werden - vor allem, wenn wichtige Kabinettsmitglieder wie Handelsminister Liam Fox oder Brexit-Minister Dominic Raab abspringen sollten.

Umstritten an dem Entwurfsdokument dürfte vor allem die Passage zur Lösung der Irland-Frage in dem Entwurf sein. Dabei geht es darum, wie Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit verhindert werden können. (dpa, Reuters, AFP)

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