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Großbritannien: Foltervorwürfe gegen britische Geheimdienste

Mehrere ehemalige Guantanamo-Häftlinge wollen Kompensationszahlungen erstreiten. Die britische Regierung lässt die Foltervorwürfe gegen die Geheimdienste jetzt richterlich untersuchen.

London - Großbritanniens Premier David Cameron wird Foltervorwürfe gegen britische Geheimdienste richterlich untersuchen lassen. Eine offizielle Ankündigung werde demnächst erfolgen, bestätigte Camerons Sprecherin. Eine Folge könnte sein, dass bis zu einem Dutzend wegen Terrorverdacht vernommener Personen von der britischen Regierung Entschädigungszahlungen erhalten, was politische Kontroversen auslösen würde.

Camerons Entscheidung hat Menschenrechtsgruppen in ihrer Kritik bestärkt. Sie fordern neben der richterlichen Untersuchung auch die Veröffentlichung bestehender Richtlinien für die Vernehmung von Terrorverdächtigen durch Geheimdienste. Die bisherige Labourregierung hatte eine solche Veröffentlichung wie auch eine Untersuchung der Foltervorwürfe abgelehnt. „Damit würden wir unseren Feinden in die Hände spielen“, begründete dies der frühere Außenminister David Miliband. Labour argumentierte auch, die Zusammenarbeit der britischen und amerikanischen Geheimdienste stehe auf dem Spiel.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) bezeichnete es in einem neuen Bericht als „peinlich und möglicherweise illegal“, dass die Richtlinien nicht bekannt seien. HRW beschuldigt Großbritannien, Deutschland und Frankreich, bei der Terrorabwehr eine Politik zu verfolgen, die der Selbstverpflichtung dieser Länder zum Kampf gegen die Folter widerspricht.

Großbritanniens konservativer Außenminister William Hague leitete gleich nach seinem Amtsantritt Vorarbeiten für eine richterliche Untersuchung der Foltervorwürfe ein, die beide Koalitionsparteien bereits in der Opposition gefordert hatten. Cameron dürfte den amerikanischen Präsidenten Barack Obama darüber unterrichtet haben. „Dies ist ein frischer Wind. Die Koalition steht zu ihrem Versprechen, die Wahrheit herauszufinden“, sagte die Liberaldemokratin Baroness Sarah Ludford, Leiterin einer Untersuchung von Flügen, bei denen Terrorverdächtige zur Folterung in andere Rechtsgebiete überstellt wurden.

Bis zu 15 ehemalige Guantanamo- Häftlinge und andere Terrorverdächtige versuchen durch Zivilprozesse in Großbritannien Kompensationszahlungen zu erstreiten. Die richterliche Untersuchung, die ganz oder teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden dürfte, würde Schwierigkeiten bei der Vernehmung von Geheimagenten vermeiden. Bestätigen sich die Foltervorwürfe, könnte sich die Regierung mit den Betroffenen außergerichtlich auf eine Entschädigung einigen.

Bekanntester Fall ist der Äthiopier Binyam Mohammed, der 2002 in Pakistan von einem britischen Agenten verhört und gefoltert wurde. Scotland Yard hatte deshalb Ermittlungen geführt. Der Agent verhörte Mohammed den Gerichtsakten zufolge auch in Marokko. Mohammeds Anwälte hatten vor Gericht die Veröffentlichung von Dokumenten erzwungen, in denen amerikanische Agenten zugeben, dass Mohammed in Pakistan und Marokko gefoltert wurde. Der zweithöchste Richter Englands, Lord David Neuberger, hatte deshalb den britischen Geheimdiensten offen Komplizenschaft bei Folterungen vorgeworfen.

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