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Großbritannien: Gordon Brown lächelt wieder

Gordon Browns Popularität war komplett am Boden. Nun hilft die Wirtschaftskrise dem britischen Premier. Gibt es nun bald Neuwahlen?

Vor einem Monat noch lag Gordon Brown angeschlagen in den Seilen, und die Labourpartei sah sich nach einem neuen Führer um. Nun haben sich die Umfragewerte des britischen Regierungschefs so verbessert, dass wieder über den Termin der nächsten Unterhauswahl spekuliert wird.

Die Wirtschaft rutscht mit dramatischer Geschwindigkeit in die Rezession und registriert erstmals seit 16 Jahren Minuswachstum. Immobilienpreise brechen ein, Alterssparverträge haben 30 Prozent verloren, die Arbeitslosigkeit dürfte vor Weihnachten zwei Millionen erreichen. Doch seit die Krise tobt, können die Briten wieder ein entspanntes Lächeln im Gesicht ihres düsteren Premiers sehen. Die Krise hat Browns zuvor unklaren Kurs geschärft und definiert. Zu Hause und auf der internationalen Bühne hat er sich als entschlussstarker, erfahrener Krisenmanager profiliert. Dagegen halten 56 Prozent der Briten den jungen Tory-Chef David Cameron für zu unerfahren, das Land aus der Krise zu führen.

Die neueste, im „Independent“ veröffentlichte Umfrage zeigt, dass die Labourpartei ihren Rückstand zu den Tories seit Ende September halbieren konnte. Der Vorsprung der Konservativen war im September auf bis 22 Prozentpunkte angewachsen. Nun ist er auf acht Punkte geschrumpft. Labour liegt bei 31, die Tories kommen auf 39 Prozent. Wahlforschern zufolge würde es wegen des britischen Wahlsystems nicht einmal für eine klare Regierungsmehrheit der Konservativen reichen. Im September träumten sie noch von einem haushohen Sieg.

Brown machte Ende September die Wirtschaftskrise zum einzigen und einenden politischen Thema. Er schloss offiziell Burgfrieden mit dem Blair-Flügel und machte den früheren EU-Kommissars Peter Mandelson, seinen langjährigen Feind, zum Wirtschaftsminister. Brown gründete ein „Wirtschaftsnotkabinett“ und ließ andere, kontroverse Politikthemen von der Tagesordnung verschwinden.

Prominentestes Opfer war die umstrittene Verlängerung der Haftzeit für Terrorismusverdächtige auf 42 Tage vor Anklageerhebung. Brown peitschte das Gesetz im Frühjahr gegen erbitterten Widerstand seiner Partei durchs Unterhaus, um seine Führungskompetenz herauszustreichen. Nun verschwand es nach einer Abstimmungsniederlage im Oberhaus sang- und klanglos in der Versenkung.

Ähnliches könnte sich mit der heftig bekämpften dritten Landebahn für den Flughafen Heathrow wiederholen. Brown gilt als entschlossener Befürworter. Doch der Labourhinterbänkler John Grogan brachte nun den Antrag ein, die Entscheidung zu überdenken, und gab offen zu, dass er dazu von Kabinettsministern ermuntert wurde. Brown selbst äußerte sich am Mittwoch im Unterhaus zurückhaltend. Ein Rückzieher würde ein heißes Thema entschärfen, bei dem die Tories einen Vorsprung haben. Sie wollen statt der Landebahn eine moderne Zugverbindungen zwischen Nord- und Südengland bauen. Londons Tory-Bürgermeister Boris Johnson will den „Planungsfehler Heathrow“ durch einen Großflughafen auf einer Kunstinsel in der Themsemündung ersetzen.

Brown kann bis Ende Mai 2010 regieren. Doch da britische Regierungschefs den Wahltermin selbst bestimmen können, wird nun über eine Wahl im nächsten Frühjahr spekuliert. Entscheidend ist die Unterhaus-Nachwahl im schottischen Glenrothes am 6. November. Vor einem Monat noch galt der Sieg der schottischen Nationalisten als ausgemacht. Die Presse spekulierte, dass Brown eine solche Wahlblamage in unmittelbarer Nachbarschaft seines eigenen Wahlkreises nicht überleben würde. Doch nachdem die Royal Bank of Scotland nur mit Milliardenhilfe englischer Steuerzahler gerettet werden konnte, hat die schottische Unabhängigkeitsbewegung einen Dämpfer erlitten.

Brown hofft, Anfang 2009 sein Profil durch eine enge Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Präsidenten Obama weiter zu stärken. Labourhinterbänkler empfehlen ihm, wählen zu lassen, bevor die britische Lebensrealität voll von der Rezession geprägt wird. Browns Umgebung dementiert solche Spekulationen, auch Wirtschaftsverbände wie der Industrieverband EEF warnen: „Die Wirtschaft steuert in unerforschtes Terrain. Das Letzte, was wir brauchen, ist die Ablenkung und Instabilität eines Wahlkampfs.“

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