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Großbritannien: Wie zu Thatchers Zeiten

Die britische Regierungskoalition muss sich auf massiven Widerstand gegen ihren Sparkurs einstellen. Die Gewerkschaften machen mobil.

Nicht nur aus der oppositionellen Labourpartei, auch von Gewerkschaften und aus den eigenen Reihen werden die Sparziele kritisiert. Es sei „unethisch“, wie die Finanzmisere des Landes auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen werde, warnte der Liberaldemokrat Bob Russell. Er hatte Schatzkanzler George Osborne per Dringlichkeitsfrage ins Unterhaus zitieren lassen, als dieser im Sozialhaushalt nach den bereits geplanten elf Milliarden Pfund weitere vier Milliarden Pfund strich.

Während die Parlamentarier die „Attacke auf die Armen“ debattierten, stimmten Gewerkschafter bei ihrem Jahreskongress in Manchester für „koordinierte Protestaktionen“. Militante Gewerkschaftsführer wie Bob Crow, dessen Transportarbeitergewerkschaft RMT vergangene Woche die Londoner U-Bahn bestreikte, forderten einen Generalstreik und zivilen Ungehorsam, „wie Sitzstreiks auf der Autobahn“. Sogar der gemäßigte Chef des Gewerkschaftsverbandes TUC, Brendan Barber, fand kämpferische Töne. „Wir müssen Gemeinden und Wahlbezirke mobilisieren“. Er warnt vor den erbittertsten Protestauktionen seit den Krawallen gegen Margaret Thatchers Kopfsteuer 1990.

Osborne will das Haushaltsdefizit von fast zwölf Prozent des Nationaleinkommens mit einer Rosskur in den Griff bekommen. Labour plante eine Halbierung des Defizits in vier Jahren, Osborne will es in fünf Jahren unter drei Prozent bringen. Dafür will er in den nächsten vier Jahren 83 Milliarden Pfund sparen – in vielen Ressorts rund 25 Prozent. Die Koalition will die Sparoffensive mit radikalen Sozialreformen verbinden. Der Sozialhaushalt wuchs in den letzten zehn Jahren von 132 Milliarden auf fast 194 Milliarden Pfund und sei „nicht mehr bezahlbar“. „Nichtarbeiten darf keine Lebensoption mehr sein“, entschied Osborne. Offenbar will er den Bezug der Arbeitslosenunterstützung zeitlich begrenzen. Nach einem Bericht des Nationalen Statistikamtes gibt es in Großbritannien in fast vier Millionen Haushalten – in jedem fünften – niemanden, der arbeitet.

Gewerkschaften warnen vor einem wirtschaftlichen Kahlschlag. Die Rezession habe 1,4 Millionen Jobs im Privatsektor gekostet, nun wolle die Regierung noch 800 000 Jobs im öffentlichen Dienst streichen, rechnet der TUC vor.

Nächste Woche beginnt die Parteitagssaison Im Widerstand gegen den Sparkurs wollen Labour und die Gewerkschaften dann zusammenrücken. Die Chancen stehen nicht schlecht. Nach einer Umfrage der „Times“ unterstützen 77 Prozent der Briten die Gewerkschaften, die neue Konjunkturmaßnahmen fordern, oder die Labourpartei, die behutsamer sparen will. Nur 22 Prozent unterstützen den Kurs Osbornes.

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