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Die Kanzlerin im Kreis der Ministerpräsidenten (Scholz, Weil, Tillich, Sellering).

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Große Finanz- und Verwaltungsreform: Holprige Einigung - mit längerem Nachklapp

Finanzausgleich, Autobahnen, Steuerverwaltung: Bund und Länder verständigen sich nach heftigem Streit auf Grundgesetzänderungen. Doch nicht alles ist geklärt - und es herrscht weiter Unmut.

Es war tief in der Nacht, und die Kanzlerin verkündete die Einigung. Man sei zu einem „erfolgreichen Abschluss“ gekommen, sagte Angela Merkel nach der Runde mit den Ministerpräsidenten, in der es um den neuen Finanzausgleich ging und einige Grundgesetzänderungen ging, mit denen der Bund den Föderalismus flott machen will. Das war am 14. Oktober. Acht Wochen später war es wieder tief in der Nacht, nach null Uhr am Freitag. Merkel war etwas vorsichtiger: Man habe noch Details zu klären. „Aber im Grundsatz ist das heute ein Riesenschritt“, sagte sie. Die für den Morgen schon vorgesehene Verabschiedung der Gesetzentwürfe im Kabinett jedoch verschiebt sich, wohl bis mindestens nächste Woche. Eine endgültige Einigung schafften die Spitzen von Bund und Ländern wieder nicht. Und es geht nicht nur um Details, die nun zügig geklärt werden sollen. Denn das Paket ist groß und komplex - möglicherweise zu groß und zu komplex.

Bundesregierung und Ministerpräsidenten hatten sich über das Paket mit seinen insgesamt vierzehn Verfassungsänderungen zwischenzeitlich wieder heftig zerstritten. Die Ursache war aus Sicht der Ministerpräsidenten quer durch alle Parteien, dass der Bund in den Gesetzesformulierungen über die Vereinbarungen vom Oktober weit hinausgegangen sei. Insbesondere Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warfen die Länderchefs vor, die verabredeten größeren Weisungs- und Kontrollrechte des Bundes  etwa in der Steuerverwaltung und bei den Finanzprogrammen des Bundes für Länder und Kommunen so verschärft und zugespitzt zu haben, dass die bisherige „Staatsarchitektur“ ins Kippen geraten wäre, wie der Magdeburger Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) es formulierte. Zudem wollte der Bund das geplante gemeinsame Onlineportal für die Verwaltungen so gestalten, dass er bis hinunter in die kleinste Kommune hätte Vorschriften machen dürfen.

Schäuble muss nachgeben

Am Ende musste Schäuble hier teilweise zurückrudern – die Formulierungen in den Grundgesetzartikeln und auch für die Einzelgesetze wurden abgemildert. Die Ministerpräsidenten setzten sie eine stärkere Beteiligung des Bundesrats bei der von Schäuble (im Verein mit den Koalitionsfraktionen im Bundestag) gewünschten Bundesaufsicht über ihr Verwaltungshandeln durch. Begeistert sind sie dennoch nicht. Denn die Vereinbarungen laufen auf eine stärkere Zentralisierung im Bundesstaat hinaus, die auch der Landkreistag-Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke am Freitag konstatierte. Der Verfassungsjurist sieht eine „besorgniserregende Entwicklung“, die Einigung sei „zu Lasten der Länder zu teuer erkauft worden“. Der Bund könne künftig auf „ureigene Kompetenzen“ von Ländern und Kommunen, etwa im Bildungsbereich, Einfluss nehmen. Die Kommunen würden noch abhängiger von Bundeshilfen. Weniger dramatisch sieht es der Städtetag, denn die nun nach Artikel 104 des Grundgesetzes möglichen Finanzhilfen des Bundes „für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden“ für kommunale Bildungsinfrastruktur dürften vor allem in Städte fließen – weitgehend im Osten, in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Doch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kritisiert das und fordert, dass dann alle Länder solchen Hilfen zustimmen müssten und nicht nur zwei Drittel, wie jetzt vorgesehen ist. In Stuttgart fürchtet man zudem, dass der Bund die neue Möglichkeit trotz der Begrenzung auf Infrastrukturmaßnahmen nutzt, um sich in die Bildungspolitik der Länder einzumischen.

Symbolisches Bild? Saar-Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer und Kanzlerin Merkel.
Symbolisches Bild? Saar-Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer und Kanzlerin Merkel.

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Kretschmann und Weil opponieren

Das Modell der Ministerpräsidenten für den neuen Finanzausgleich, das eine höhere Bundesbeteiligung (zur Entlastung der starken Länder) vorsieht, wird zwar ab 2020 umgesetzt. Dafür wird aber die vom Bund geforderte „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ kommen – die Länder sind damit nicht mehr für das Planen, Bauen und Betreiben der Autobahnen auf ihrem Gebiet zuständig, die sie bisher im Auftrag des Bundes erledigten. Stattdessen wird es eine neue Bundesfernstraßenbehörde geben, die sich für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben auch einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft bedienen darf. Die Ministerpräsidenten setzten nur durch, dass die Bundesstraßen - auch die autobahnähnlichen - in ihrer Zuständigkeit bleiben (es sei denn, ein Land will sie an die neue Bundesverwaltung abtreten). Und der Übergang der Mitarbeiter, die der Bund nun von den Ländern übernehmen wird, soll möglichst sozialverträglich sein. Arbeitsort und Arbeitsplatz bleiben erhalten, was darauf hindeutet, dass Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die bisherige Struktur der Autobahnverwaltung zunächst praktisch unverändert übernimmt, nur eben eine Zentralbehörde darüber setzt. Vor allem Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hält jedoch nichts von dieser Neuorganisation der Fernstraßenverwaltung samt Bundesautobahngesellschaft. „Niedersachsen lehnt die in erheblichem Umfang vorgesehene Abschaffung der Bundesauftragsverwaltung bei den Bundesfernstraßen nach wie vor ab“, heißt es in einer Protokollerklärung zu den Vereinbarungen.

Mahnung aus der SPD-Fraktion

Wie die Bundesautobahngesellschaft organisiert wird, ob tatsächlich privatrechtlich (so die Vereinbarung vom 14. Oktober) oder öffentlich-rechtlich (wie es Teile der SPD-Fraktion fordern), das muss jetzt innerhalb der Koalition im Bund ausgefochten werden. Ebenso wird es noch um die Frage gehen, ob und wie weit der Betrieb von großen Teilen des Autobahnnetzes durch private Firmen möglich sein soll – diese öffentlich-privaten Partnerschaftsprojekte (ÖPP) testet Dobrindt bereits. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) scheint sogar bei den Schulbau-Hilfen des Bundes auf ÖPP zu setzen. Der Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz jedenfalls warnt schon davor und weist darauf hin, dass für Grundgesetzänderungen eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig ist. „Es dürfen auf keinen Fall Privatsierungen von Autobahnen oder Schulbauten ermöglicht werden“, sagte er am Freitag.

Völlig uneins sind die Regierungsspitzen von Bund und Ländern bei der Ausweitung des Unterhaltsvorschusses. Die hatte der Bund zusätzlich in das Paket eingebracht. Hier soll eine Arbeitsgruppe klären, wie der Wunsch von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) umgesetzt werden kann, die Beschränkungen beim Unterhaltsvorschuss aufzuheben und damit die Zahl der Fälle zu verdoppeln. Umstritten sind praktisch alle wesentlichen Fragen: Finanzierung, Zeitplan und die verwaltungstechnische Umsetzung, die vor allem die Kommunalverwaltungen betrifft.

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