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Kabinett

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Große Koalition: Auf den Ton kommt es an

Rente, Bahnreform, Pendlerpauschale: Beim ersten Treffen der Koalition seit langem sollen einige der Dauerkonfliktthemen abgeräumt werden.

Berlin - Das letzte Treffen liegt fast ein halbes Jahr zurück, wenn am Montagabend der Koalitionsausschuss im Kanzleramt zusammentrifft – die längste Pause seit Bestehen der großen Koalition, denn der eigentlich vorgesehene Termin am 6. März musste verschoben werden, wegen der Erkrankung von SPD-Chef Kurt Beck.

Als großen Verlust hat eigentlich niemand die ausgefallene Sitzung empfunden. Nicht anders als im März wird es heute darum gehen, wie die Koalition ihre Vorhaben abarbeitet, die längst vereinbart sind. Mit dem Ehrgeiz nimmt auch die Dramatik der Konflikte ab, deren Lösung der Sinn solcher Spitzentreffen ist: Bahn, Erbschaftssteuer, Mitarbeiterbeteiligung, Haushalt, Mindestlohn – bei diesen Sachthemen steht entweder die Einigung fest oder, dass der Abend im Kanzleramt nur weitere Schritte der Klärung festlegen wird.

Aber der Koalitionsausschuss ist ein Treffen der die Regierung tragenden Parteien. Jenseits der Sachfragen liefern deshalb auch andere Themen Stoff für solche Abende, mindestens im Hintergrund. Deutlich interessanter als die Frage nach der Bahnreform ist heute, ob Merkel oder Beck thematisieren, wie im nächsten Jahr der deutsche EU-Kommissar heißen wird. Oder ob Beck seine Aufforderung wiederholt, die CDU-Vorsitzende Merkel möge klarstellen, wie sie zu den jüngstenRenten-Ideen ihres Vizevorsitzenden Jürgen Rüttgers steht. Oder wie Merkel und Beck mit den Nöten ihres Amtskollegen von der CSU, Parteichef Erwin Huber, umgehen, der vor der bayerischen Landtagswahl bei Pendlerpauschale und Gesundheitsfonds mehr will, als Merkel recht ist. Und von Interesse wird natürlich sein, welchen Ton Merkel gegenüber Beck anschlägt, nach den Wochen des großen Ungemachs für den SPD-Chef.

Der größte sachliche Brocken für diesen Abend ist die Bahnreform. Nach dem Kompromiss, den die SPD nach langen Auseinandersetzungen vor einer Woche gefunden hat, gilt als sicher, dass die Koalition dem Modell der SPD folgen wird, diskutiert wird nur noch über Einzelheiten. 24,9 Prozent der Verkehrssparte sollen nach SPD-Vorschlag privatisiert werden, das Netz bleibt in Bundeshand. Eine kleine Lösung, zu der Merkel wie die Bahn dennoch schon Zustimmung signalisiert haben. Beide wissen, dass angesichts der Konfliktlage in der SPD nur eine schlechtere Alternative denkbar ist – das Scheitern der Bahnreform.

Ebenso wie die Bahnprivatisierung wird die Koalition das Thema Mitarbeiterbeteiligung abhaken. Eine Arbeitsgruppe von SPD und Union hat ihr Kompromisspaket in der letzten Woche vorgestellt. Mit steuerlichen Anreizen und Branchenfonds soll die Beteiligung von Arbeitnehmern an ihren Firmen angekurbelt werden. Für Union und SPD kommt damit ein Dauerthema endlich vom Fleck.

Möglich, aber nicht so sicher wie bei der Bahn, sind Fortschritte auch bei der Erbschaftssteuer. Auf die hatte sich die Koalition eigentlich schon verständigt. Aus der Union werden jedoch günstigere Steuerregelungen für Unternehmenserben verlangt.

Weit auseinander liegen die Koalitionsparteien nach wie vor beim Mindestlohn; mit Annäherungen ist kaum zu rechnen. Sowohl die Novellierung des Entsendegesetzes wie auch des Mindestarbeitsbedingungengesetzes sind zwischen Union und SPD umstritten. Die Union lehnt eine Untergrenze insbesondere für die Zeitarbeit ab, die SPD wird sie mit Nachdruck fordern – zumal im Vorfeld der 1.Mai-Kundgebungen, bei denen die Forderung nach Mindestlöhnen eine große Rolle spielen wird. Arbeitsminister Olaf Scholz, SPD, ist vor dem Koalitionstreffen auch noch in einem anderem Punkt unter Druck aus der Union geraten: Sein Etat sei der größte, er müsse einen Sparbeitrag in Milliardenhöhe bei den Haushaltsberatungen leisten.

Die nächste Steuerschätzung steht kurz bevor. Die Haushaltsgespräche sind schwieriger als alle vorhergegangenen der großen Koalition. Die Wogen sind koalitionsintern schon hochgeschlagen, als Bundesfinanzminister Peer Steinbrück vier Ressorts den Entzug ihres Budgetrechts angedroht hat – die zu Recht darauf verweisen konnten, dass ihre Finanzforderungen auf Beschlüssen der Koalition beruhen. Die SPD wird Forderungen der Union an das Arbeitsministerium nicht unwidersprochen lassen. Beschlüsse zum heiklen Thema Haushalt sind heute nicht zu erwarten – wohl aber gegenseitige Ermahnungen aller Art.

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