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Große Koalition: Duett statt Duell

Merkel und Steinmeier schwelgen in Harmonie – und Westerwelles Kritik steigert die großkoalitionäre Zuneigung noch.

Von Robert Birnbaum

Angela Merkel unterbricht kurz ihren SMS-Verkehr unter der Regierungsbank und beugt sich leicht zu ihrem Nachbarn hinüber. Frank-Walter Steinmeier neigt den Kopf zu ihr hin. Eine kurze Bemerkung hin, eine kurze zurück, dann schmunzeln beide. Die Kanzlerin hat keinen Blick zum Rednerpult geworfen, der Kanzlerkandidat auch nicht. Trotzdem ist klar, wem die demonstrative Vertraulichkeit gilt. Wenn Guido Westerwelle im Bundestag mal wieder eines gelungen ist, dann dafür zu sorgen, dass sich die große Koalition mit sich selbst im Grunde doch ganz wohl fühlt.

Dabei hätte dies der Tag werden können, ab dem diese Koalition sich in zwei Hälften trennt: Das erste Mal, dass Merkel und ihr SPD-Herausforderer öffentlich aneinander Maß nehmen. Doch sei es, dass Steinmeier so wenig von Natur aus ein Volksredner ist wie die Kanzlerin, sei es, dass das Konjunkturpaket als Gemeinschaftswerk zu wenig Differenz hergibt – statt Duell wird an diesem Mittwoch Duett geboten.

Den Ton stimmt Merkel in ihrer Regierungserklärung an. Von einem „Pakt für Beschäftigung und Stabilität“ spricht sie, von der „Krise als Chance“, die es zu nutzen gelte, von „Arbeit für die Menschen“, die der entscheidende Maßstab sein müsse, kurz: „Die Menschen in Deutschland können sicher sein: Wir handeln gut und überlegt.“ Maßnahme für Maßnahme handelt Merkel ab. Wenn sie dabei mal nicht so klingt wie ein Regierungssprecher, dann bei Themen, die im eigenen Lager umstritten sind. Sie wisse, sagt Merkel zum Beispiel, dass die Abwrackprämie „erhebliche Diskussionen“ auslöse. Das hat sie tags zuvor in der Unionsfraktion in der Tat, die Schar der Kritiker reicht bis hin zum Fraktionschef Volker Kauder. Merkel verteidigt den Plan mit der Bedeutung der Autobranche für die Volkswirtschaft. Auch die Kritik an der hohen Staatsverschuldung greift sie auf, wird fast emotional: Vom Pfad der Konsolidierung abzuweichen sei die schwierigste innenpolitische Entscheidung ihrer ganzen bisherigen Amtszeit gewesen.

"Gute Konkunkturpolitik und soziale Gerechtigkeit gehen zusammen"

Der Applaus bleibt mager. Ohnehin plätschert er bei der Union wie bei der SPD an diesem Tag nur müde vor sich hin – immerhin plätschert die Union bei Merkel etwas mehr und die SPD dafür bei Steinmeier. Der knüpft als dritter Redner nach dem Einschub Westerwelle da an, wo Merkel aufgehört hat: In der Krise habe die Regierung handeln müssen, „und genau das haben wir getan“. Von einem „intelligenten Konjunkturprogramm“ spricht Steinmeier, davon, dass die Regierung „dieses Land moderner machen“ wolle. „Politik kann diese Krise nicht alleine bewältigen“, sagt er, „aber Politik kann Vorbild sein.“

Nur am Ende bekommt seine Rede einen sozialdemokratischen Touch. „Gute Konjunkturpolitik und soziale Gerechtigkeit, das geht zusammen“, sagt er, und dass das Paket vor allem Menschen entlaste, die kleine und mittlere Einkommen bezögen. Letzteres hat Merkel allerdings vorher auch schon genau so gesagt, und zwar beim Kapitel Steuern und unter beifälligem Lächeln des CSU-Chefs. Horst Seehofer darf als bayerischer Ministerpräsident auf der Bundesratsbank sitzen und hat das eine Zeit lang auch getan.

Westerwelles Auftritt hat der Gast aus Bayern noch mitgekriegt – wie der FDP- Chef geschimpft hat über das Paket, das nichts weiter als das „größte Schuldenpaket“ sei, ein „Sammelsurium“, „Flickschusterei“ und obendrein „der teuerste Wahlkampf in der Geschichte“. Steinmeier hat den Freidemokraten staatsmännisch-streng zurechtgewiesen: „Mit Spötterei werden Sie hier nicht durchkommen.“ An dieser Stelle ist das Beifallplätschern von Unions- und SPD-Bänken parteipolitisch nicht mehr unterscheidbar. Noch ein paar solche Westerwelle-Reden, und die große Koalition lernt sich plötzlich selbst wieder schätzen.

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