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Parteiinterne Demokratie. Auf eine klare Frage erhofft sich die SPD-Führung eine klare Antwort – nämlich die Zustimmung zur großen Koalition. Schon jetzt ist jedenfalls klar, dass die SPD-Mitglieder das Wagnis honorieren, welches Parteichef Sigmar Gabriel mit dem Votum der Basis eingegangen ist. Foto: Maurizio Gambarini/dpa

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Große Koalition: „Es gibt keinen Plan B“

Für ein mögliches Scheitern des Mitgliedervotums hat die SPD-Spitze keine Vorkehrungen getroffen Der Optimismus scheint begründet – seit dem Leipziger Parteitag hat sich die Stimmung gedreht.

Von Hans Monath

Zu größtmöglicher Transparenz und Mitbestimmung gehört manchmal auch große Verschwiegenheit. So will die SPD den Ort geheim halten, an dem eine Kommission der Partei die eidesstattlichen Versicherungen prüft, die Parteimitglieder gemeinsam mit ihrem Abstimmungsbrief zum Mitgliedervotum einsenden müssen. Der geheime Ort sei aber "hinreichend gesichert", teilte die SPD-Pressestelle mit. Auch die 400 Freiwilligen, die am Sonnabend im früheren Postbahnhof "Station" in Berlin-Kreuzberg dann die Wahlunterlagen auszählen, müssen sich verpflichten, keine Zwischenergebnisse zu verraten: Sie dürfen weder Mobiltelefone noch Fotoapparate mit in die Auszählungshalle mitnehmen.

Die Begeisterung der SPD-Basis für das Mitgliedervotum wird durch die strengen Verfahrensvorschriften aber nicht getrübt. Selten waren sich die Parteispitze und die einfachen Genossen so einig. "Der Mitgliederentscheid ist ein großartiges Stärkungsprogramm für die SPD", verkündete Parteichef Sigmar Gabriel per Facebook: Noch nie sei in den letzten Jahrzehnten in der SPD "so viel diskutiert worden über wichtige politische Fragen wie jetzt".

Mit ganz ähnlichen Argumenten beschreiben auch SPD-Mitglieder aus Berlin, warum sie freiwillig einen Tag opfern wollen, um am Samstag die Stimmen zum Mitgliedervotum auszuzählen. "Ich mache mit, weil ich es toll finde, dass nicht nur ein paar Leute aus der Führung die Entscheidung treffen, sondern die Mitglieder einbezogen werden", sagte der 63-jährige Klaus Lichtenstein aus Marzahn. Seiner Genossin Silke Fischer aus Kreuzberg imponiert derweil das Risiko, das ihre Parteiführung einging, als sie die Entscheidung über das Zustandekommen der großen Koalition aus der Hand gab. "In 23 Jahren Mitgliedschaft hätte ich mir nie vorstellen können, dass der Vorstand einmal bereit sein könnte, sich von 473.000 Mitgliedern in die Wüste schicken zu lassen", sagte die Betriebswirtin. "Davor habe ich Respekt, denn innerparteiliche Demokratie ist riskant. Es ist mein Vorstand, da will ich dabei sein."

Tatsächlich konnte niemand wissen, wie die Basis entscheiden würde, als der Parteivorstand am 20. Oktober die Briefwahl über den Koalitionsvertrag beschloss. Der Gedanke an die Neuauflage der großen Koalition war den meisten Sozialdemokraten ein Horror. Als sich dann Mitte November die schlechte Stimmung auf dem SPD-Parteitag in Leipzig in miserablen Wahlergebnissen für die Führung entlud, wurde vielen klar, dass die Partei im Falle eines Scheitern des Mitgliedervotums ohne Führung dastehen würde.

Doch als der Koalitionsvertrag Ende November dann verhandelt war, drehte sich die Stimmung. Nicht nur nach Meinung vieler Sozialdemokraten hatte die SPD mehr herausgeholt, als angesichts eines Bundestagswahlergebnis von nicht einmal 26 Prozent zu erwarten gewesen wäre. Schon bei der ersten Regionalkonferenz nach Ende der Verhandlungen im linken Bezirk Südhessen beklatschten die Genossen Gabriel und seine Erfolge.

Auf mehr als 30 Regionalkonferenzen haben Bundes- und Landespolitiker seither für den Vertrag geworben und auch noch viele Unentschlossene gewonnen, glaubt man im Willy-Brandt-Haus. Für ein Scheitern seien keine Vorkehrungen getroffen, versicherte Generalsekretärin Andrea Nahles: "Es gibt keinen Plan B."

Bis Donnerstag 24 Uhr müssen die Unterlagen im Postfach des Parteivorstands in Leipzig angekommen sein. Nach der Prüfung der eidesstattlichen Versicherungen transportiert ein Lkw die mehr als 300 000 Briefe nach Berlin, wo sie am Freitag gegen 24 Uhr ankommen sollen. Die SPD hat eigens zwei Briefschlitzmaschinen besorgt, die je 20.000 Kuverts pro Stunde öffnen können. Unter Aufsicht eines Notars beginnt dann die Auszählung. Am frühen Samstagabend, so die Planung, wird das Ergebnis verkündet.

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