zum Hauptinhalt

Große Koalition: Krampf vor dem Kampf

Nach außen geschlossen, innerlich zerrüttet: Die Regierung stimmt sich auf das Wahljahr 2009 ein – das klappt nicht ohne Widersprüche.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Bei der Suche nach Lösungen zur Bewältigung der Rezession gelingt es den Partnern der großen Koalition immer weniger, ihre Rollen als Regierungsmitglieder einerseits und politische Gegner andererseits in Einklang zu bringen. Davon ist Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel nicht ausgenommen. Am ambivalenten Verhalten von Frank-Walter Steinmeier (SPD) wird der Zustand jedoch am deutlichsten. Als Vizekanzler fühlt sich Steinmeier einerseits zur Loyalität mit der Regierungschefin verpflichtet. Als Kanzlerkandidat der SPD kommt er gleichzeitig unter immer stärkeren Druck, sich und seine Partei mit eigenen Krisen-Konzepten in der Öffentlichkeit zu profilieren.

Am Montag wurde die Schwierigkeit, die strukturell in Steinmeiers Rolle angelegt ist, gleich an mehreren Beispielen offenbar. So fand sich der Außenminister Steinmeier unvermittelt in der Doppelrolle des vorsichtigen Diplomaten und des angriffslustigen Merkel-Kritikers, als er die Abwesenheit der Kanzlerin beim Treffen zur weltweiten Finanzkrise in London zu bewerten hatte. Heraus kam dabei eine Formulierung, die beiden Seiten nicht gerecht wurde. „Weniger schön“ finde er, dass sich der britische Premier Gordon Brown, der französische Staatschef Nicolas Sarkozy sowie EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso alleine in London träfen, sagte Steinmeier.

Auch innenpolitisch balancierte der Vizekanzler: Im Regierungs viertel bekundete Steinmeiers Sprecher die Geschlossenheit der Regierung beim Krisenmanagement, während der SPD-Kanzlerkandidat – zeitlich beinahe parallel – dem Regierungspartner CDU in Wirtschafts- und Finanzfragen jede Kompetenz absprach. Als Beleg für diese fehlende Kompetenz zog Steinmeier die Unionsforderungen nach Steuersenkungen zur Ankurbelung der Konjunktur heran, die auch nach dem Wochenende nicht versiegten. Steuersenkungen, sagte Steinmeier beim Europakongress der SPD, seien „unsozial“.

Am Nachmittag traf der Kanzlerkandidat dann mit Vertretern von kommu nalen Spitzenverbände zusammen, um über Investitionsmöglichkeiten in den Kommunen zur Ankurbelung der Wirtschaft zu sprechen. Dass sich der amtierende Außenminister zu diesem Zeitpunkt mit Bürgermeistern trifft, wurde einmal als klarer Beleg dafür bewertet, dass sich Steinmeier als umsichtiger Krisenmanager mit eigenen Ideen – unabhängig vom gemeinsamen Regierungshandeln mit der Union – beweisen will. Warum auch sonst sollte ein „Investitionspakt mit den Kommunen“, den Steinmeier bei dem Treffen entwarf, ohne Beteiligung von Kabinettsmitgliedern oder dem Kanzleramt verhandelt werden. Zumal die CDU-Bildungsministerin Annette Schavan wenige Tage zuvor sehr konkrete Vorstellungen im Kernbereich eines kommunalen Investitionspaketes – den Schulen – skizziert hatte.

Ähnlich hat Steinmeier seit Ausbruch der Krise bereits mehrfach agiert. So verkündete er die Inhalte des ersten Konjunkturprogramms der Regierung zum Ärger des Koalitionspartners in der Woche vor der Kabinettsbefassung und legte wenig später ein eigenes Krisenprogramm mit europäischen Inhalten vor – und zwar ausgerechnet in den Tagen, in denen sich die Kanzlerin fehlende europäische Abstimmung bei der Krisenbewältigung vorwerfen lassen musste. Auch das Gipfeltreffen der Betriebsräte und Gewerkschafter der deutschen Automobilindustrie im Außenministerium – am Abend des so genannten Opel-Hilfsgipfels im Kanzleramt – gehört in diese Reihe.

Auch der jüngsten Aufforderung der Kanzlerin an ihr Kabinett, auf Debatten über immer neue konjunkturpolitische Ideen zu verzichten, hat sich der Vizekanzler Steinmeier angeschlossen. Der SPD-Kandidat allerdings nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false